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Der Schweizer an der Spitze der Euro 2004

Martin Kallen, oberster Manager der Euro 2004, im Stadion Luz in Lissabon, wo am 4. Juli der Final stattfindet. RDB

Die Fäden der EM 2004 hält Martin Kallen in der Hand: Im Auftrag der UEFA überwacht er seit Juni 2002 Organisation der EM-Endrunde in Portugal.

Was er als operativer Direktor der Euro 2004 unternahm, um den Grossanlass zu einem Erfolg zu machen, sagt der Berner Oberländer im Gespräch mit swissinfo.

Die EM-Endrunde in Portugal: Das sind 16 Mannschaften, darunter die Schweiz, 31 Spiele, zehn neue Stadien, ein Budget, das in die Hunderte von Millionen geht, die Akkreditierung von Tausenden von Medienleuten, Eintrittskarten für nahezu 500’000 Fans sowie die Sicherheit angesichts der Gefahr von Anschlägen.

Unnötig zu sagen, dass die Organisation und Durchführung eines solchen Monster-Anlasses fähige Köpfe bedingt. An der Spitze der Management-Pyramide steht ein Schweizer: Martin Kallen.

Der 40-jährige Berner Oberländer war als operativer Direktor der Euro 2004 dafür verantwortlich, dass am Tag X, dem 12. Juni, für den Anpfiff zum Eröffnungsmatch zwischen Gastgeber Portugal und Griechenland alles bereit war.

An der Avenida da Republica 53 in Lissabon, im neunten Stock eines Gebäudes, ist Martin Kallen seit zwei Jahren unermüdlich an der Arbeit gewesen. Er unternahm alles, damit der weltweit drittgrösste Sport- und Medienanlass (nach der Fussball-WM und den Olympischen Spielen) reibungslos über die Bühne gehen kann.

swissinfo: Welches waren die drei grössten Probleme, die Sie bisher zu bewältigen hatten?

M.K.: Das Hauptproblem war ganz klar die Zeit. Das Projekt war schon von Anfang an im Rückstand, und die Zeit war sehr kurz.

Das zweite Problem war die Sicherheit, denn wir müssen für alle Eventualitäten gerüstet sein. Wir arbeiten eng mit der portugiesischen Regierung zusammen, die für alle Fragen im Zusammenhang mit Terrorismus und Hooliganismus zuständig ist. Dafür wurden mehrere Sonderkommissionen eingesetzt.

Und schliesslich: Dass alle zehn Stadien ganz neu sind, erleichterte die Sache auch nicht. Als ich in Portugal ankam, waren sie noch im Bau. Wir mussten die Baustellen ganz genau überwachen, damit alles frist- und normgerecht bereit ist.

swissinfo: Waren Sie sich des Ausmasses der Aufgabe bewusst, bevor sie im Juni 2002 nach Portugal beordert wurden?

M.K.: Nein, überhaupt nicht! Da alles im Hauptquartier in Lissabon zentralisiert war, dachte ich, das werde einfach zu managen sein. Aber die Aufgabe war immens, schwindelerregend.

Zum Glück aber habe ich ausgezeichnete Mitarbeitende, die Höchstleistungen erbrachten, und es herrscht eine ausgezeichnete Atmosphäre.

Man muss hart sein mit sich selbst, ausdauernd, positiv denken, was immer auch geschieht. Für mich ist es ein ausserordentliches und bereicherndes Abenteuer.

swissinfo: Sie arbeiten für Portugal, sind aber Schweizer. Ändert das etwas?

M.K.: Das ist ausserordentlich wichtig. Man muss sich seines Status’ als Gast würdig erweisen. Und das ist auch Verpflichtung, uns etwas zurückzunehmen. Dies ist die EM der Portugiesen.

Man muss auch offen und bereit sein, in eine andere Mentalität einzutauchen. Hier wird alles in letzter Minute entschieden. Es ist unmöglich, die Dinge so früh zu planen wie in der Schweiz.

Aber die Portugiesen sind sehr kreativ, wenn es darum geht, die auftauchenden Probleme zu meistern. In zwei Jahren lernte ich, dass alles möglich ist. Ich lernte auch, etwas ruhiger zu bleiben, etwas cooler. Auch auf der Strasse, denn die Portugiesen fahren sehr, sehr schnell Auto.

Und dann ist Portugal ein Land, das zu entdecken sich lohnt: Seine Geschichte, seine Landschaften, die Leute, die Küche.

swissinfo: Wie sehen die Portugiesen diesen Sportanlass erster Güte?

M.K.: Heute ist das Fieber auf dem Höhepunkt. Die Portugiesen sind sehr stolz, die EM organisieren zu können. Überall wird davon gesprochen, in den Medien, auf der Strasse, in den Cafés. Es ist wirklich das Gesprächsthema Nummer eins.

Ausserdem sind die Stimmen der Kritiker fast verstummt, welche die Investitionen für diesen Anlass in Frage stellten.

swissinfo: Was wünschen Sie sich von dieser Europameisterschaft?

M.K.: Zunächst gute Spiele, das ist das Wichtigste! Jede Minute unserer Arbeit wurde für den Fussball eingesetzt, und wir hoffen sehr, dass sich alles auf sehr hohem Niveau abspielt.

Ausserdem haben mich die UEFA und der portugiesische Verband gebeten, die beste Europameisterschaft vorzubereiten, die je organisiert wurde. Damit das Fest perfekt wird, muss es eine portugiesische Geschichte sein. Das Land hat mit zehn neuen Stadien (eine Premiere in der Geschichte des Fussballs) eine Höchstleistung erbracht. Nun fehlt nur noch der Schlusssieg.

Eines ist sicher: Am 5. Juli, nach dem Final, werde ich ein erleichtertes Uff ausstossen. Nachher werde ich bis im September, wenn der letzte meiner Mitarbeiter das Hauptquartier hier in Lissabon verlässt, alles zum Abschluss bringen.

swissinfo: Sie sind ein grosser Fussballfan. Wie sind Ihre Prognosen?

M.K.: Die sechzehn Mannschaften sind fast alle auf gleichem Niveau, auch wenn Frankreich Favorit ist. Tschechien und Portugal könnten ein wunderbares Abenteuer zu Ende bringen.

Und dann ist die Schweiz vielleicht für eine Überraschung gut und kommt in die Viertelfinals. Ich werde jeden Tag einen Match anschauen und die Schweiz und Portugal dabei besonders im Auge behalten.

Interview swissinfo, Mathias Froidevaux
(Übersetzung aus dem Französischen: Charlotte Egger)

Der 40-jährige Martin Kallen stammt aus Frutigen im Berner Oberland.
Seit 1994 ist er für die UEFA tätig.
Davor hatte er sieben Jahre für die Bern-Lötschberg-Simplon-Bahn (BLS) gearbeitet.

Martin Kallen ist Geschäftsführer der Gesellschaft Euro 2004 S.A. Diese ist mit sämtlichen Belangen betraut, die zur Organisation des Turniers gehören.

Die Gesellschaft wurde von der UEFA und dem portugiesischen Fussballverband (FPF) eingesetzt.

Der Verwaltungsrat der Euro 2004 S.A. besteht aus sieben Mitgliedern: Vier aus der UEFA und drei vom FPF.

Zuvor hatte Kallen drei Finals der Champions League organisiert, des grössten Wettbewerbs im europäischen Klubfussball.

Mit seinem Profil würde sich Kallen bestens als oberster Manager der EM 2008 empfehlen, die in der Schweiz und Österreich stattfindet.

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