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ETH will Vorbild sein

Der Präsident der Eidgenössischen Technischen Hochschule ETH Zürich, Ernst Hafen. ETHZ

Professor Ernst Hafen will die Eidgenössische Technische Hochschule ETH Zürich zu einer führenden Ausbildungsstätte der Schweiz machen.

Dies will er mit einer Änderung des Ausbildungs-Systems erreichen sowie mit einer engeren Zusammenarbeit mit der Industrie, erklärt er im Gespräch mit swissinfo.

swissinfo: Ernst Hafen, Sie sind seit dem 1. Dezember 2005 Präsident der ETH Zürich; was sind Ihre Ziele für die Institution?

Ernst Hafen: Ich habe fünf Ziele definiert.

Der erste wichtige Punkt ist die Ausbildung. Ich will nicht nur die besten Forscher, sondern auch die besten Ausbildner am Lehrerpult haben. Dank dem Internet ist Wissen heute überall zugänglich. Daher müssen wir die Art der Ausbildung ändern, weg von der reinen Vermittlung von Wissen und dessen Abfrage bei den Studenten.

Zweitens müssen wir junge Talente fördern. Dies bereits, bevor die Studenten überhaupt an die Universität kommen. Wir können Studierende beurteilen, bevor sie sich anmelden, und während des Studiums erneut. So können wir ihnen Rückmeldungen geben und Karriereberatung anbieten und ihnen so wichtigen Entscheiden beistehen.

Drittens ist mir eine breit gefächerte Finanzierung wichtig. Ausbildung und Forschung finden weltweit statt. Wir müssen mit Staaten wie China, Singapur oder den USA Schritt halten. Das können wir nur, wenn die Finanzierung weiter ausgebaut wird. Da wir nicht auf Bundesgelder hoffen können, müssen wir versuchen, die Beiträge aus Zuwendungen, Spendenaktionen und der Industrie zu erhöhen.

Vierter Punkt: der Technologie-Transfer. Wir setzen uns für einen Unternehmergeist ein. Studierende sollen realisieren, dass sie ihre Erfolge mitnehmen können und daraus vielleicht eine Firma entstehen kann. Zudem möchten wir Kompetenz-Zentren schaffen, die sich mit für die Industrie interessanten Themen beschäftigen.

Und schliesslich die Kommunikation. Die ETH hat in ihrem 150. Jubiläumsjahr (2005) vorbildlich kommuniziert. Dieser Bereich wird für uns immer wichtiger.

swissinfo: Werden Studierende in Zukunft einen grösseren Anteil an ihrer eigenen Ausbildung bezahlen müssen?

E.H.: Für mich ist klar, die Verbesserung der Ausbildung kostet etwas. Wir müssen die Studiengebühren sehr genau anschauen.

Dies sollte niemanden vom Studieren abhalten, doch es könnte Studierende dazu zwingen, sich klarer darüber zu werden, welche Richtung sie einschlagen möchten. Im Moment brechen 30 Prozent der Studierenden ihr Studium nach dem ersten Jahr ab.

Ein früher gefasster, sorgfältiger Entscheid, tut niemandem weh. Wenn Studierende wissen, wie viel das Studium sie oder ihre Eltern kostet, werden sie nicht mehr so rasch die Studienrichtung ändern.

swissinfo: Welches ist die grösste Herausforderung für Sie?

E.H.: Dass wir weiterhin die hellsten Köpfe als Professoren und Studierende rekrutieren können.

swissinfo: Schauen Sie häufig auf die Ranglisten der Universitäten?

E.H.: Studenten werden immer genauer auswählen, wo sie studieren wollen. Wir haben diese Ranglisten, ob sie jetzt gut oder schlecht, gerecht oder ungerecht sind. Sie reflektieren einen transparenteren und globaleren Ausbildungsmarkt.

swissinfo: Ist das letztes Jahr vom Stimmvolk beschlossene fünfjährige Gentechnik-Moratorium in der Schweiz eine Bedrohung für die ETH?

E.H.: Wir haben bereits einige international anerkannte Professoren auf diesem Gebiet. Hätte diese Abstimmung jedoch vor fünf Jahren stattgefunden, wäre unser Rekrutierungs-Prozess abgeblockt worden.

In den 1960er-Jahren waren alle gegen Beton. Dies beeinträchtigte damals die Anwerbung von Bauingenieuren. In den 1980ern waren die Kernkraftwerke in der Schusslinie, und niemand wollte mehr Nuklearphysik studieren.

Dies zeigt auch die Wichtigkeit der Kommunikation. Wenn wir damit bei den gentechnisch veränderten Organismen (GVO) neu beginnen könnten, würden wir es wohl anders machen.

Könnten wir gentechnisch veränderte Orangen anbieten, die besser schmecken oder länger haltbar sind, wäre die negative Reaktion wohl nicht so gross gewesen. Momentan sehen die Konsumenten die Vorteile von GVO-Pflanzen nicht.

swissinfo: Wo möchten Sie die ETH am Ende Ihrer Amtszeit positioniert haben?

E.H.: Während der ‘ETH Vision Week’ (Teil der 150-Jahr-Feiern) hat das Publikum die Hochschule als führende Institution akzeptiert. Die Öffentlichkeit erwartet eine Vorbildrolle von uns. Ich freue mich auf diese fantastische Herausforderung.

Ich bin glücklich, die ETH leiten zu dürfen, weil wir hier bereits viel akademische Schaffenskraft vereint haben. Wenn wir es fertig bringen, dass die Leute zusammen arbeiten, haben wir eine wunderbare Möglichkeit, die Zukunft zu gestalten.

swissinfo-Interview: Matthew Allen
(Übertragen aus dem Englischen: Christian Raaflaub)

Ernst Hafen studierte in Basel Molekular- und Zellbiologie, bevor er an der University of California in Berkeley und später am Zoologischen Institut der Universität Zürich arbeitete.
Für seine Studien über Wachstumskontrolle und Stoffwechsel erhielt er zahlreiche Auszeichnungen, unter anderem den Ernst-Jung-, den Friedrich-Miescher- und den Otto-Naegeli-Preis.
Er war ausserdem Mitglied der Forschungskommission des Schweizerischen Nationalfonds (SNF) und verschiedener “Editorial Boards” wichtiger Fachzeitschriften.

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