Bundesrat setzt voll auf Crossair-Lösung

Die Schweizer Regierung hält nur den Plan der Grossbanken für eine neue nationale Fluggesellschaft für möglich. Andere Modelle als die Neuformierung der Crossair seien nicht realisierbar, sagte Finanzminister Kaspar Villiger am Freitag.
Für den Bundesrat ist die Sicherung einer nationalen Fluggesellschaft und der Erhalt des Hub Zürich weiterhin oberstes Ziel. Dies sei einzig mit der Übernahme der Swissair-Flugaktivitäten durch Crossair möglich. Darüber herrsche im Bundesrat vollkommene Einigkeit, sagte Bundespräsident Moritz Leuenberger nach einer fünfstündigen Bundesratssitzung.
Es sei klar, dass in einer Demokratie und unter der gegenwärtigen Nervosität viele Modelle kursierten. Der mit der Übernahme von 70% der Crossair-Aktien durch UBS und Credit Suisse Group (CSG) eingeschlagene Weg sei der einzig realisierbare. Ziel sei die Bildung einer Fluggesellschaft, die den Europaverkehr und einen reduzierten Interkontinental-Verkehr gewährleiste. Dies bedeute, dass das eingeleitete Nachlassverfahren für Swissair weiter geführt werden müsse. Für die Beteiligten und insbesondere die Mitarbeiter sei dies schmerzlich. «Wir haben harte Zeiten vor uns», sagte der Leuenberger.
Mindestens 4’000 Entlassungen
Laut Bundesrat Pascal Couchepin muss bei Swissair mit mindestens 4’000 Entlassungen gerechnet werden. Eine erste Entlassungswelle werde Ende Oktober, eine zweite Ende November erwartet. Bundespräsident Leuenberger appellierte an UBS und CSG, die Finanzierung von Sozialplänen zu ermöglichen.
Laut Jean-Luc Nordmann, Direktor für Arbeit im Staatssekretariat für Wirtschaft (seco), können für einen Sozialplan aus der Swissair-Pensionskasse Gelder frei gemacht werden. Der von den Gewerkschaften geforderte Betrag von zwei Mrd. Franken sei zu hoch angesetzt. Die Ausarbeitung des Sozialplans sei aber Sache der Sozialpartner.
Die Streitereien müssten nun aufhören, um die neue Fluggesellschaft aufzubauen und einen grossen Teil der Swissair-Angestellten weiter zu beschäftigen, forderte Villiger. Auch Bundesrat Pascal Couchepin verlangte ein Ende der «Polemiken zwischen Banken und Politik». Der Bundesrat erwarte von den Banken die Führungsrolle beim neuen Unternehmen und die Wahrnehmung der sozialen Verantwortung. Die gerüchteweise kursierenden Alternativen zum Crossair-Projekt seien nicht konkret genug.
Bundesgelder nicht nur für Flugbetrieb nötig
Mit den am Mittwoch bewilligten Bundesgeldern von 450 Mio. Franken müsse nicht nur der Flugbetrieb aufrechterhalten werden, sondern auch der lebensnotwendige flugnahe Betrieb, erklärte Finanzminister Villiger. Betriebsfähige Infrastrukturen am Flughafen Zürich seien der Lebensnerv für den ganzen Flugbetrieb und den Wirtschaftsstandort.
Es nütze nichts, wenn nur die Swissair Geld erhalte, aber Buchungssysteme und Wartung nicht mehr funktionierten, sagte Peter Siegenthaler, Direktor der eidgenössischen Finanzverwaltung. Der Bund verfolge die Liquiditätsplanung der Swissair stündlich. Es sei für die Swissair sehr schwierig, eine Liquiditätsplanung zu erstellen.
Von den 258 Mio. Franken Verkaufserlös der Crossair-Aktien habe die Swissair bereits viel für den Flugbetrieb gebraucht. Zusätzliche Bundesmittel seien aber bis zum 28. Oktober nicht geplant, sagte Villiger. Es sei aber nicht auszuschliessen, dass für die Übergangszeit des neuen Unternehmens ein Zuschuss nötig sei.
Swissair-Personal weist Banken-Plan zurück
Das Swissair-Personal ist nicht bereit, den «Crossair-Deal» der Banken zu akzeptieren. Der Dialog mit Crossair wurde laut Gewerkschaften noch nicht aufgenommen. Sie erwarten eine weit radikalere Restrukturierung als angekündigt.
«Das Personal weist den Plan der Banken zurück», sagte Richard Dunkel, Präsident der Gewerkschaft PUSH (Personal Union Swissair Holding), am Freitag. Die Gewerkschaft würde eine andere Lösung bevorzugen, beispielsweise unter der Ägide des Bundes. Hinter den Kulissen laufen entsprechende Diskussionen, an denen sich auch PUSH beteiligt.
Spekulationen
Bundesrat Pascal Couchepin hatte bereits am Donnerstagabend in Zürich gesagt, man müsse sich fragen, ob die Bankenlösung die bestmögliche sei. Dabei schimmerte durch, dass Alternativen geprüft werden. Um keine falschen Hoffnungen zu wecken, äusserte sich Couchepin aber nicht konkret zu den Gerüchten über eine mögliche Folgegesellschaft für die Swissair, an der weder die UBS noch die Crossair beteiligt wären.
«Es zirkulieren viele Gerüchte», sagte Jörg Riggenbass, Sprecher der Gewerkschaft des Swissair-Kabinenpersonals (Kapers). Der Banken-Deal, wie er vorliege, könne aber nicht die letzte Antwort sein. Weder das Personal noch die Öffentlichkeit seien bereit, ihn zu akzeptieren.
Die Gewerkschaft Kapers wirft den beiden Grossbanken vor, nicht an einer langfristigen Lösung zur Rettung der nationalen Airline interessiert zu sein. Sie hätten lediglich eine Fluggesellschaft zu einem günstigen Preis kaufen wollen, um sie dann mit Gewinn wieder verkaufen zu können.
Stellenabbau
Die Gewerkschaften trauen auch den offiziellen Angaben nicht, wonach bei der Swissair 2’560 , laut Bundesrat Couchepin gar 4’000 Arbeitsplätze abgebaut werden sollen. Die Diskussion über den Banken-Plan sei im Gang und dürfte auf eine viel radikalere Restrukturierung hinauslaufen als bisher erwartet, sagte Susanne Erdös, Sekretärin des Schweizerischen Kaufmännischen Verbands (SKV).
Nach Angaben von PUSH und SKV will die neue Gesellschaft auf 40 bis 50 Flugzeuge verzichten. Dies würde den Abbau von 10’000 bis 15’000 Arbeitsplätzen im Fluggeschäft und bei den Zulieferern nach sich ziehen. Der Zürcher Volkswirtschafts-Direktor Ruedi Jeker hatte am Donnerstagabend gesagt, dass allein im Kanton Zürich rund 8’000 Arbeitslose zu erwarten seien.
Nachlassverfahren eröffnet
Die Bezirksgerichte von Zürich und Bülach haben am Freitag über die Holding und drei Firmen der Swissair das Nachlassverfahren eröffnet. Damit steht die Swissair Group vorläufig unter Gläubigerschutz.
Der SAirGroup Holding, der SAirLines, der Swissair AG und der Flightlease wurde eine provisorische Nachlassstundung für zwei Monate gewährt. Als provisorischer Sachwalter wurde ein Rechtsanwalt eingesetzt, der für alle vier Gesellschaften zusammen zuständig ist, wie die Gerichte in einer Zwischenverfügung bekannt gaben.
Crossair-Aktie im Höhenflug
Die Aktie der Crossair hat am Freitag zeitweise Höchstwerte erreicht, während die Swissair-Titel zum Spielball von Spekulanten verkommen waren. Die heftig kritisierten Banken UBS und CSG mussten weitere Federn lassen.
swissinfo und Agenturen

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