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Die “Zauberformel” hält sich wacker – trotz allem

Die Zauberformel: Noch nie so umstritten. swissinfo.ch

Seit den Parlamentswahlen ist die 44-jährige "Zauberformel", welche die Zusammensetzung der Schweizer Regierung regelt, massiv unter Druck.

Während die sprachregionale Vertretung unbestritten ist, entsprechen die Parteienstärken schon länger nicht mehr der Realität.

Die Verteilung der Sitze (4 deutschsprachige, 3 lateinischsprachige) entspricht der aktuellen Stärke der jeweiligen Sprache. Die Volkszählung 2000 ergab, dass 63,9% der Bevölkerung Deutsch und 26,6% eine der drei lateinischen Sprachen sprechen.

Aufstieg der SVP

Die politische Aufteilung (2 FDP, 2 SP, 2 CVP und 1 SVP) ist problematischer: Bei der Einführung der “Zauberformel” im Jahre 1959 entsprach die Aufteilung der sieben Bundesrats-Sitze der Stärke der vier Parteien.

Damals hatten die Sozialdemokraten 26,4% der Stimmen, die Freisinnigen 23,7%, die Christdemokraten 23,3% und die Bauern-, Gewerbe- und Bürgerpartei (Vorläufer der SVP) 11,6%. Dieses Gleichgewicht der Kräfte blieb bis Anfang der 90er-Jahre mehr oder weniger bestehen.

Doch seit zehn Jahren ist ein doppeltes Phänomen zu beobachten: Die konstante Erosion der Christdemokraten auf der einen Seite, und der enorme Aufstieg der Schweizerischen Volkspartei auf der anderen.

Bei den letzten Wahlen vom 19. Oktober 2003 wurde die SVP erneut stärker (26,6% der Stimmen), gefolgt von der SP (23,3%), der FDP (17,3%) und der CVP (14,4%).

Angriff auf CVP und SP

Arithmetisch überlegen verlangt die SVP, besonders ihr starker Zürcher Flügel, einen zweiten Sitz im Bundesrat. Um dieses Ziel zu erreichen, attackiert sie sowohl die Christdemokraten wie seit kurzem auch die Sozialdemokraten.

Für die SVP ist klar, dass die CVP als kleinste Bundesratspartei auf einen Sitz verzichten muss. Sie versucht deshalb, einen der Sitze der CVP zu ergattern (Ruth Metzlers oder Joseph Deiss’), um ihren Wortführer Christoph Blocher in den Bundesrat zu hieven.

Damit würde sie einen Sitz vom “schwächsten Glied” im Bundesrat übernehmen, das von Wahl zu Wahl an Boden verloren hat. Im neuen Parlament stellt die CVP noch 43 National- und Ständeräte, die SVP 63.

Allerdings steht die unmittelbar nach den Wahlen erhobene Forderung nicht mehr so absolut da. Sollten die beiden CVP-Bundesräte wiedergewählt werden, wird die SVP die SP attackieren. Konkret geht es um den Bundesratssitz von Aussenministerin Micheline Calmy-Rey.

Auch Kritik von Links

Doch die SVP ist nicht die einzige Partei, welche die “Zauberformel” hinterfragt. Auch von den Linken gab’s schon Kritik.

Vor allem eine Generation alter Sozialdemokraten fragte sich in den 80er-Jahren, ob die SP nicht besser aus dem Bundesrat aussteigen und eine echte Opposition bilden sollte, statt in den “sauren Apfel” zu beissen und einen bürgerlich dominierten Bundesrat mitzutragen.

Nun fragt sich die SP erneut, ob sie in die Opposition gehen sollte, falls Christoph Blocher gewählt würde. Für die Parteipräsidentin Christiane Brunner wäre SVP-Präsident Ueli Maurer der akzeptablere Kandidat. Doch die SVP bleibt hart: Blocher oder Opposition.

Es könnte eng werden. Denn die Linke und die Mitte halten zusammen 125 Sitze im Parlament, einen einzigen über dem absoluten Mehr. Sie könnten daher die Zusammensetzung der neuen Regierung im Alleingang bestimmen – würden sie blockweise stimmen. Eines ist sicher: Die “Zauberformel” wird ein heisses Eisen bleiben.

swissinfo, Olivier Pauchard und Isabelle Eichenberger
(Übertragung aus dem Französischen: Christian Raaflaub)

Die Anteile der Sprachgruppen in der Schweiz (2000):

Deutsch: 63,9%
Französisch: 19,5%
Italienisch: 6,6%
Rätoromanisch: 0,5%
Andere: 9,5%

Die aktuellen Stärken der Parteien in der Schweiz:

SVP: 26,6%
SP: 23,3%
FDP: 17,3%
CVP: 14,4%

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