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Die SVP: Ein Zwerg wird zum Riesen

Mit der Abstimmung gegen den EWR 1992 schaffte die SVP den Durchbruch. Keystone

Die Schweizerische Volkspartei (SVP) ist die stärkste politische Kraft in der Schweiz geworden. Während langer Zeit jedoch war die frühere Bauernpartei die kleinste der vier Regierungsparteien.

Ihr Aufstieg begann zu Beginn der 90er-Jahre. Seither hat sie ihre Stärke mehr als verdoppelt.

Die Geschichte der SVP beginnt am Ende des ersten Weltkrieges, als sich Zürcher und Berner Bauern von der Freisinnigen Partei (FDP) abspalteten. Sie waren der Meinung, dass die wirtschaftsfreundliche FDP ihre Interessen nicht mehr genügend vertrete.

Schon lange im Bundesrat

Die Dissidenten schafften es schon bald, einen der ihren in die Landesregierung zu hieven: 1929 wurde der Berner Bauer Rudolf Minger zum Bundesrat gewählt. Er übernahm das Militärdepartement. Ein wichtiger Ministerposten in einer Epoche der Aufrüstung gegen die Bedrohung der Nazis.

Schon bald konnten die Bauern auch Kleingewerbler und Freiberufliche ansprechen. Im Dezember 1936 gründeten sie die Schweizerische Bauern-, Gewerbe- und Bürgerpartei (BGB), die Vorläuferin der SVP.

Sie stellte in diesem Jahr bereits 24 Vertreter unter der Bundeshauskuppel aus den Kantonen Aargau, Baselland, Bern, Freiburg, Schaffhausen, Tessin, Thurgau, Waadt und Zürich.

Streben nach Grösse

1971 fusionierte die BGB mit den Demokraten der Kantone Graubünden und Glarus. Die neue politische Kraft gab sich den Namen Schweizerische Volkspartei (SVP).

Ihr erklärtes Ziel: Mehr Wählerinnen und Wähler ansprechen. Einerseits bleib die SVP den Interessen der Bauern, Kleingewerbler und Freiberuflichen treu, öffnete sich jedoch auch für Angestellte und andere Gruppen.

Doch diese Öffnung zeitigte nicht den erwarteten Erfolg. Von 1945 bis 1971 vertraten zwischen 24 und 27 Parlamentarier die BGB im Bundeshaus. Zwischen 1971 und 1991 waren es für die SVP lediglich zwischen 26 und 29 Personen.

Die SVP blieb die schwächste der Regierungsparteien. Die Aufteilung der Sitze im Parlament sprach damals für sich: Die SVP kam auf 29, die Sozialdemokratische Partei (SP) auf 46, die Christlichdemokratische Volkspartei (CVP) auf 53 und die FDP auf 62.

Der Polit-Turbo

1992 allerdings begann sich das Blatt zu wenden. Die SVP wehrte sich praktisch als einzige Partei gegen einen Beitritt der Schweiz zum Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) – und gewann die Volksabstimmung.

Seither profiliert sich die SVP als Hüterin der Schweizer Unabhängigkeit, verteidigt deren Neutralität und setzt sich ein für eine restriktive Einwanderungspolitik. Sie steht für eine rechte Politik ohne Kompromisse: Weniger Steuern, weniger Sozialstaat, usw.

Der Ton wird von der Zürcher Kantonalpartei bestimmt, deren Präsident der Nationalrat und Unternehmer Christoph Blocher ist.

Je mehr sich die Verhältnisse in der Schweiz änderten, desto mehr Gehör verschaffte sich die SVP. Das Land leidet unter der Wirtschaftskrise, der hohen Arbeitslosigkeit, den stetig wachsenden Gesundheitskosten und steckt in einer Rentenkrise.

Diese Themen giessen Öl ins Feuer der SVP. Sie lässt keine Chance aus, den bürgerlichen Parteien FDP und CVP ihre “mangelhaften” Konzepte anzukreiden. Die beiden Parteien haben seither regelmässig an Terrain verloren.

Der Erfolg der SVP ist beeindruckend: Seit den Wahlen vom 19. Oktober 2003 zählt sie 63 Abgeordnete im Parlament, mehr als doppelt so viele wie 1991. Sogar die gerade erst gegründeten Sektionen (Neuenburg, Wallis) konnten Erfolge verbuchen.

Arithmetisch steht somit der grössten Schweizer Partei klar ein zweiter Sitz in der Landesregierung zu. Bleibt abzuwarten, ob sie bessere Lösungen als die anderen Parteien für die anstehenden Probleme zu bieten hat.

Falls nicht, könnte das Pendel bald zurückschwingen.

swissinfo, Olivier Pauchard
(Übertragung aus dem Französischen: Christian Raaflaub)

Die Bundesräte von BGB und SVP:
Rudolf Minger (1929-1940)
Eduard von Steiger (1940-1951)
Markus Feldmann (1951-1958)
Friedrich Traugott Wahlen (1958-1965)
Rudolf Gnägi (1965-1979)
Leon Schlumpf (1979-1987)
Adolf Ogi (1987-2000)
Samuel Schmid (seit 2000)

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