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In der Schweiz bleibt das Wasser in staatlicher Hand

Der Genfersee - die Schweiz ist ein wasserreiches Land (Bild: myswitzerland.com) Lake Geneva – Switzerland is a water-rich country (myswitzerland.com)

Ausländische Multis sowie die Europäische Union verlangen, dass die Schweiz ihre Wasserversorgung dem freien Markt öffnet.

Aber Öffentlichkeit wie einheimische Wasserindustrie sind gegen eine Privatisierung. Befürchtet werden höhere Preise und schlechtere Dienstleistungen.

«Einige grosse Wassermultis machen Druck – vor allem die beiden französischen Firmen Vivendi und Suez Lyonnaise», erklärt Madeleine Bolliger von der Arbeitsgemeinschaft der Schweizer Hilfswerke, welche eine Kampagne gegen die Wasserprivatisierung anführt. Die Wasserversorgung soll in öffentlicher Hand bleiben, so die Forderung.

Wie Bolliger gegenüber swissinfo ausführt, haben ausländische Wasserfirmen zweifelsfrei ein grosses Interesse daran, in den Schweizer Markt einzudringen.

«Vivendi hat bereits eine Filiale in Genf eingerichtet, Suez Lyonnaise ist über ihre Filiale Degrémont in der Schweiz präsent. Die französischen Multis bereiten sich darauf vor, bald auf dem Schweizer Wassermarkt aktiv zu werden.»

Dieser Ansicht ist auch Anton Kilchmann, Geschäftsführer des Schweizerischen Vereins des Gas- und Wasserfaches, dem über 400 Wassergesellschaften angeschlossen sind. «Vivendi hat ein Büro hier in der Schweiz, das bedeutet, dass die Firma in unserem Land auch Geschäfte machen will», sagt er gegenüber swissinfo.

Auf eine swissinfo-Anfrage wollte sich Vivendi nicht über die Pläne in der Schweiz äussern.

Druck von der EU

Die Europäische Union setzt die Schweiz offenbar auch aktiv unter Druck, damit sie ihren Wassermarkt öffnet.

«Es gibt im Zusammenhang mit den laufenden GATS-Verhandlungen Druck von Seiten der EU. Die EU hat die Schweiz formell aufgefordert, ihre Wasserversorgung dem Privatsektor zu öffnen», erklärt Bolliger.

Die Schweizer Regierung ist aber gegen einen solchen Schritt. Und laut der in Genf ansässigen Welthandelsorganisation gibt es keine Regeln, welche ein Mitgliedsland dazu verpflichten, seine Dienstleistungen in diesem Bereich zu liberalisieren.

Der Schweizerische Verein des Gas- und Wasserfaches führt Grossbritannien als Beispiel dafür an, dass die Liberalisierung des Wassermarkts für die Konsumierenden nicht von Vorteil ist. Dort brachte die Privatisierung höhere Preise und schlechtere Dienstleistungen.

«Private Organisationen oder Firmen wollen schnell Geld machen, es geht ihnen nicht darum, in 20 oder 40 Jahren eine gute Wasserversorgung zu haben», erklärt Kilchmann.

«Die über 3000 lokalen Wasserverteilstellen in der Schweiz sind meist im Besitz der Gemeinden. Auch deshalb ist die Öffentlichkeit gegen eine Privatisierung», so Kilchmann weiter.

«Man fürchtet in der Schweiz die Privatisierung, weil man damit die gesellschaftliche und demokratische Kontrolle über das Versorgungssystem verliert.»

Unausweichlich?

Die Frage der Privatisierung der Wasserversorgung löst sich aber wohl kaum von selbst, sowohl wegen des weltweiten Privatisierungstrends wie auch wegen der langfristigen Sanierung.

Laut Hans Ruh, Emeritierter Professor für Ethik an der Universität Zürich, benötigt die Wasserindustrie in Zukunft beträchtliche Investitionen, und es ist überhaupt nicht sicher, dass der Staat diese übernehmen kann und will.

«Irgendwann wird die Regierung grosse Investitionen in die Wasserversorgung machen müssen, und dann stellt sich die Frage: Haben wir die politische Macht, diese Investitionen zu tätigen, oder sollen wir privatisieren?»

Ruh weist darauf hin, dass viele Mineralwasserquellen bereits in der Hand von Multis sind, wie Valser, das heute zu Coca-Cola gehört.

Die Zukunft könnte in einer Kombination von privaten und öffentlichen Wassergesellschaften liegen, oder in einer «ethischen Privatisierung».

Laut Ruh bezieht sich dieser Begriff auf Gesellschaften, die bei ihrem Kerngeschäft – in diesem Fall die Wasserversorgung – auch das Wohl der Öffentlichkeit nicht vergessen.

Er fügt bei, dass solche Firmen im Besitz von «ethisch interessierten Investoren wären, die einerseits Profit machen, andererseits aber ihr Geld in Firmen investieren wollen, die sich für eine bessere Welt einsetzen.»

Status quo

Allgemein herrscht aber offenbar die Meinung, dass das Schweizer Wassersystem zur Zeit gut funktioniert, und dass die Privatisierung des Wassers kurzfristig kaum ansteht.

«Wir haben hier eine lange Tradition, und allgemein geht man davon aus, dass die Wasserversorgung ein öffentliches Gut ist», sagt Ruh.

«Wir haben auch starke Lobbys, die Wasserfirmen in den Städten haben sich zu Organisationen zusammengeschlossen, und sie sind politisch sehr aktiv, um dafür zu sorgen, dass das Wasser öffentlich bleibt», fügt er bei.

Auch Bolliger ist der Meinung, dass der Status quo beibehalten werden soll.

«Die Schweiz hat eine sehr gut funktionierende öffentliche Wasserversorgung», meint sie. «Es gibt keinen Grund, da etwas zu ändern.»

swissinfo, Isobel Johnson

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