Weniger Miete bei Fluglärm

Die Zunahme von Fluglärm kann laut Mietgericht Bülach (ZH) eine Mietzinsreduktion rechtfertigen. Die Hauseigentümer prüfen nun Klagen gegen den Flughafen.
Wer im Raum Zürich eine Wohnung sucht, braucht Geduld und ein dickes Portemonnaie. Nur im Norden der überbevölkerten Metropole bietet sich hin und wieder die Chance, sich ein preisgünstiges Schnäppchen zu ergattern. Der Nachteil: Die Gegend liegt in der Nähe des Flughafens, der mehr oder minder konstant für Lärm sorgt.
Weder Lärm noch Stille genehm
Schon vielen Flughafen-Anwohnerinnen und -Anwohnern drohten ob den tieffliegenden Luftschiffen die Nerven durchzugehen. Aber auch Totenstille über den Dächern entspricht nicht den Vorstellungen der «Nord-Zürcher»: Das Swissair-Grounding führte manchem in erschreckender Deutlichkeit vor Augen, dass er eigentlich direkt oder indirekt vom Flughafen lebt.
Schätzungen, welche vor Bekanntgabe des Milliarden schweren Bundes-Engagements für die Schweizer Luftfahrt herumgereicht wurden, bezifferten die Zahl der wirtschaftlich vom Flugbetrieb unmittelbar abhängigen Menschen auf rund 50’000. Sie leben – zumindest zu einem gewissen Teil – in unmittelbarer Flughafennähe, sind also jene lärmgeplagten Flughafen-Anstösser.
Der Fall von Bülach
Lange vor dem Swissair-Grounding, im Sommer 2000, beantragten – nach Angaben des Zürcher Mieterinnen- und Mieterverbands (MV) – rund 350 Anwohner eine Mietzinsreduktion infolge der Lärmbelastung. Die Flughafen-Betreiberin Unique musste zu jenem Zeitpunkt die Westpiste des Flughafens schliessen und verlagerte die Flugbewegungen über die Südgemeinden.
Das Bezirksgericht Bülach behandelte in seinem vom Mieterverband am Freitag publik gemachten Urteil das abgewiesene Gesuch eines Mieters in Wallisellen. Zur Zeit der Schliessung der Westpiste wurde dessen in einem Wohnquartier gelegenes Haus alle fünf Minuten von einem Flugzeug überflogen. Im Normalfall sind es nur zehn Flugzeuge pro Tag.
Laut dem Kläger verunmöglichten der Lärm und die Vibrationen konzentriertes Arbeiten und Telefongespräche ebenso wie passive Tätigkeiten wie Fernsehen oder Ausruhen. Forderung: Mietzinsreduktion um 40 Prozent.
Das Mietgericht Bülach folgte nun mehrheitlich dieser Argumentation. Die Lärmimmissionen hätten die allgemein üblichen Tätigkeiten in der Wohnung erheblich beeinträchtigt und weit über dem vom Mieter zu tolerierenden Ausmass gelegen. Eine Mietzinsreduktion von 30 Prozent sei gerechtfertigt.
Das Urteil bestätige, dass Fluglärm mietrechtlich relevant sei, zeigte sich der MV erfreut über den Entscheid. Es sei nun zu hoffen, dass auch bei den noch hängigen 67 Klagen eine rasche Einigung gefunden werde, sagte MV-Sprecher Daniel Schärer.
Sündenbock, wo bist du?
Beim Hauseigentümerverband (HEV) läuten die Alarmglocken: Das Gerichtsurteil habe «einen gewissen präjudizierenden Charakter», sagte Paco Oliver, Jurist beim HEV, gegenüber dem «Tages-Anzeiger».
Der HEV des Kantons Zürich hat sich bereits nach jemandem umgesehen, auf den sich der möglicherweise kulminierende Verlust abgewälzen lässt – und ist bei der Flughafenbetreiberin Unique fündig geworden.
Nach Ansicht der Hauseigentümer müsste Unique als Verursacherin der Lärmimmissionen alle Betroffenen im gleichen Ausmass entschädigen. Schliesslich unterscheide der Lärm nicht zwischen Mietern und Eigentümern. Die Hauseigentümer wollen nun eine Schadenersatzforderung gegen den Flughafen prüfen.
Die Flughafenbetreiberin Unique wollte zu dieser Drohung bisher keine Stellung nehmen.
swissinfo und Agenturen

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