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Gegen Pharma-Riesen, für den Frieden

Fernand Cuche verwies auf das andere Davos, das dieselben Prinzipien vertritt wie Porto Alegre. swissinfo.ch

Am Parlamentarier-Forum in Porto Alegre forderten die Volksvertreter Medikamente für die armen Länder des Südens. Zudem müsse ein Krieg der USA gegen Irak vermieden werden.

Der Schweizer Auftritt war kurz und bestimmt.

“Morgen beginnt in Davos das World Economic Forum (WEF). Es gibt aber auch ein anderes Davos. Das Public Eye on Davos: Das Davos der Nichtregierungs-Organisationen (NGO), der Gewerkschaften und der sozialen Bewegungen, die dasselbe vertreten wie wir hier in Porto Alegre”, sagte Nationalrat Fernand Cuche am Donnerstagabend im Namen der Schweizer Delegation am internationalen Parlamentarier-Forum.

Das Votum des Neuenburger Grünen wurde vom vollen Saal gut aufgenommen und beklatscht, während draussen ein abendlicher Regen über der katholischen Universität (PURCS) niederging. Die Abgeordneten aus über 120 Ländern hatten schon einen harten Tag hinter sich, als der Neuenburger Grüne ans Mikrofon trat.

Generika für arme Länder

Harlem Désir, französischer Abgeordneter des Europa-Parlamentes und Gründer der Menschenrechtsgruppe “SOS Racisme”, hatte zuvor am Nachmittag in einer flammenden Rede seine Amtskollegen aufgefordert, sich gegen die Interessen der Chemie-Industrie aufzulehnen: “Niemand darf einem Land verbieten, mit Generika seine Bevölkerung gesund zu machen. Auch wenn das auf Kosten der Pharma-Unternehmen gehen sollte.”

Er kritisierte damit vor allem die Haltung der USA und der Schweiz, deren Haltung es armen Ländern ohne eigene Produktionsmöglichkeiten beinahe verunmöglicht, Kopien von patentgeschützten Medikamenten gegen AIDS, Malaria oder Tuberkulose zu importieren.

Der Süden hat in der WTO kein Gewicht

Eine Umgestaltung der WTO-Regelungen, die es armen Ländern erlaubt hätte, billige Generika einzukaufen, war einer der zentralen Forderungen des letzten WSF gewesen. Die WTO (World Trade Organisation) hatte daraufhin auf gesellschaftlichen Druck hin zwar Konzessionen gemacht, die Anfang Januar von den USA blockiert wurden – was auch den Hoffnungen der Basler Pharma-Giganten entsprach.

“Die Frage ist, ob den Konzern-Rechten Priorität eingeräumt wird, oder den wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Menschenrechten”, kommentiert Beat Dietschy, Präsident der Erklärung von Bern (EvB). “Hier fühlen sich die Länder des Südens über den Tisch gezogen, weil sie keine Möglichkeit haben, die WTO-Verhandlungen zu beeinflussen.”

Krieg und Frieden im Nahen Osten

Ein weiterer Schwerpunkt der Reden war der drohende Krieg im Irak. Der Palästinenser-Vertreter Zyad Abou Amr rief zum Widerstand gegen einen Feldzug im Irak und verlangte ein Ende der israelischen Besetzung der palästinensischen Gebiete. “Zusammen können wir die USA stoppen!”, beschwor er die Anwesenden.

Shulamit Aloni, Präsidentin der israelischen Meretz-Partei, bezeichnete den US-Präsidenten George W. Bush als jüngeren Bruder des israelischen Premiers Ariel Sharon: “Beide entmenschlichen ihre Feinde, beide wollen nur ihre Ansprüche diktieren und beide leisten Fundamentalisten Vorschub.” Sie appellierte an die Volksvertreter, ihren Einfluss geltend zu machen, damit die israelischen Handelsprivilegien eingefroren und die Genfer Konventionen durchgesetzt werden.

Der deutsche sozialistische Europa-Parlamentarier André Brie, gerade von einer Reise nach Irak zurückgekehrt, legte seinen Amtskollegen ans Herz, Medikamente in das Land zu schmuggeln. “Ich musste letzten Sonntag zehn Kinder an einer heilbaren Krankheit sterben sehen. Das Medikament kostet nur zwölf Dollar – aber es steht auf der Embargoliste der UNO.”

Dem Kaiser der Globalisierung Paroli bieten

“Viele Leute haben sich zu Wort gemeldet und etwas wurde überdeutlich: Wir wollen diesen Krieg nicht”, fasst Hubert Zurkinden, Generalsekretär der Grünen Partei Schweiz, seine Eindrücke nach dem ersten Tag des Parlamentarier-Forums zusammen.

Die Umsetzung dieser kollektiven Ablehnung des befürchteten Krieges forderte ultimativ Nikos Konstantopoulos, Vertreter der griechischen Linkskoalition “Synaspismos”: “Geben wir dem Kaiser der Globalisierung, Präsident Bush, zu verstehen: So nicht!”

swissinfo-Sonderkorrespondent Philippe Kropf, Porto Alegre

Das internationale Parlamentariertreffen in Porto Alegre dauert noch bis am 24. Januar 2003.

Parlamentarierinnen und Parlamentarier aus über 120 Ländern treffen sich, um ein Netzwerk aufzubauen.

Hauptthemen dieses Jahr: Der drohende Krieg im Irak und die Forderung an die WTO, Drittwelt-Länder Generika importieren zu lassen.

Aus der Schweiz nahmen fünf Abgeordnete teil.

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