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Geliebte Blumen, erfüllter Traum

Der kubanische Weltstar Compay Segundo begeisterte am Dienstag Abend an der Expo in Neuenburg. Keystone

Tausende pilgerten nach Neuenburg ans Konzert von Compay Segundo. Weltmusik an der Expo - dies begrüssen viele als "Öffnung gegenüber der Welt".

Es ist schwül, in der Patinoire warten 4000 Frauen und Männer auf den Auftritt des grossen, alten Musikers Compay Segundo. Das Konzert ist ausverkauft, die Vorgruppe Ambos Mundos stimmt das Publikum auf Kuba ein.

Ob der Star des Abends vor seinem Auftritt wohl Zeit hat für ein kurzes Interview? “Vielleicht später, er ist noch nicht eingetroffen”. Der Manager rechnet damit, dass Compay Segundo in einer knappen Stunde auftreten wird.

Wenig später jedoch kündigt die Sängerin von Ambos Mundos den Auftritt bereits an. “Wir machen Platz, weil auch wir ihn hören wollen…”; ihn und seine Band, neun Musiker sind es an diesem Abend: Bläser, Gitarristen, ein Bassist, Perkussionisten.

Als der Grandseigneur des kubanischen “Sons” dann, gestützt von einem der Musiker, mit viel Eleganz und halt doch nicht mehr allzu gelenkig, nach vorn an den Bühnenrand tanzt, brandet ihm begeisterter Applaus entgegen.

Von Liebe und Romantik

“Wir sind mit viel Freude in die Schweiz gekommen”, begrüsst Compay Segundo sein Publikum. Im perfekt sitzenden Anzug, den Panamahut auf dem Kopf, greift er zum “armonico”, einem siebensaitigen Instrument, das er selber erfunden hat. Es ist ein Mischung aus Gitarre und kubanischer Tres. Freude und Sympathie schwappen dem 95-jährigen und seiner Band nach den ersten Klängen entgegen. Er wirft den Leuten Kusshände zu.

Bereits eines der ersten Lieder widmet er seiner Verlobten – ganz der romantische, humorvolle Gentleman. Das Publikum liebt ihn deswegen. “Solange noch Blut durch meine Adern fliesst, werde ich die Frauen lieben. Das Leben! Frauen, Blumen, romantische Gefühle…”, hat er in Wim Wenders Film “Buena Vista Social Club” gesagt, dem Film, der ihn zum Weltstar gemacht hat.

Die Blumen geben einigen der Stücke dieses Abend den Namen, stehen für geliebte Frauen – “Blumen des Lebens”. Die Poesie der kubanischen Musik schwingt, auch in Liedern, welche sich an fremden Stilen orientieren. Hier eine Anlehnung an den amerikanischen Blues, dort karibische Einflüsse, stets jedoch ist alles durchdrungen vom kubanischen “Son”, der Musik von Menschen für Menschen.

Nein, nicht müde

Obwohl das Publikum das Konzert ganz offensichtlich geniesst, tanzt kaum jemand. Auf nummerierten, engen Sitzen platziert, ist dies nicht gut möglich. Compay Segundo fragt denn auch, ob die Leute müde seien, Wenig später stimmt er die legendären Klänge von “Chan Chan” an.

Nun kommt Bewegung ins Publikum, sie wogt vom Bühnenrand bis hinauf auf die Tribünen: Standing Ovation für Compay Segundo und seine Muchachos. Jetzt tanzen die Leute, auch während des nächsten und letzten Stückes: “Guantanamera”. Einige Fans reichen Compay Segundo eine kubanische Fahne auf die Bühne hinauf, er hüllt sich darin ein und verlässt unter Applaus die Bühne.

“Offenheit kann nicht schaden”

Zur Zugabe kommt er nicht mehr zurück, seine grösstenteils jüngeren Bandmitglieder spielen ein letztes Stück, bevor sich die Massen zum Ausgang drängen. Jung und alt, das Publikum ist bunt gemischt. Kubanischer “Son” passe an die Expo, sagt Rolf, ein Konzertbesucher. “Ein wenig Offenheit kann der Schweiz nicht schaden.”

Weltmusik an der Expo sei gut, “weil es eine Öffnung gegenüber der Welt bedeutet”, meint Chantal. Und Katharina hat sich einen Traum erfüllt: “Ich bin Kuba-Fan und wollte Compay Segundo immer schon live erleben”. Ihren Terminkalender will sie in der kommenden Zeit nach der Expo ausrichten, weil es noch viel mehr gute Konzerte gebe.

Und die Expo will sie auch besuchen, ein mal pro Woche hat sie sich vorgenommen. 266’000 Eintritte hat die Expo an den ersten fünf Tagen verbucht, gut 20 Prozent mehr als erwartet. Und Compay Segundo hat mit Leichtigkeit ein paar tausend Leute zur Neuenburger Arteplage gelockt: Die Schweizerinnen und Schweizer wollen ihre Landesausstellung erleben.

Nach dem Konzert schlendern sie durch Neuenburg oder hasten auf den letzten Zug zum Bahnhof hinauf. Wie auch immer – die Gesichter sind zufrieden. Nicht wenige summen die Melodie von “Guantanamera” vor sich hin.

Kathrin Boss Brawand

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