Mit 3. Konjunkturpaket Rezessionsfolgen abfedern
Der Bundesrat hat am Mittwoch ein 400-Millionen-Paket zur Abschwächung der Arbeitslosigkeit vorgestellt. Insgesamt beläuft sich diese 3. Finanzspritze auf 750 Mio. Franken. Linke und Gewerkschafter hatten einen höheren Betrag gefordert.
«Das wirtschaftliche Umfeld hat sich im ersten Trimester dieses Jahres ziemlich verschlechtert, und von einer Verbesserung wird noch nicht ausgegangen», sagte Wirtschaftsministerin Doris Leuthard am Mittwoch, als sie zusammen mit Finanzminister Hans-Rudolf Merz in Bern vor die Medien trat.
Es scheine, als ob uns nach den Sommerferien zahlreiche weitere schlechte Nachrichten im Bereich Unternehmensschliessungen und Beschäftigung erwarte, so Leuthard.
Laut den jüngsten Schätzungen des Staatssekretariats für Wirtschaft (Seco) wird das Bruttoinlandprodukt (BIP) im laufenden Jahr um 2,7% schrumpfen. Noch im vergangenen März waren die Seco-Experten von einem Minus von 2,2% ausgegangen.
Dieses Schrumpfen werde sich besonders am Arbeitsmarkt auswirken: 2009 dürfte die Arbeitslosigkeit auf 3,8% anwachsen. Und im kommenden Jahr seien sogar 5,5% nicht auszuschliessen – ein Niveau, das seit der Rezession der 90er-Jahre nicht mehr erreicht worden ist.
Massnahmen gegen die Arbeitslosigkeit
«Davon ausgehend, haben wir die 3. Phase des wirtschaftlichen Stabilitätsprogramms lanciert», so Leuthard. Es wäre falsch, jetzt mit verschränkten Armen abzuwarten, wie sich 2010 entwickle.
Deshalb empfielt die Regierung dem Parlament, weitere 400 Mio. Franken lockerzumachen, die vor allem für die Beschäftigung eingesetzt würden. Zur Bekämpfung der Langzeitarbeitslosigkeit seien befristete Anstellungen für Einsätze in nichtprofitorientierten Organisationen sowie für Sonderaufgaben in den Bereichen Natur, Pflege, Tourismus und Jugend vorgesehen.
Die jetzt vorgeschlagenen 400 Millionen folgen auf 200 Millionen für die Erleichterung von Krankenkassen-Prämien und 150 Millionen aus der vorgezogenen Änderung der Mehrwertsteuer-Gesetzgebung, die den Unternehmen die Kosten verringern und den Verbrauchern den Konsum erleichtern soll.
Drei Ziele der Regierung
«In erster Linie wollen wir mit den neuen Massnahmen soziale Folgen der Wirtschaftskrise reduzieren und statt dessen auf den Arbeitsmärkten jenen Leuten neue Perspektiven erschliessen, die bereits ihre Arbeit verloren haben», sagte die Wirtschaftsministerin.
«Zweitens möchten wir diese Krise dazu benutzen, um die Position unseres Landes im internationalen Umfeld zu festigen – mit Blick auf die konjunkturelle Wiedererstarkung.» Für die Zukunft würden sich neue Aktivitäten und neue Sektoren in der Wirtschaft abzeichnen.
Schliesslich wolle die Regierung mit der Höhe der Finanzspritze eine weitere öffentliche Verschuldung vermeiden: Die 400 Mio. Franken entsprechen nicht einmal 0,1% des BIP.
«Sie erinnern sich, dass es öffentliche und private Schulden waren, die die gegenwärtige Finanzkrise ausgelöst haben», so Leuthard. Deshalb sei die Regierung überzeugt, dass weiteres Schuldenmachen nicht die Lösung sein könne.
Ausgeglichene öffentliche Finanzen
Dieser Ansicht schloss sich auch der Finanzminister Hans-Rudolf Merz an: «Wir müssen uns bewusst sein, dass nach der Krise eine Zeit kommt, in der dem Gleichgewicht der öffentlichen Finanzen grosses Gewicht beigemessen wird. Erreichen wir das nicht, werden wir enorme Schuldzinsen zahlen müssen, oder die Schulden der künftigen Generation aufbürden.»
Viele Regierungen, die grosse Summen aufgeworfen haben, fragen sich jetzt schon, wie sie der Verschuldung begegnen werden, die in den kommenden Jahren auf sie zukommen wird.
Die Summe von 400 Millionen sei noch im Manövrierbereich des Finanzbudgets und liege auch nicht quer zur Schuldenbremse, die das Parlament beschlossen habe. «2010 wird ein schwieriges Jahr, doch wir wissen jetzt schon, dass 2011 noch schwieriger für die Bundeskasse wird», so Merz.
Kritiken von links und rechts
Die vorliegende Finanzspritze stellt weder die Linke noch die Rechte zufrieden. Die Linke verlangt seit langem ein stärkeres Engagement des Bundes. Und für die Rechte sind auf diese Weise ausgegebene Gelder unnütz.
«Verglichen mit der Dimension der Krise steht diesem Paket nur ein kosmetischer Wert zu», sagt Daniel Lampart, Chefökonom der Gewerkschaftsbundes. Nachdem der Bund der UBS mit 40 Milliarden beigestanden sei, lasse die Regierung nun die Bevölkerung im Stich, die ja die Folgen der Fehler der Banker zu tragen habe.
Armando Mombelli, swissinfo.ch
(Übertragung aus dem Italienischen: Alexander Künzle und Etienne Strebel)
Erste Phase ab Januar 2009 (insgesamt 900 Mio. Fr.):
Freigabe aus der Reserve der Bundeskasse 550 Millionen
Aufhebung Kreditblockierung: 205 Mio.
Erhöhung der Ausgaben für den Hochwasserschutz: 66 Mio.
Beiträge zur Wohnbauförderung 45 Millionen
Aufwendungen für öffentliche Gebäude: 20 Mio.
Export-Förderung: 5 Mio.
Zweite Phase vom Sommer 2009 (insgesamt 700 Mio.):
Verbesserung der Infrastruktur, insbesondere Eisenbahn und Strassen: 530 Mio.
Investitionen in Energie und Umwelt: 80 Mio.
Zusätzliche Mittel für die Forschung: 50 Millionen
Andere Sektoren, einschliesslich Tourismus: 40 Millionen.
Dritte Phase ab 2010: 750 Mio.
Massnahmen gegen den Anstieg der Arbeitslosigkeit: 400 Mio.
Besonderer Beitrag zur Senkung der Prämien der Krankenversicherung: 200 Mio.
Reform der Mehrwertsteuer: 150 Mio.
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