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Festival zum 125.Geburtstag von Rilke in Siders

Rilke-Ausstellung im Courten Haus in Siders (Sierre). Keystone

Rainer Maria Rilke (1875-1926) gehört zu den bedeutendsten und international beliebtesten deutschen Poeten. Sein letzter Wohnort Siders begeht seinen 125. Geburtstag an diesem Wochenende mit einem gigantischen Festival.

“Wer jetzt kein Haus hat, baut sich keines mehr…”, “Sein Blick ist vom Vorübergehn der Stäbe…”: wer kennt das nicht, wer hat das nicht im Kopf? Mit seiner suggestiv rhythmischen und bildlichen Sprache hat Rilke Generationen beeindruckt. In den USA etwa gehört “Fall Day” (Herbsttag) zu den meistzitierten Gedichten im Internet.

Ruhestätte Raron

“Rose, oh reiner Widerspruch, Lust, Niemandes Schlaf zu sein unter soviel Lidern.”

…hat der Dichter sich als Grabspruch ausbedungen. Er prangt an der Südseite der Raroner Burgkirche, wo Rilke im Januar 1927 beigesetzt wurde. Obwohl 125. Geburtstage nicht zu den traditionell “grossen” Jubiläen zählen, hat der Ort, wo Rilkes sterbliche Hülle ruht, diesen Geburtstag zum Anlass genommen, ein Festival von noch nie dagewesenen Ausmassen – mit über 200 Einzelveranstaltungen – zu inszenieren. Die Veranstalter hoffen, dass dies der Auftakt zu einer institutionalisierten Reihe von Rilke-Festivals wird.

Der Pilger

Der am 4. Dezember 1875 in Prag geborene René Karl Wilhelm Josef Maria Rilke war seit seinem 11. Lebensjahr ein “Pélérin”, ein möblierter Herr, der quer durch Europa zwischen “Garçonnières” oder im Kielwasser aristokratischer Damen, introvertierter Künstler und grosszügiger Mäzenen reiste.

Grund für den Umzug in die Schweiz war eine Einladung zu einem Vortragszyklus, den Rilke zum Anlass nahm, eine Zäsur im Leben vorzunehmen. Nach dem Zerfall des Habsburger Vielvölkerstaats war sein Pass ungültig geworden. Die tschechische Staatsbürgerschaft erhielt der gebürtige Prager zwar 1920 ohne weiteres, doch mochte er weder nach Osteuropa, noch nach Deutschland zurück. Schloss vom Coiffeur, Einrichtung von Balthus’ Mutter

In Siders entdeckte er im Schaufenster eines Coiffeursalons das Bild des 700jährigen, heruntergekommenen Turms “Muzot”. Umgehend veranlasste er seinen Sponsor Werner Reinhart, die kleine Burg zu erwerben, zu renovieren und mit einer Haushälterin zu bestücken.

Beim Einrichten half Baladine Klossowska, Rilkes “Merline” und Mutter des berühmten Balthus, der das Patronat über das Rilke-Festival übernommen hat. Und so wurde der Muzot zur Relaisstation von Rilkes letzten sechs – gemässigten – Wanderjahren; zum Ort, wo er die “Duineser Elegien” und die “Sonette an Orpheus” vollendete. Und Raron wurde die Stätte, wo Rilke nach einem Jahr Leukämie-Siechtum zur letzten Ruhe gebettet wurde.

Balthus und Rilkes Enkel kommen

Raron, Stadtteil von Siders, wird am kommenden Wochenende vollkommen von Rilke beherrscht. Eröffnet wird das Festival mit einem Festakt, an dem unter anderen Balthus und Rilkes Enkel Christoph Sieber teilnehmen sollen.

Gleichzeitig werden die Preise für den erstmals ausgeschriebenen – für Schüler und Erwachsene offenen – Rilke-Literaturwettbewerb verliehen. In der Kategorie der Deutschschweizer Erwachsenen gewann beispielsweise Monica Cantieni, unter Lyrik-Kennern seit Jahren ein Geheimtipp.

Eine Ausstellung, fünf Vorträge, sieben klassische Konzerte, acht moderne Konzerte, neun Aufführungen und Lesungen und zahllose Strassendarbietungen finden statt, einige speziell für Kinder. Leckerbissen sind die Wanderungen, darunter vor allem die “balade poétique”, die auf den Spuren Rilkes durch die Weinberge führt und von Texten, Gitarre und Querflöte begleitet wird. Die meisten der rund 200 Veranstaltungen sind gratis.

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