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Sulzer – Sinnbild schweizerischer Industriegeschichte

Der Winterthurer Sulzer-Konzern hat am Donnerstag (19.04.) einen Wendepunkt in seiner Geschichte erreicht. Die 167 Jahre alte Unternehmung hatte in den vergangenen Jahrzehnten zahlreiche Restrukturierungen und mehrere Übernahmeversuche überstanden.

Der Sulzer-Konzern, lange Zeit Sinnbild schweizerischer Industriegeschichte, war 1834 von den Gebrüdern Johann Jacob und Salomon Sulzer gegründet worden. Deren Vater hatte eine kleine Messinggiesserei betrieben. Während ihrer Wanderjahre lernten die Sulzer-Brüder im Ausland den Eisenguss kennen und überredeten den Vater nach ihrer Rückkehr zum Bau einer Eisengiesserei.

1851 stiess der junge Brite Charles Brown hinzu, der den Betrieb zur Maschinenfabrik machte. Als Brown die Firma Sulzer 1871 verliess, war die Beschäftigtenzahl auf rund 1’000 angewachsen.

Brown baute danach die Schweizerische Lokomotiv- und Maschinenfabrik (SLM) in Winterthur auf und gründete 1891 zusammen mit Walter Boveri die inzwischen im ABB-Konzern aufgegangene BBC Brown Boveri & Cie. in Baden (AG).

25 Jahre nach der Gründung verfügte Sulzer über eine Reihe mechanischer Produkte, die den Grundstein zu Konzernteilen legten, die in jüngerer Vergangenheit verkauft wurden oder heute zum Verkauf stehen. Anfang des 20. Jahrhunderts arbeiteten rund 5’500 Leute für Sulzer, 1968 waren es 32’500.

Während der 167-jährigen Geschichte erlebte die Unternehmung zwar immer wieder Umstrukturierungen, doch seit 1989 häuften sich die Negativ-Meldungen: Die Mitarbeiterzahl sank bis Ende 2000 auf rund 22’000. Der Personalabbau ging einher mit dem Ausverkauf von Traditionsbereichen und dem Wandel zum Technologiekonzern. Eine der aufsehenerregendsten Ausgliederungen war Ende der 80er Jahre jene des früheren Sulzer-«Flaggschiffs», des Dieselmotorenbaus für Schiffe.

Schlag auf Schlag folgten die Schliessung der Giesserei Oberwinterthur mit 370 Arbeitsplätzen (1992), der Verkauf der Industrie- und Kraftwerkskessel-Produktion an ABB (Anfang 1993), die Ausgliederung der Papiertechnik in ein Joint Venture mit der deutschen Voith-Gruppe (1994). 1996 wurde die Umwelttechnik mit 300 Arbeitsplätzen nach Österreich verkauft. Im gleichen Jahr wurden die Webmaschinenproduktion von Sulzer Rüti in Zuchwil (SO) konzentriert, der Betrieb in Rüti (ZH) stillgelegt und 950 Stellen abgebaut. Zudem wurden 120 von 720 SLM-Stellen gestrichen. Die SLM-Bahntechnik wurde später an ADtranz verkauft.

Im Frühling 1997 wurden 80 Stellen bei Sulzer Turbo in Zürich abgebaut, im Herbst 1997 die defizitäre französischen Anlagebau-Tochter mit 900 Stellen verkauft. Im Sommer 1998 kostete die Verlegung der Webmaschinen-Produktion nach Italien 200 Stellen in der Schweiz.

Im Sommer 1999 wurde das Restrukturierungsprogramm «Performance» mit dem Abbau von 2’100 Stellen im Industriebereich eingeleitet. Im September 2000 folgte das Projekt «Transformation», die Ausgliederung von fünf Konzernbereichen mit 14’600 von rund 22’000 Beschäftigten.

Gewerkschaften bedauern Abgang der Patrons

Letzten Dienstag sagte Andre Daguet, Vizepräsident der Gewerkschaft SMUV, was in 150 Jahren aufgebaut worden sei, hätten «Finanzhaie, Manager, die sich nicht mehr als Industrielle verstehen, und Berater» an den Rand des Ruins gebracht. Durch Fehlbeurteilungen seien Hunderte von Millionen Franken in den Sand gesetzt und mit Fehlstrategien die Substanz der Firma ausgehöhlt worden. Der Konzern sei zum Spielball von Spekulanteninteressen geworden.

Rene Braginsky ist nicht der erste Financier, der Sulzer attackiert. Einer der spektakulärsten Angriffe auf das Traditionsunternehmen war 1988 von Tito Tettamanti geführt worden. Im Abwehrkampf bewies der damalige starke Mann bei Sulzer, der frühere Konzernchef und Verwaltungsratspräsident Pierre Borgeaud, keine glückliche Hand: Er holte sich den inzwischen bankrotten Financier Werner K. Rey als Retter von Sulzer.

swissinfo und Ernst E. Abegg (AP)

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