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Die Schweiz: Ein Mekka für Rohstoffunternehmen

Greenpeace-Aktivisten vor dem Sitz der Crown Resources in Zug. Keystone

Das Tankerunglück an der spanischen Küste zieht Fäden bis in die Schweiz. Rohstoffunternehmen kommen immer wieder in die Schlagzeilen.

Selber arm an Rohstoffen, ist unser Land eine internationale Drehscheibe für deren Handel.

Die Firma Crown Resources in Zug – mit vorherigen Firmensitzen auf den British Virgin Islands und in Gibraltar – ist Eigentümerin des Öls des vor der spanischen Küste gesunkenen Tankers Prestige und auch des Tankers Byzantio, dem nachgesagt wird, er sei eine “tickende Zeitbombe”.

Die Byzantio befindet sich zur Zeit vor der holländischen Küste und ist laut Greenpeace in einem noch schlechteren Zustand als die Prestige.

Drehscheibe für Rohstoffe

In den Skandal involviert ist also eine Rohstofffirma mit Sitz Zug: Erdöl- und Rohstofffunternehmen werden da mit günstigen Steuerbedingungen angelockt, aber nicht nur.

In der Schweiz gibt es zwei eigentliche Zentren für den internationalen Rohstoffhandel: Zug und die Gegend zwischen Genf und Lausanne.

Wie intensiv diese Aktivitäten sind, mag der Umstand beweisen, dass laut “Le Temps” allein bei der Waadtländer Kantonalbank 85 Spezialisten für die Geschäftsbereiche Rohstoffhandel und “Shipping” arbeiten.

Bei der Genfer Kantonalbank befassen sich 30 Bankangestellte mit dem Rohstoffhandel.

Tradition: Rohstoffhandel

Die Firma Crown Resources befindet sich nicht zufällig in Zug. Die sehr tiefen Steuern und vor allem die bestehende Infrastruktur für den Rohstoffhandel machen Zug attraktiv für Rohstoffunternehmen.

“Eine Firma zieht jeweils andere Unternehmen aus der gleichen Branche nach”, sagt der linke Zuger Kantonsrat Josef Lang gegenüber swissinfo.

“In Zug gibt es das Know How für den Erdöl- und Rohstoffhandel. Deshalb gehört die Schweiz weltweit zu den wichtigsten Handelsdrehscheiben für Rohstoffe.”

Viel Know how an einem Ort

Vielleicht liegt der Sitz von Crown Resources auch deshalb in Zug, weil der CEO Stefen Rudofsky vorher Führungspositionen bei den Rohstoffunternehmen Marc Rich und Glencore innehatte. Beide Firmen waren oder sind von Zug aus tätig.

Dazu Lang: “Vitamin B und Know how sind äusserst wichtig im Rohstoffgeschäft.”

Man müsse sich fragen, wer davon profitiere, dass es in Zug Rohstoffunternehmen gibt.

Da die Unternehmen ja sehr tiefe Steuern zahlen müssten, würden Stadt und Kanton eher in bescheidenem Ausmass profitieren. Lang schätzt, dass Crown Resources in den letzten drei Jahren “nur” 100’000 bis 200’000 Franken Steuern bezahlt hat.

Der neue Klerus



Die eigentlichen Profiteure der in Zug ansässigen Rohstoff-Unternehmen sind laut Lang Verwaltungsräte, Notare, Wirtschaftsanwälte.

“Früher hatten wir den kirchlichen Klerus, heute haben wir die mächtige Lobby der Wirtschaftsanwälte.” Diese seien natürlich auch in der Politik anzutreffen und für die aktuelle Steuergesetzgebung mit verantwortlich. Als damaliges Steuerkommissions-Mitglied, weiss Lang, wovon er redet.

Um Ölkatastrophen wie die aktuelle zu verhindern, müsse es eine internationale Regelung geben, zum Beispiel seitens der EU.

EU: Schwarze Liste

Da vorwärts machen wollen auch die EU-Verkehrsminister. Sie wollen die Sicherheits-Vorkehrungen auf den europäischen Meeren drastisch verschärfen.

Dazu nahmen die EU-Verkehrsminister am Freitag in Brüssel eine Schwarze Liste mit unsicheren Schiffen an, wie der deutsche Ressortchef Manfred Stolpe mitteilte. Zudem sollen Einhüllentanker in europäischen Gewässern verboten werden.

Wer übernimmt Verantwortung?

Laut Lang überlege man sich in Zug, eine Standesinitiative einzureichen, welche verhindern soll, dass kein Öl oder Benzin aus Einhüllentankern in die Schweiz gelangen darf.

Auch wurde eine Motion eingereicht, die Steuereinnahmen der Crown Resources den Opfern in Spanien zukommen zu lassen. Angesichts des wohl bescheidenen Betrags zwar ein Tropfen auf dem heissen Stein, aber durchaus ein Anfang.

swissinfo, Elvira Wiegers

In Zug gibt es 18’000 registrierte Firmen.

Die Hälfte sind steuerlich privilegierte Unternehmen. Dazu gehören auch Rohstoff- und Erdöl-Unternehmen wie die Crown Resources.

Ein Drittel sind Briefkastenfirmen.

Crown Resources wurde 1992 gegründet und hat seit Juli 2000 ihren Hauptsitz in Zug.

Das internationale Rohstoffunternehmen gehört zur russischen Alfa Group.

Weltweit arbeiten etwa 130 Personen für Crown Resources, davon 15-20 Personen in Zug.

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