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Kantonale Schranken sollen verschwinden

Möglicherweise können Schweizer Lehrpersonen bald im ganzen Land arbeiten. Keystone

Der Nationalrat hat das Binnenmarkt-Gesetz beraten. Es soll Behinderungen für Arbeitnehmer und Selbständige zwischen den Kantonen verringern.

Künftig sollen zum Beispiel Lehrer oder Wirte ohne Einschränkung in sämtlichen Kantonen arbeiten dürfen.

Auf der Homepage der Bundesrepublik Deutschland steht unter «Länderinformationen» über die Schweiz: «Die Schweiz zählt zu den leistungsstarken Volkswirtschaften Europas. Die Exportfirmen sind mit Qualitätsprodukten erfolgreich, die global aufgestellten Finanzdienstleister ertragsstark. Schwächer ist der Binnenmarkt, der als Hochpreisinsel unter Überregulierung leidet».

Seit Jahren versucht das Parlament mit einem griffigen Binnenmarktgesetz diese Überregulierung abzubauen. So auch in der laufenden Sommersession der Eidgenössischen Räte in Bern.

Der Nationalrat will mit dem Abbau von Kantons-Grenzen die berufliche Mobilität und den Wirtschaftsverkehr innerhalb der Schweiz fördern. Die Grosse Kammer hiess mit 134 zu sechs Stimmen die Revision des Binnenmarktgesetzes gut.

Demnach sollen die Ausbildungen von Lehrern, Ingenieuren, Architekten, Hoteliers oder Wirten in sämtlichen Kantonen der Schweiz anerkannt werden.

Kein grosser Wurf

Es sei wichtig, schweizweit einen einheitlichen Markt zu etablieren, sagte Wirtschaftsminister Joseph Deiss.

Die Revision sei zwar nicht der grosse wirtschaftspolitische Wurf, aber ein Gebot der Stunde, sagte die Sozialdemokratin Susanne Leutenegger in der Debatte. In Zeiten grösser werdender Märkte sei es absurd, wenn sich die kleine Schweiz in zahlreichen Sektoren den Luxus von 26 kleinen und kleinsten kantonalen Binnenmärkten leiste, die ihre Märkte wiederum von gewerblichen Niederlassungen aus anderen Kantonen abschotteten.

Auch der freisinnige Parlamentarier und Präsident von Swissmem, der Dachorganisation der Maschinenproduzenten, Johann Schneider-Ammann, erinnerte daran, dass die schweizerische Wirtschaft sich nicht in einen geschützten Binnenteil und einen voll dem globalen Wettbewerb ausgesetzten Exportteil aufteilen lasse.

Frei in der Schweiz arbeiten

Der Schweizer Föderalismus geht soweit, dass nicht alle Schweizer Berufsleute in sämtlichen Kantonen arbeiten dürfen. Der Nationalrat möchte die Zutrittsschranken zwischen den Kantonen abbauen.

Im Zentrum der Vorlage steht denn auch die Stärkung der individuellen Freiheit zur Berufsausübung. Damit soll auch die Schlechterstellung von Schweizerinnen und Schweizern gegenüber EU-Bürgerinnen und -Bürgern verhindert werden. Diese dürfen nämlich, wenn sie eine Arbeitsstelle gefunden haben, in der ganzen Schweiz arbeiten.

Zweifel an der Wirkung

Marktbehinderungen bestünden für 15% aller Erwerbstätigen und für mehr als einen Drittel aller Selbständigen, sagte Hans Kaufmann von der Schweizerischen Volkspartei, SVP.

Künftig sollten die im Heimatkanton geltenden Zulassungsbedingungen für die Berufsausübung entscheidend sein. Wer diese erfülle, soll das Recht erhalten, in der ganzen Schweiz tätig zu sein, sagte Kaufmann.

Vorbehalte wurden über die Wirkung der Revision angebracht. Die Revision werde nicht den versprochenen und dringend nötigen grossen Wachstumssprung bringen, sagte Leutenegger Oberholzer.

Auch die SVP zweifelte an der Wirkung. Es sei ziemlich übertrieben, die Revision als fünftwichtigstes Projekt des 17 Massnahmen umfassenden Wachstumspaketes des Bundesrates aus dem Jahr 2004 darzustellen.

Beschwerderecht für Wettbewerbs-Kommission

Gutgeheissen wurde im Rahmen der Revision auch die neue Regelung, wonach die Eidgenössische Wettbewerbskommission den kantonalen und kommunalen Behörden nicht mehr nur unverbindliche Empfehlungen abgeben kann. Künftig soll sie neu ein Beschwerderecht haben, das ihr erlaubt, gesetzeswidrige Verwaltungsentscheide anzufechten. Sie soll zudem solche Beschwerden bis ans Bundesgericht ziehen können.

Das Geschäft geht nun zur Behandlung an den Ständerat.

swissinfo und Agenturen

Das neue Binnenmarkt-Gesetz, das mit 134:6 Stimmen gutgeheissen wurde, verfolgt drei Schwerpunkte:

-Verringerung der kantonalen Schranken zum Arbeitszugang

-Die Schlechterbehandlung der Schweizer Berufsleute gegenüber denjenigen aus der EU verhindern.

-Ein Beschwerderecht für die Wettbewerbs-Kommission

Von den Behinderungen im Schweizer Binnenmarkt sind zwischen 250’000 und 300’000 Personen betroffen:
Lehrerinnen und Lehrer
Berufe im Gesundheitswesen
Ärzte
Ingenieure und Architekten
Hoteliers und Wirte

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