Vom Schweizer Radsportler zum Baulöwen in Mexiko

Ex-Radrennfahrer Peter Loosli führte ein erfolgreiches Leben im zürcherischen Hinwil. 2000 packte ihn das Fernweh. Er zog nach Mexiko, wo er als Generalunternehmer Karriere macht. Seine Mexiko-Affinität begann vor 25 Jahren, als er noch fest im Velosattel sass.
Peter Loosli war schon früh schnell unterwegs. Der Hinwiler war in den frühen 1980er-Jahren Eliteamateur und Mitglied der Schweizer Rad-Nationalmannschaft.
Er betrieb den Radsport zielstrebig, gewann auch einige wichtige Rennen. Mexiko blitzte 1985 zum ersten Mal auf seinem Radar auf.
Der Verband organisierte damals in der «renntoten» Schweizer-Radsaison (September-April) eine Tournee in Mexiko und in Zentralamerika. Mit durchzogenen Resultaten bestritt die Mannschaft Strassenrundrennen in Kuba, Guatemala, in Costa Rica und in Panama.
Radrennen in Zentralamerika mit Highlight Mexiko
«Das Highlight war für mich aber Mexiko», erinnert sich Peter Loosli im Gespräch mit swissinfo.ch. «Auf Mexikos Strassen hatte es zwar Schlaglöcher, so gross, dass man fast in ihnen übernachten konnte, wie wir damals witzelten.
Aber die Menschen waren begeistert. Für mich war die Begegnung mit der mexikanischen Kultur mehr wert als meine zwei Etappensiege», hält Loosli fest.
Die Radrundfahrt war für Peter Loosli noch in einer anderen Hinsicht bedeutend. Im olympischen Sportzentrum, wo die Schweizer Radrennfahrer in Mexico-City untergebracht waren, trainierten auch mexikanische Speerwerferinnen. Amors Pfeil traf den Radrennfahrer mitten ins Herz, und Loosli verliebte sich aus dem Stand in eine Athletin.
Zurück in der Schweiz haderte Loosli mit seiner Radsportkarriere: Profi werden? Amateur bleiben? Loosli entschied sich für den «sauberen» Amateursport und entschied sich schliesslich für seine Berufskarriere als Baufachmann.
Er und seine Liebe aus Mexiko wuchsen in der Schweiz zu einem Paar zusammen, und die aztekische Speerwerferin wurde zweifache Mutter.
Ferienland Mexiko – Brotort Schweiz
«Mexiko war unsere Feriendestination, und in der Schweiz verdiente ich mein Brot», erklärt Loosli. Alles war gut: Job, Haus, Familie. Und das Fernweh? Loosli gab ihm im Jahr 2000 nach.
Die ganze Familie zog nach Mexiko, wo Loosli sich in seinem angestammten Beruf als Baufachmann betätigen wollte. Um sich auf das Abenteuer vorzubereiten, liess er sich in der Schweiz zum «Bauleiter Hoch- und Tiefbau» ausbilden.
Die Ernüchterung liess nicht lange auf sich warten. «Ich merkte rasch, dass der Faktor Arbeit in Mexiko einen sehr kleinen Wert hatte», erinnert sich Loosli.
«Mit meiner Schweizer Mentalität hatte ich geglaubt, dass ich als Bauleiter auf einen grünen Zweig käme». Das war ein Irrtum. Aber Loosli lernte rasch. «Hier muss man Projekte verkaufen, umfassende Projekte, gegenüber dem Klienten als Generalunternehmer auftreten».
Ausländerbonus vs. Ausländermalus
Das funktionierte. Loosli profitierte vom Ausländerbonus: «Viele Mexikaner glauben, Ausländer könnten mehr, seien besser in ihrem Fach als die lokalen Fachkräfte. Ich musste nie ein Diplom vorweisen.»
Richtig war, dass Loosli für seine Bauprojekte genaue Preise nannte, woran er sich auch hielt. «Das war für meine mexikanischen Partner neu».
Hinter jedem Bonus lauert ein Malus, mit dem auch Loosli Bekanntschaft schloss. «Ich musste lernen, dass mexikanische Bauherrschaften das Haar in der Suppe suchen, wenn es ums Zahlen geht, und dieses auch finden.»
Peter Loosli entschied sich nach ersten Erfahrungen als Architekt und Projektmanager, auf den Ausländerbonus zu verzichten. Er liess sich einbürgern.
«Vor den Behörden bin ich exklusiv Mexikaner. Das Land kennt keinen Doppelbürger-Status.» Loosli tritt als Mexikaner mit Schweizer Eigenschaften auf.
«Klima des ewigen Frühlings»
Die Strategie ging auf. Heute ist Peter Loosli stolzer Besitzer eines imposanten Hauses an bevorzugter Lage in Cuernavaca südlich von Mexiko Stadt, eine Autostunde von der Hauptstadt entfernt.
Der mehrstöckige Bau zeigt in der Ausführung und im Detail, dass Präzision möglich und erreichbar ist in Mexiko; mit Kunstrasen der neuesten Generation um den Pool.
Cuernavaca ist in den letzten 20 Jahren von einer mittelgrossen zu einer Grossstadt herangewachsen. Die Metropole ist für ihr ausgeglichenes, warmes Klima bekannt.
Das hatte auch der mexikanische Drogenzar Beltran Leyva entdeckt. Er profitierte von der Komplizenschaft der lokalen Behörden in Cuernavaca, bis ihn die mexikanische Marine im Dezember 2009 zur Strecke brachte.
Seither ist einiges anders in Cuernavaca, wie Peter Loosli weiss. «Wir überlegen uns, ob wir nachts ausgehen sollen. Und wir passen auf, dass wir nicht im falschen Moment am falschen Ort stehen. Im Übrigen nehmen wir die Drogenkriminalität gelassen. Es ist ein Krieg einer geschlossenen Clique».
Geschäften ohne Korruption?
Kann Peter Loosli als Unternehmer in Mexiko ohne Korruption gute Geschäfte machen? «Ich bin in Mexiko Mitglied der Schweizer Unternehmerkammer. Wir halten uns an einen strengen Verhaltenskodex.»
Dieser nützt aber manchmal wenig, wie Loosli immer wieder erfahren muss. «Wenn ich auf dem Weg zu einem Klienten von der Polizei grundlos angehalten werde, muss ich die ‹kleine Korruption› wohl oder übel mitmachen.“
Peter Loosli macht aber auch die Erfahrung, dass Mexiko längst nicht mehr das Land der unbeschränkten (Bau)Möglichkeiten ist. «Mexiko hat in den vergangenen Jahren eine Lawine von Bauvorschriften erlassen – theoretisch. In der Praxis ist allerdings noch einiges immer verhandelbar.»
Im Labyrinth der Einsamkeit
Immer wieder macht Loosli Bekanntschaft mit Eigenschaften, die der renommierte Schriftsteller Octavio Paz in seinem Werk «Labyrinth der Einsamkeit» beschrieben hat: Verrat und Zweigesichtigkeit.
«Ich staune immer wieder: Da vereinbare ich mit einem Klienten die Eckpfeiler eines Geschäfts. Wenn ich am anderen Tag darauf zu sprechen komme, erzählt er etwas fundamental anderes», raisonniert Loosli.
«In solchen Momenten brauche ich meine Frau als Kulturübersetzerin und Vermittlerin. Sie ist und bleibt mein Schlüssel zu Mexiko.»
Wer in Mexiko erfolgreich sein will, braucht viel Takt, Respekt und Gefühl für die mexikanischen Gepflogenheiten. Aber selbst diese Eigenschaften haben Grenzen, sagt Loosli.
Wenn Redlichkeit nicht viel garantiert
«Ich wurde einmal von der Polizei entführt, weil ein Bauunternehmer hinter meinem Rücken gegen mich ein Gerichtsverfahren anzettelte. Der Kläger verlor den Prozess. Darum nahm er Rache an mir. Der Gegenanwalt besuchte mich in Untersuchungshaft, teilte mir mit, dass ich zehn Jahre sitzen würde, wenn ich nicht zahlte».
Loosli kam nur mit Beziehungen und dem Einfluss eines hochgestellten Politikers frei.
Mexiko ist nicht mehr, was es einmal war. Loosli brauchte zeitweilig einen Bodyguard, um seinen Beruf auszuüben. Die Löhne für die Bauarbeiter lässt er heute durch eine Bank auf den Baustellen auszahlen. Das ist sicher und stressfrei.
Mexiko gehört heute zu den dereguliertesten Märkten der Welt.
1994 schlossen Kanada, die USA und Mexiko das North American Free Trade Agreement (NAFTA).
Die drei Staaten schufen damit einen der grössten Wirtschaftsräume der Erde.
Zeitweilig avancierte Mexiko gar zum wichtigsten Handelspartner der USA.
Inzwischen hat Mexiko diese Position an Kanada und China verloren.
Im Gegensatz zu anderen Öl produzierenden Staaten ist es Mexiko in den vergangenen 20 Jahren gelungen, die Wirtschaft zu diversifizieren.
Der Tourismus gehört nach der Ölindustrie zum wichtigen Devisenbringer.
Die negativen Schlagzeilen, welche die sich bekämpfenden Drogenkartelle liefern, setzen dem Geschäft mit den Gästen aber zu.
Die bilaterale Beziehung zwischen Mexiko und der Schweiz hat noch grosses Wachstumspotential.
Die Schweizer Direktinvestitionen in Mexiko betragen rund 5.5 Mrd. Franken. (Vergleich: Brasilien: 33 Mrd. Fr.)

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