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Eine Galerie in Bern stellt Inuit-Kunst aus

Kunst aus dem hohen Norden in der Berner Galerie Cerny. swissinfo.ch

In Bern ist eine neue Galerie mit einer der weltweit bemerkenswertesten Sammlungen von Kunst der Inuit (früher Eskimos) eröffnet worden.

Sie zeigt, welch hohes Niveau die künstlerische Kreativität der indigenen Menschen der nördlichen Polarregion hat, die wenig oder keine eigentliche Kunstausbildung hatten.

Der Beginn der Sammlung liegt 15 Jahre zurück, als Martha Cerny und ihr Schweizer Mann Peter über 120 undokumentierte Stücke kauften, darunter Stein- und Fischbeinskulpturen, Steindrucke und seltene Batikstoffe.

Danach reisten sie mehrmals in den Norden Kanadas und nach Iqaluit in der östlichen Arktis. Nach einer langen Suche gelang es ihnen, die Künstlerinnen und Künstler von 80 Prozent der Werke auf beiden Seiten der Beringstrasse zu finden.

Im Vergleich zu anderen privaten Sammlungen ist dies sehr viel. Einzigartig ist die Sammlung auch, weil die Objekte nicht nur von Kanada, Alaska und Grönland kommen, sondern auch aus dem russischen Chokotka.

Martha Cerny kam in Kanada zur Welt. Während ihrer Kindheit in Alaska kam sie zum ersten Mal mit den wundervollen Werken der Eingeborenen im hohen Norden in Berührung, wie sie swissinfo erzählte.

Aber erst viel später, als sie und ihr Mann eine Anzeige in der “Neuen Zürcher Zeitung” lasen, in der Inuitkunst zum Kauf angeboten wurde, fingen sie an zu sammeln.

Wachsende Faszination

“Wir waren bald fasziniert”, sagt sie, “und die Faszination wuchs auf unseren Reisen in die Region.”

In Cernys Sammlung sind auch Objekte aus Walrosszähnen und aus Geweihen sowie Schnitzereien, Körbe und Schmuck zu finden.

Wer die Galerie besucht, in der auch einige Ausstellungsstücke zu kaufen sind, ist erstaunt über die hohe Qualität der ausgestellten Objekte. Das wirft die Frage auf: Warum sind die Inuit so kreativ in ihrer Kunst?

“Das hat mit ihrer Lebensweise zu tun”, meint Cerny. “Sie müssen erfinderisch sein, um zu überleben, und sie könnten nicht überleben, ohne das alltäglich anfallende Material zu nutzen. In ihrer Gesellschaft wird nichts weggeworfen. Sie jagen, um zu essen, aber nie im Übermass.

Wenn sie ein Tier jagen, tun sie das nicht nur zur Nahrungsbeschaffung. Aus der Haut machen sie Kleider oder Werkzeug, das Fleisch wird gegessen, das Fett dagegen wird für Lampen oder zum Heizen genutzt, die Knochen für Unterkünfte oder für Schlittenkufen.”

Kein Abfall

“Wie Sie sehen” , fügt sie mit einer Kopfbewegung zur Sammlung bei, “werden Abfallprodukte in wunderschöne Kunstwerke umgewandelt.”

Die Kunstfertigkeit der Inuit wird von Generation zu Generation weiter gegeben. Diese Gesellschaft hat ein natürliches Talent zum Überleben in einer Region entwickelt, in der im Winter die Temperaturen weit unter den Gefrierpunkt fallen. “Sie müssen geschickt sein mit ihren Händen, um Schlitten und Harpunen herzustellen”, sagt Cerny.

“Deshalb sind sie auch geschickt im Kunsthandwerk. Heute stammen rund 30 Prozent des gesamten Einkommens der Inuit im nördlichen Kanada, einer Region, in der Arbeitsstellen rar sind, aus dem Verkauf von Kunstwerken.”

Cernys ziehen mit ihrer Sammlung nicht nur die Aufmerksamkeit auf eine Kunst aus der wenig bekannten Welt des Nordens, sie organisieren auch andernorts Ausstellungen und halten Vorträge über die Arktis, ihre Menschen, ihre Kultur und Natur. Schulklassen werden eingeladen und kulturelle Anlässe für Firmen veranstaltet.

“In Nordamerika besteht bereits ein guter Markt für Inuitkunst”, so Martha Cerny. “In Europa und anderen Kontinenten stehen wir erst am Beginn.”

swissinfo, Richard Dawson
(Übertragung aus dem Englischen: Charlotte Egger)

Martha und Peter Cerny fingen vor 15 Jahren an, Inuitkunst zu sammeln.

Zur Sammlung gehören Stein- und Fischbein-Skulpturen, Objekte aus Walrosszähnen und Geweihen sowie Schnitzereien, Körbe, Schmuck und seltene Batikstoffe.

Die Ausstellungs-Gegenstände kommen nicht nur aus Kanada, Alaska und Grönland, sondern auch aus dem russischen Chukotka.

Rund 30 Prozent des gesamten Einkommens der Inuit im nördlichen Kanada, einer Region, in der Arbeitsstellen rar sind, stammen heute aus dem Verkauf von Kunstwerken.

In einer Gesellschaft, in der nichts weggeworfen wird, müssen die Menschen erfinderisch sein, um zu überleben. Und sie könnten nicht überleben, ohne das alltäglich anfallende Material voll zu nutzen.

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