Föderalistischer Weg zum Wirtschaftswachstum

Die Schweizer Wirtschaft stagniert. Der Kanton Aargau mag nicht länger zuwarten und lanciert ein 25-Punkte-Programm zur Wiederbelebung der Wirtschaft.
Mit verschiedenen Massnahmen soll bis 2010 eine Wachstumsrate von 2,5% erreicht werden.
Die Wachstumsrate der Wirtschaft in der Schweiz liegt zu tief – unter derjenigen der anderen europäischen Länder. Um dieses Thema kreisen seit Jahren in mehr oder weniger düsterer Tonlage sämtliche Debatten und Zeitungsartikel, die sich mit der Wirtschaft im Lande befassen.
Nun hat der Kanton Aargau, in Bezug auf das Volkseinkommen an vierter Stelle aller Kantone, beschlossen, den Stier bei den Hörnern zu packen. Statt auf Wirtschaftsreformen aus Bundesbern zu warten, hat er ein ehrgeiziges Programm mit 25 Massnahmen vorgelegt, das der Wirtschaft des Kantons neuen Auftrieb verleihen soll. Das Paket löste ein lebhaftes Medienecho aus.
Dass ein Kanton Massnahmen trifft, um der eigenen Wirtschaft auf die Beine zu helfen, ist nichts Neues. Eine ganze Reihe von Kantonen haben in den letzten Jahren versucht, mit Steuererleichterungen und Investitionen in Infrastruktur und Ausbildung auswärtige Unternehmen anzuziehen.
Neu ist, dass ein Kanton zu diesem Zweck ein derart umfassendes Programm erstellt. Der Zürcher Wirtschaftsprofessor Bruno S. Frey ist des Lobes voll. «Eine ausgezeichnete Initiative. Genau das ist in einem föderalistisch strukturierten Land wie der Schweiz gefragt. Es gibt keinen Grund, immer erst auf die Eidgenossenschaft zu warten, damit etwas geschieht.»
Steuersenkungen und Binnenmarkt-Liberalisierung
Eine wichtige Rolle im Massnahmenpaket der Aargauer Regierung spielt natürlich die Steuerpolitik. Ziel ist eine Halbierung der Kapitalsteuer für Unternehmen von heute 2,5 auf 1,25 Promille. Grosszügigere Steuerabzüge sollen zudem einen Anreiz bieten, qualifizierte Fachkräfte aus dem Ausland temporär anzustellen.
Ein ebenfalls zentraler Punkt ist die Liberalisierung des Binnenmarktes. Sollte sich das Bundesgesetz über den Binnenmarkt, das dem Parlament zur Beratung vorliegt, als unzureichend erweisen, will der Kanton Aargau jene Branchen deregulieren, die zurzeit kantonalen Regelungen unterworfen sind.
Mit anderen Worten: Berufsleute aus anderen Kantonen erhalten möglicherweise freien Zugang zum Aargauer Arbeitsmarkt. Von dieser Massnahme profitieren könnten vor allem handwerkliche Berufe, das Gastgewerbe und das Gesundheitswesen.
«Nach der Steuersenkung für juristische Personen ist die Liberalisierung des Binnenmarktes die erfreulichste Neuerung dieses Massnahmenpakets», meint dazu Professor Frey.
Seiner Meinung nach ist der Kanton Aargau gross genug, um auch im Alleingang gute Resultate erzielen können. Eine Liberalisierung käme zweifellos den Konsumenten zugute und würde die Wirtschaft des Kantons wettbewerbsfähiger machen. «Der Reformvorschlag setzt zudem ein wichtiges Zeichen. Ich bin überzeugt, dass die anderen Kantone seinem Beispiel folgen werden».
Eine wachstumsorientierte Ausbildung
Der Kanton setzt zudem auf Bildung und Forschung. Ein Regierungsprojekt ist die Einführung so genannter Ganztages-Strukturen in der Volksschule mit dem Vorteil, dass die Schülerinnen und Schüler den ganzen Tag in der Schule betreut werden (Tagesschule). Dazu kommt der Unterricht in englischer Sprache ab der dritten Primarklasse. In einem nächsten Schritt soll mit Frühenglisch in der ersten Primarklasse begonnen werden.
Der Kanton unterstützt bereits heute die Nanotechnologie, und zwar mit einem Beitrag von 5 Mio. Franken pro Jahr an die Universität Basel. Mit einem Innovationsfonds von jährlich 0,7 Mio. Franken pro Jahr sollen in Zukunft Projekte im Rahmen der Zusammenarbeit zwischen Universität und Industrie in den Bereichen Energie und Material-Technologie gefördert werden.
Auch auf institutioneller Ebene soll etwas geschehen: Die Aargauer Regierung will Anreize für Gemeinde-Fusionen schaffen. In einem Kanton mit 231 Gemeinden könnte dies ein wichtiger Beitrag zu einer effizienteren Gestaltung der Verwaltung sein.
swissinfo, Andrea Tognina
(Übertragung aus dem Italienischen: Maya Im Hof)
Einwohner im Kanton Aargau: 570’000
Arbeitslosenquote 2004: 3,4%
Volkseinkommen: 27 Mrd. Franken.
Die Wirtschaftswachstums-Initiative des Kantons Aargau umfasst eine ganze Reihe von Gesetzesänderungen, die vom Kantonsparlament zu bewilligen sind.
Geht es nach dem Willen der Regierung, werden die Reformen bis 2009 umgesetzt. Die Kosten für diese Umsetzung werden auf rund 16 Mio. Franken geschätzt.

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