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«Ja, aber» der Schweiz zu Solidaritätsabgabe

Jacques Chirac, der Promoter der Solidaritätsabgabe auf Flugtickets. Keystone Archive

Frankreich will, dass auch andere reiche Länder eine neue Steuer auf Flugtickets erheben. Die Schweizer Behörden nehmen eine ambivalente Haltung ein.

Die Position der Schweiz an einer Konferenz in Paris: Ja zu einer Abgabe auf Flugtickets, Nein zu einer solchen auf internationalen Finanz-Transaktionen.

Ab kommendem 1. Juli müssen Flugpassagiere in Frankreich eine neue Solidaritätsabgabe auf ihren Tickes bezahlen. Die Gelder fliessen in einen Fonds, aus dem Projekte in Ländern des Südens im Kampf gegen Armut, Aids, Tuberkulose und Malaria unterstützt werden.

Frankreich und sein Präsident haben bei der Einführung der Solidaritätsabgabe eine Pionierrolle gespielt, weshalb sie im westlichen Nachbarland auch «taxe Chirac» genannt wird.

Frankreich möchte nun die anderen reichen Länder ermuntern, seinem Beispiel zu folgen. Deshalb ist es bereits bei den Vereinten Nationen (UNO) und der Europäischen Union (EU) vorstellig geworden und organisiert in der kommenden Woche in Paris eine grosse internationale Konferenz zum Thema.

Schweizer «Pferdefuss»

Die Schweiz wird zwar an der Seine vertreten sein, hat aber bisher wenig Begeisterung für das Pariser Anliegen gezeigt. So gehörte sie beispielsweise nicht zu den Unterzeichnenden einer Erklärung über «innovative Quellen zur Finanzierung der Entwicklungshilfe», die letzten September von 66 UNO-Mitgliedstaaten unterstützt worden war.

Deutschland und Grossbritannien hingegen befürworten die Idee, nicht aber die Vereinigten Staaten (USA). Bei den innovativen Quellen geht es aber nicht nur um Abgaben auf Flugtickets, sondern auch um solche auf gewissen Finanztransaktionen.

Und genau da mauert die Schweizer Regierung, denn solche Abgaben würden eine Änderung des Schweizer Steuergesetzes erfordern. Sie befürchtet, dass sich der Druck des Auslands auf die Steuerinsel Schweiz mit ihrem Bankgeheimnis noch verstärken könnte.

Die Frage dieser «innovative Quellen zur Finanzierung der Entwicklungshilfe» hat in den letzten Monaten auch auf internationalem Parkett eine zunehmende Bedeutung erlangt, namentlich bei der Weltbank.

Mehrere Länder, darunter vor allem Deutschland, Grossbritannien und Norwegen, haben die Einführung solcher Finanzierungs-Instrumente gemäss französischen Modell angekündigt.

Pragmatismus

Die Schweiz nimmt eine pragmatische Haltung ein. Laut Botschafter Remo Gautschi, der die Schweizer Delegation in Paris anführen wird, ist die Notwendigkeit, neue Quellen zur Finanzierung der Entwicklungshilfe zu finden, «ein wirkliches Problem». Da verdiene es die Idee einer Abgabe auf Flugtickets, ohne wenn und aber diskutiert zu werden.

Die Schweiz hat aber alles Interesse daran, die Diskussionen um die neuen Abgaben nicht scheitern zu lassen. Denn die Einnahmen aus der Abgabe könnten längerfristig einen grossen Teil der in den armen Ländern benötigten Medikamente gegen Aids, Malaria und Tuberkulose sichern.

Das wiederum dürfte sich auf die Preise dieser Medikamente für die Kranken in den Ländern des Südens auswirken. Ebenso für auf die Investitionen für die Forschung und Entwicklung solcher Medikamente. Da ist die Schweizer Pharma-Industrie direkt betroffen.

Es scheint jedenfalls, dass die Schweiz begriffen hat, dass sie in der Frage nicht abseits stehen kann. Gemäss einem Sprecher des Bundesamtes für Zivilluftfahrt sind mehrere Behörden daran, die nötigen Abklärungen für eine mögliche Einführung der Flugabgabe zu treffen.

swissinfo, Michel Walter
(Übertragung aus den Französischen: Renat Künzi)

Die Solidaritätsabgabe auf Flugtickets («taxe Chirac») wird in Frankreich am 1. Juli 2006 eingeführt. Sie wird auf Flügen erhoben, die von Frankreich ausgehen.

Sie gilt auch für den schweizerisch-französischen Flughafen Basel (EuroAirport), aber nur für solche Flüge, die französischem Recht unterstehen.

In der Economy-Klasse beträgt die Abgabe 1 Euro für Flüge innerhalb der Europäischen Union und 4 Euro für alle anderen Flüge (Business-Klasse: 10 und 40 Euro).

Flüge in die Schweiz sind ausgenommen.

Am 14. September 2005 unterzeichneten 79 Staaten die Erklärung über innovative Quellen zur Finanzierung der Entwicklungshilfe, die von Frankreich eingebracht worden war.
Vom 28. Februar bis 1. März 2006 findet in Paris eine internationale Konferenz über innovative Finanzierung von Entwicklungshilfe statt, an der auch die Schweiz teilnimmt.

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