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Erhöhtes Armutsrisiko bei Tamilen in der Schweiz

Keystone

Niedrige Löhne und kaum Aufstiegschancen: Die Tamilen in der Schweiz sind gemäss einer Studie überdurchschnittlich häufig von Armut betroffen.

Laut Studie sind die Schweizer Behörden mitverantwortlich für die schwierige Situation, in der sich viele tamilische Familien befinden. Aber auch Verpflichtungen gegenüber Angehörigen in Sri Lanka und den Tamil Tigers LTTE tragen dazu bei.

Die srilankischen Migranten in der Schweiz seien zwar verglichen mit der übrigen ausländischen Bevölkerung gut in den Arbeitsmarkt integriert, schreiben die drei Autorinnen vom Schweizerischen Forum für Migrations- und Bevölkerungsstudien (SFM) in der Studie, die sie im Auftrag des Bundesamtes für Migration (BFM) durchführten.

Der Anteil der srilankischen Erwerbstätigen ist demnach höher als der durchschnittliche Anteil der ausländischen Erwerbstätigen. Nach den Ergebnissen der Eidg. Volkszählung 2000 arbeiten jedoch 71% der srilankischen Staatsangehörigen als ungelernte Arbeiter, vor allem im Hotel- und Gastgewerbe.

Wenig Lohn, kaum Aufstiegschancen

Ein beträchtlicher Teil der Familien verfügt deshalb über sehr bescheidene Einkommen. Ihre Aufstiegsmöglichkeiten bleiben begrenzt. Damit ist das Armutsrisiko gross.

Einige, die vor Sozialhilfe zurückschrecken, geraten gar in eine Schuldenfalle. Gleichzeitig nimmt die Hoffnung auf eine Rückkehr in die Heimat ab. All diese Frustrationen können zu Alkoholmissbrauch und Gewalt in der Familie führen.

Mitverantwortung der Schweiz

Mitverantwortlich für die schwierige Situation vieler Familien sei die Schweiz, schreiben die Autorinnen. Die Behörden hätten lange gezögert, diesen Menschen Rechtssicherheit zu geben. Ihre prekäre sozioökonomische Lage hänge stark mit ihrem unsicheren Aufenthaltsstatus zusammen.

Bis 1994 wurde der Flüchtlingsstatus nur einer Minderheit von Tamilen zuerkannt, und nur eine kleine Zahl von Personen wurde vorläufig aufgenommen. Die anderen mussten viele Jahre auf eine Antwort warten, oder ihr Asylgesuch wurde abgewiesen.

Die meisten konnten ihre rechtliche Situation erst ab 2000 stabilisieren. Damals erhielten rund 10’000 Srilanker im Rahmen einer humanitären Aktion eine vorläufige Aufenthaltsbewilligung.

Tamil Tigers und Familien

Mitglieder der tamilischen Diaspora unterstützen häufig auch ihre Familienangehörigen in Sri Lanka. Diese Geldsendungen verlangen den Familien Opfer ab. Manchmal müssen sie Darlehen aufnehmen und sich verschulden.

Hinzu kommen Tributforderungen der Befreiungstiger von Tamil Eelam (LTTE). Die Menschen zahlen aus Angst vor Repressalien oder weil sie die Ideologie der LTTE mittragen.

Laut einem Gesprächspartner der Autorinnen der Studie fliessen jeden Monat 500’000 Franken aus der Schweiz an die LTTE.

Die Rebellengruppe ist im Gegensatz zu anderen Ländern in der Schweiz nicht verboten. In der EU wurde sie 2006 auf die Terrorliste gesetzt.

Dauerhafte Folgen

Einige Tamilen der ersten Generation laufen laut den Forscherinnen Gefahr, dauerhaft unter den Folgen dieser Anfangsjahre zu leiden. Erst für die zweite Generation sähen die Zukunftsperspektiven besser aus.

Heute haben über 90% der nichteingebürgerten 32’000 srilankischen Einwohnerinnen und Einwohner eine Aufenthalts- oder Niederlassungsbewilligung. 10’000 haben den Schweizer Pass.

Insgesamt werden 90 bis 95% der tamilischen Minderheit zugerechnet, der Rest der singhalesischen Mehrheit.

Status mit Risiko

Das Problem mangelnder Integrationschancen bleibt somit auch in Zukunft bestehen. Zwar sei die vorläufige Aufnahme seit 2005 leicht verbessert worden, sagt der Sprecher der Schweizerischen Flüchtlingshilfe (SFH), Yann Golay.

Der Zugang zum Arbeitsmarkt und zu Integrations-Massnahmen sei erleichtert worden. Dennoch beinhalte auch dieser Status das Risiko einer schlechten Integration und fehlender Aufstiegschancen.

swissinfo und Corinne Dobler, sda

In der Schweiz leben rund 43’000 Menschen aus Sri Lanka. Der grösste Teil von ihnen gehört der tamilischen Minderheit an.

10’000 haben inzwischen einen Schweizer Pass.

Über 90% der Nichteingebürgerten haben eine Aufenthalts- oder Niederlassungs-Bewilligung.

Mit dem Ende des Waffenstillstands Anfang Januar werden in Zukunft wieder vermehrt Flüchtlinge aus Sri Lanka in der Schweiz erwartet.

Bereits 2007 ist die Zahl der Asylgesuche laut dem Bundesamt für Migration (BFM) auf 618 gestiegen, gegenüber 328 im Vorjahr.

92 Personen wurde 2007 Asyl gewährt, 91 wurden vorläufig aufgenommen.

144 erhielten einen ablehnenden Entscheid, 58 einen Nichteintretensentscheid.

508 Asylentscheide waren Ende 2007 hängig.

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