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Eine Schweiz-Reise als Prestige für Russen

St. Moritz: Beliebtes Reiseziel russischer Touristen Keystone

Mit 300'000 Übernachtungen pro Jahr gehören die Russen heute zu den Top Ten im Schweizer Tourismus. Sehr beliebte Destionationen sind Genf und Zürich.

Der Hang zum Luxus der neureichen Russen ist legendär, doch es gibt auch bescheidenere Feriengäste aus der Russischen Föderation.

Russische Gäste bringen viel Geld und Glamour. So wenigstens das gängige Bild von russischen Urlaubern in der Schweiz. “Rubel und Russenjets in Top of the World”, titelte vor kurzem die Bündner Tageszeitung Südostschweiz in einer Festtagsbilanz aus St.Moritz.

Im Artikel wird berichtet, dass zwischen dem 20. Dezember und dem 15. Januar 52 Direktflüge russischer Privatjets genau 303 Personen in die mondäne Engadiner Destination brachten – eine Zunahme von 65 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Mit 10’000 Logiernächten im Januar liegen die Russen nach Schweizern, Deutschen und Italienern schon an vierter Stelle.

Auch Genf hat viel Erfahrung mit dem Hang neureicher Russen zum Luxus und Opulenten. “Diese Kunden schauen kaum auf die Preise von Suiten oder Hotelzimmern: Nur das Beste ist gut genug”, sagt Katia Toporkova, die für Genève Tourismus den russischen Markt betreut. Thermalbäder, Wellness und Beauty seien besonders gefragt.

Aufstieg in die Top Ten

“Die Entwicklung des russischen Marktes ist für uns sehr positiv”, kommentiert Federico Sommaruga, der bei Schweiz Tourismus (ST) für dieses Marktsegment zuständig ist. Im Jahr 2005 stiegen im Vergleich zum Jahr 2003 (letzte Erhebung vor 2005) die Übernachtungszahlen – Hotellerie und Kurbetriebe – von Russinnen und Russen in der Schweiz um nahezu 13 Prozent.

“Mit 300’000 Übernachtungen jährlich sind die Russen unter den Top Ten des Schweizer Tourismus und unter den fünf strategischen Entwicklungsmärkten von Schweiz Tourismus positioniert, zusammen mit China, Korea, Indien und den Golfstaaten”, bilanziert Sommaruga.

Seit 1996 ist Schweiz Tourismus mit einer eigenen Vertretung in Moskau präsent. Bei der Tourismusmesse MITT, der drittgrössten Messe weltweit, die traditionell im März in Moskau stattfindet, ist die Schweiz inzwischen mit über 100 Ausstellern präsent, darunter auch Vertreter von Hotels und Kliniken.

Schweiz als Prestigedestination

Für viele Russen sei eine Schweizreise eine Prestigefrage, meint Maria Makarova, Marketing Managerin von ST in Moskau. Das Image von Reichtum, hoher Sicherheit und Qualität wirke anziehend.

Die Journalistin Galina Stolyarova von der englischsprachigen St. Petersburg Times bestätigt gegenüber swissinfo, dass die meisten Russen die Schweiz als absolute Luxusdestination betrachten: “Beim Wort Schweiz denkt man an Golduhren, protzige Banken, edle Skiorte und Pelzmäntel.”

Stolyarova kritisiert denn auch, dass die Tourismuswerbung der Schweiz in Russland zu einseitig auf die Oberschicht ausgerichtet sei. Ihrer Meinung nach müsste dies nicht sein: “Ich habe beispielsweise in Leukerbad wunderschöne Zwei- oder Dreistern-Hotels gesehen.”

Kritik zurückgewiesen

Von Schweizer Touristikern wird diese Kritik zurückgewiesen. Federico Sommaruga betont, “dass es im Russland-Markt inzwischen Angebote für alle Preissegmente gibt”.

Auch Fritz Meyer, Managing Direktor der Incotrade AG in Frauenfeld, unterstreicht, dass es durchaus Reisen für bescheidenere Budgets gibt. Incotrade, als grösster Touroperator von Gruppenreisen für Russen in der Schweiz, bietet etwa eine Swiss-Classic-Busfahrt mit sechs Übernachtungen in Vier-Stern-Hotels ab 404 Euro (610 Franken) an.

Meyer ist überzeugt, dass mit Berichten über verschwendungssüchtige Russen ein sehr einseitiges Bild gezeichnet wird: “Es gibt auch viele Russen, die bei ihren Reisen mit einem Tagesbudget von 60 bis 70 Franken auskommen müssen.”

Dasselbe gilt für das angeblich ungebührende und lautstark-arrogante Benehmen vieler russischer Urlauber in der Schweiz. “Ich hatte nur zwei Reklamationen in zehn Jahren Aktivität”, so Meyer.

swissinfo, Gerhard Lob

Der Tourismus von Russinen und Russen in der Schweiz hat eine lange Geschichte. Schon die russischen Grossfürsten und die Zarenfamilien gehörten etwa im Engadin zu den Stammgästen.

Mit dem Aufkommen einer wohlhabenderen Mittelschicht und einer sehr reichen Oberschicht nach dem Ende der Sowjetunion 1991, hat der Tourismus von Russen in der Schweiz in den letzten Jahren stark angezogen.

Bei den Städtedestinationen liegt Genf an erster Stelle vor Zürich. Grund: Die Affinität von Russen zur französischen Kultur und Sprache ist stärker als zur deutschen. Unter den beliebtesten Winter-Sportorten finden sich Zermatt, St.Moritz und Crans-Montana.

Die zur deutschen Lufthansa gehörende Airline Swiss fliegt zwei Mal täglich von Moskau nach Zürich und zurück sowie ein Mal nach Genf. Aeroflot fliegt täglich je einmal nach Zürich und Genf. Ausserhalb Moskaus gibt es keine Direktflüge in die Schweiz.

Logiernächte von Russinnen und Russen in der Schweiz pro Jahr: 300’000

Anteil der Russen an ausländischen Logiernächten: 2,5%

Durchschnittliche Ausgaben russischer Gäste pro Person und Tag (2004): 400 Fr.

Durchschnittliche Ausgaben von Europäern pro Person und Tag: 150–200 Fr.

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