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G-8-Gipfel versus Gipfel für eine andere Welt

Die ersten Globalisierungs-Gegner haben sich am 24. Mai 2003 in Lausanne eingefunden. Keystone

Nicht nur wichtige Staatschefs treffen sich am Wochenende zum G-8-Gipfel am Genfersee, sondern auch Zehntausende von Globalisierungs-Gegnern.

Angesagt ist eine “Woche des Widerstandes” mit Gross-Demonstration und kritischen Diskussionsforen.

Die Organisatoren der Gegenveranstaltungen befürchten allerdings, dass viele französische Demonstranten wegen der zahlreichen aktuellen Protestaktionen im Zusammenhang mit der Rentenreform in Frankreich den Aktivitäten am Genfersee fernbleiben könnten.

“Die Proteste werden in kleinerem Rahmen stattfinden als erwartet, da die französischen Gewerkschaften mit der Rentenreform beschäftigt sind”, sagt Olivier de Marcellus, einer der Organisatoren, gegenüber swissinfo. “Ich rechne mit maximal 50’000 Demonstranten.”

Spannendes Gegen-Programm

Zahlreiche Aktionen sind dies- und jenseits der Grenzen geplant. Während sich die Gruppe der 8 im französischen Evian trifft, finden in der benachbarten Schweiz verschiedene Konferenzen und Diskussionsforen statt. Eines befasst sich beispielsweise mit dem Thema “Schuldenerlass und Entwicklungsländer”.

Im französischen Annemasse findet der “Gipfel für eine andere Welt” statt. Hier wird man sich etwa mit dem Thema “G-8 und ihre Rolle in globalen demokratischen Strukturen” befassen.

Und schliesslich werden sich alle Globalisierungs-Gegner am Sonntag zu einer Gross-Demonstration an der Grenze in Thonex-Vallard treffen. Die einen starten in Annemasse, die anderen in Genf.

Weitere, kleinere Protestaktionen sind am Donnerstag in Lausanne geplant, wo die Regierungschefs aus 12 afrikanischen Ländern und anderen Entwicklungs-Ländern untergebracht sind.

Diese nehmen am Samstag an einem Schweizer Staatsdiner und am Sonntag an einer erweiterten Gesprächsrunde der G-8 in Evian teil.

SP und Gewerkschaften im Hintergrund

Die Sozialdemokratische Partei ruft ihre Mitglieder zwar zur Teilnahme an der Gross-Kundgebung vom 1. Juni auf, bei der Organisation ist sie allerdings nicht dabei.

SP-Sprecher Jean-Philippe Jeannerat: “Zuerst waren wir durch die Abstimmungsvorlagen vom 18. Mai absorbiert, danach durch die Vorbereitungen für die Wahlen im kommenden Herbst.”

Auch die grossen Gewerkschaften üben sich – anders als ihre französischen Kolleginnen – in bescheidener Zurückhaltung. Sie unterstützen zwar die Sache, aber nicht aktiv.

Breites Spektrum der Gegnerschaft

Die Anti-Aktivitäten rund um den G-8-Gipfel sind Teil einer weltweiten Globalisierungs-Bewegung mit einem breiten Spektrum von Aktivisten – von Anti-Kapitalisten bis zu Anarchisten. Und auch die traditionelle Linke interessiert sich mittlerweile zunehmend für die Globalisierungs-Debatte.

Globalisierungs-Gegner wie Olivier de Marcellus monieren, der G-8-Gipfel sei eine illegitime Versammlung einiger weniger Regierungsvertreter, die ihre Versprechungen bisher nie gehalten hätten.

Seit der Welthandelskonferenz 1999 im amerikanischen Seattle ist die Zahl der Globalisierungs-Gegner stetig gestiegen. Zielscheiben der Kritik sind Veranstaltungen der G-8, der Welthandels-Organisation (WTO), des World Economic Forum und Institutionen wie die Weltbank oder der Internationale Währungsfond.

Undemokratisch und unsozial

Laut den Globalisierungs-Gegnern geht die Schere zwischen Arm und Reich immer weiter auf. Dies infolge eines exzessiven und unkontrollierten Kapitalismus, der unter anderem auch die kleinen Unternehmen und die Umwelt zerstöre.

“Seit 25 Jahren verfolgt die Gruppe der 8 eine Interessenpolitik der Grosskapitalisten und Grossunternehmen”, so de Marcellus. “Weder liegt dies im Interesse der eigenen Staatsangehörigen, noch von anderen Menschen.”

Dieses Jahr will die Gegenbewegung die öffentliche Aufmerksamkeit vor allem auf den Schuldenerlass für Entwicklungsländer und die Regulierung des Internationalen Handels lenken.

Gegner haben oft schlechte Argumente

Der Autor Blaise Lempen aus Genf beschreibt in seinem Buch “Demokratie ohne Grenzen” das Entstehen und die Entwicklung der Globalisierungs-Gegner in den letzten 10 Jahren.

“Die Bewegung ist immer noch sehr jung und hat Mühe, eine geeignete Struktur zu finden”, sagt er gegenüber swissinfo. “Die Bewegung kritisiert vor allem die neo-liberale Wirtschaftsordnung, die Armut und wachsenden Einkommens-Unterschiede.” Aber auch die UNO sei kritisch gegenüber diesen Themen eingestellt.

Lempens Fazit: “Die Globalisierungs-Gegner müssen an ihrer Argumentierung und an konkreten und konstruktiven Alternativen arbeiten.”

De Marcellus teilt diese Meinung nicht: “Am wichtigsten ist es, aufzuzeigen, wie unpopulär Veranstaltungen wie der G-8-Gipfel mittlerweile geworden sind.” Deshalb könne dieser nur noch unter massivem Polizeischutz stattfinden.

swissinfo, Anna Nelson und Frédéric Burnand

(Übertragung: Elvira Wiegers)

Die Schweiz nimmt erstmals an einem G-8-Gipfel teil.

Sie beherbergt während des Gipfels zahlreiche Regierungs-Vertreter aus Entwicklungs-Ländern.

Zwischen 30’000 und 100’000 Globalisierungs-Gegner werden in Lausanne und Genf erwartet.

Für Sonntag ist in Genf eine Gross-Demonstration angesagt.

Daneben bieten die Organisatoren der Gegenveranstaltungen sowohl auf französischer wie auch auf Schweizer Seite ein interessantes Kontrast-Programm.

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