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Die Wähler haben Lust auf Grün

Die grüne Politik kommt an. Keystone

Die Wahlen im Kanton Zürich bestätigen die Hochform der Grünen, die seit 2004 auf dem Vormarsch sind. Die Sozialdemokraten müssen sich nach ihrer Schlappe dagegen ernsthaft Gedanken machen.

Die Zürcher Ergebnisse können zwar nicht zur nationalen Prognose für die eidgenössischen Wahlen hochgerechnet werden, es lassen sich aber klare Trends ablesen.

Die Wahlen im Kanton Zürich waren der letzte Formtest für die Parteien vor den eidgenössischen Wahlen im Herbst. Während sich die Mitteparteien zumindest halten konnten, sieht die Bilanz für die Sozialdemokraten (SP) düster aus: Sie büssten fast einen Drittel ihrer Sitze im Kantonsparlament ein.

Davon profitierte allerdings nicht die rechtsbürgerliche SVP, sondern die Sitze gingen an ökologisch orientierte Parteien. Grosse Gewinner waren dabei die Grün-Liberalen, eine Partei, die es auf nationaler Ebene (noch) nicht gibt. Wie der Zürcher Nationalrat Martin Bäumle am Montag erklärte, ist die Gründung einer nationalen Partei in Planung.

Der Vormarsch der Grünen bestätigt den Trend aus anderen kantonalen Wahlen der letzten vier Jahre. Insgesamt legten sie in 24 Kantonen um insgesamt 57 auf 190 Parlamentssitze zu. Das heisst: innert vier Jahren stieg der Anteil grüner Sitze von 4,7 auf 7,2%.

“Der Trend ist eindeutig”

Für den Politologen Michael Hermann vom Geografischen Institut der Universität Zürich ist klar, dass die Grünen im Herbst auch auf nationaler Ebene die grossen Gewinner sein werden: “Alles andere wäre ein Wunder, der Trend ist eindeutig”, sagt er gegenüber swissinfo.

Zweite Siegerin ist die Schweizerische Volkspartei (SVP), deren Vormarsch sich aber nach einem fulminanten Aufstieg ab Anfang der neunziger Jahre verlangsamt hat. Ihr prozentualer Anteil an Sitzen in kantonalen Parlamenten stieg von knapp 20 auf 21,3%.

In Zürich konnte sich die Freisinnig-Demokratische Partei bei den Wahlen am Wochenende zwar halten, insgesamt verlor sie aber seit 2004 mehr als 100 kantonale Parlamentssitze. Sie kommt heute noch auf einen Anteil von knapp 20%, gegenüber 22,6% im Jahr 2004.

Verloren haben auch die Christdemokraten, allerdings etwas weniger stark als die Freisinnigen. Der CVP-Anteil an allen kantonalen Parlamentssitzen verringerte sich von 22,1 auf 21,1%.

Jetzt gibt es eine Alternative zur SP

Zwiespältig ist das Bild für die Sozialdemokraten nach dem gestrigen Wahlsonntag in Zürich: Sie erlebten ein unerwartetes Desaster.

“Lange Zeit konnte die SP davon profitieren, dass es keine attraktive Alternative gab. Jetzt, wo es diese gibt, wird es schwierig für diese Partei”, sagt Michael Hermann. Die FDP hätte zwar versucht, diese Alternative zu sein, doch die Distanz zu den Mitte-Wählern der SP sei doch zu gross.

Ein “einmaliger Ausrutscher”, wie es SP-Präsident Hans-Jürg Fehr sehen will – oder vielmehr ein Fanal für die eidgenössischen Wahlen? “Die Partei hat allen Grund zur Sorge”, interpretiert der Politologe Andreas Ladner von Institut des Hautes Etudes en Administration Publique (IDHEAP) das Resultat. Selbst wenn auf nationaler Ebene ein besseres Resultat erwartet werden dürfte.

“Die Wahlen zeigen eine klare Tendenz”, sagt Ladner weiter. “Die Grünen und die Sozialdemokraten können nicht beide gewinnen. Das wird der SP noch Probleme machen.”

Tatsache ist, dass sich die SP in den letzten vier Jahren knapp halten konnte. Ihr Anteil an kantonalen Sitzen ging nur geringfügig von 20,4 auf 20,2% zurück.

Genug von der bipolaren Politik

Das Wahlergebnis könne als eine Stärkung der Mitte gelesen werden, sagt Michael Hermann. “In der Deutschschweiz hat die Bevölkerung sicher genug von der bipolaren Politik.”

Insgesamt könnten die Zürcher Wahlen durchaus als Fanal verstanden werden, meint Hermann, und zwar insofern, als auch der Aufstieg der SVP in Zürich begonnen habe.

Dennoch rechnet der Politologe bei den nationalen Wahlen im Herbst nicht mit erdrutschartigen Bewegungen: “Das braucht mehr Zeit.”

swissinfo

Bei den Regierungsratswahlen eroberte die Schweizerische Volkspartei einen Sitz zurück. Dies zulasten der Grün-Liberalen, die nach der Abspaltung von der Grünen Partei ihren Sitz nicht halten konnten.

Aus den Parlamentswahlen gingen dagegen die Grün-Liberalen mit neu 10 Sitzen als Sieger hervor. Die Grüne Partei legte um 5 auf 19 Sitze zu. Die FDP konnte ihre 29 Sitze halten, die Christdemokraten gewann einen Sitz (insgesamt 13).

Grosse Verlierer waren die Sozialdemokraten. Sie verloren 17 von 53 Sitzen. Auch die SVP verlor 5 Sitze – allerdings vor allem wegen des neuen Verteilschlüssels. Mit 56 Sitzen bleibt die SVP stärkste Partei.

Freisinnig Demokratische Partei FDP 36 (1999: 43)
Christdemokraten CVP 28 (35)
Sozialdemokraten SP 52 (51)
Schweizerische Volkspartei SVP 55 (44)
Grüne Partei 13 (9)
Andere 16 (16)

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