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Gratiszeitung bleibt erfolgreich

"20 Minuten" von Montag bis Freitag gratis und erfolgreich. swissinfo.ch

Die Pendlerzeitung "20 Minuten" hat das Boulevardblatt "Blick" überholt und ist nun meistgelesene Zeitung in der Schweiz.

Auch wenn die “Kurzfutter-Information” Aufwind hat, bleibt die Schweiz im internationalen Vergleich ein Land, in dem viel Zeitung gelesen wird.

“Es ist eine Tatsache, dass Zeitungen, die das neue Tabloid-Format gewählt haben, Leser dazu gewonnen haben und die anderen nicht”, sagt Harald Amschler, Forschungsleiter bei der WEMF, der AG für Werbemedienforschung, gegenüber swissinfo.

Von der WEMF stammen die neusten Zahlen im Schweizer Zeitungs- und Zeitschriftenmarkt. Tatsächlich erscheinen die Nummer eins und zwei in der Schweiz im Tabloid-Format.

Die Gratiszeitung “20 Minuten” ist im vergangenen Jahr lesermässig zur grössten Tageszeitung im Land geworden. Mit einer Reichweite von 782’000 Leserinnen und Lesern überflügelt sie den langjährigen Spitzenreiter “Blick”.

Der “Blick” vermochte je Ausgabe 736’000 Personen zu erreichen, 15’000 mehr als im Vorjahr. “20 Minuten” hatte im Vorjahr mit einer Reichweite von 692’000 noch 90’000 weniger Leser ausgewiesen.

Mit 573’000 Leserinnen und Lesern behauptete sich der “Tages-Anzeiger” im vergangen Jahr auf dem dritten Platz, von dem er 2002 von “20 Minuten” verdrängt worden war.

Der “Tages-Anzeiger” schrumpfte damit um 3000, wie die WEMF am Montag zu ihrer neuesten Erhebung “MACH Basic 2004” mitteilte.

“BZ” und “MZ” tauschen Plätze

Als Nummer 4 in der Schweizer Tageszeitungs-Landschaft stellte sich die “Berner Zeitung” heraus – aufgrund der wegen der Volkszählung 2000 neuen Berechnungsgrundlage mit einer Reichweite von 426’000 Lesern.

Sie tauschte damit den Platz mit der “Mittelland-Zeitung”, die auf 381’000 Leserinnen und Leser kam, nach 373’000 im Vorjahr.

Die “Neue Zürcher Zeitung” rangiert neu mit 316’000 Lesenden auf Platz 7. Sie musste Federn lassen; 2002 hatte ihre Reichweite noch 343’000 betragen.

Vor der “NZZ” taucht in der Reichweiten-Hitparade die erste französischsprachige Tageszeitung auf: “Le Matin” wies 331’000 Lesende aus. Die Zahlen des “Matin” bezogen sich, genau wie bei den Deutschschweizer Zeitungen, nur auf den eigenen Sprachraum.

Es folgen die “Neuen Luzerner Zeitung”, die “Südostschweiz”, “24 Heures”, das “St. Galler Tagblatt” und die “Basler Zeitung” .

“Gratis” ist nicht mit “bezahlt” zu vergleichen

Die Gratiszeitung “20 Minuten” ist seit fünf Jahren in der deutschsprachigen Schweiz präsent.

Doch Bernhard Weissberg, Mitglied der Geschäftsleitung des Ringier-Verlages, welcher den BLICK herausgibt, weigert sich, Gratiszeitungen mit Zeitungen, für die man bezahlen muss, zu vergleichen.

“Die gehören nicht in die gleiche Kategorie”, sagt er gegenüber swissinfo. “Die seriösen Zeitungen bieten viele Rubriken, Hintergrundberichte und vertiefende Artikel. Das fehlt im Kurzfutter der Gratisblätter.”

Für Weissberg ist es keine Überraschung, dass die Gratiszeitungen in grossen Agglomerationen gelesen werden, “denn sie sind ja gratis, aber doch komplett verschieden von dem, was wir machen”.

Frage des Formats und der Vorliebe für öffentlichen Verkehr

Für den Medienwissenschafter Roger Blum von der Universität Bern ist der Erfolg von “20 Minuten” das Resultat des Formates: “Es ist ganz auf die Pendler in den grossen Agglomerationen zugeschnitten”, sagt Blum gegenüber swissinfo.

“Wer darin liest”, so Blum, “erhält in Kurzform einen Überblick über das Geschehen in den vergangen 24 Stunden.”

Allerdings würden die Leute zusätzlich meist andere Zeitungen lesen, denn im Gratisblatt erhielten sie wenig lokale Informationen und auch kaum Rubriken zu Spezialgebieten.

In der Westschweiz gibt es keine Gratiszeitung wie “20 Minuten”. Warum das Format in der französischsprachigen Schweiz nicht existiert, hat für Blum einen einfachen Grund: “Die Welschen fahren viel mehr mit dem Auto zur Arbeit, die Deutschschweizer benutzen öfter den öffentlichen Verkehr.”

Blum könnte sich vorstellen, dass im Grossraum Lyon eine Gratiszeitung lanciert würde, die dann auch Genf und Lausanne erreichte.

Verluste in der Sonntagspresse

Die Sonntagspresse büsste leicht ein. Der Wert des Vorjahrs lag aber wegen der neu eingeführten “NZZ am Sonntag” relativ hoch. Gemäss WEMF haben die Deutschschweizer Sonntagszeitungen den Lesermarkt dennoch um 4% ausgeweitet.

Schweizers liebste Sonntagslektüre blieb nach wie vor der “SonntagsBlick” mit 977’000 Lesenden nach 998’000 im Vorjahr. Die “SonntagsZeitung” kam auf 790’000, der welsche “Matin dimanche” in seinem Sprachraum auf 601’000 und die “NZZ am Sonntag” auf 433’000 Leserinnen und Leser.

Grosse Lesergemeinde

Die Schweiz hat immer noch eine grosse Zeitungs- und Zeitschriftenleserschaft, wie die WEMF weiter ausweist. 97% lesen mindestens eine Zeitung, 94% lassen sich die Lektüre von Zeitschriften nicht entgehen.

In diesem Sektor der Printmedien legten 2003 die Fernseh-Zeitschriften zu, von denen sich 55% der Schweizerinnen und Schweizer bei der Programm-Wahl beraten lassen. Die Wirtschaftspresse stösst bei 22% auf Anklang, Frauenzeitschriften bei 24%.

“Ktipp” neu an vorderster Stelle

Bei den zu bezahlenden Zeitschriften vermochte erstmals das Konsumentenmagazin “Ktipp” den langjährigen Spitzenreiter “Beobachter” zu überholen. Zum “Ktipp” griffen in der Deutschschweiz 1,109 Mio. Menschen, zum “Beobachter” 1,09 Millionen.

Es folgen die “Schweizer Illustrierten” (1,04 Mio.). Das Politmagazin “Facts” kam auf 471’000 Lesende, rund 50’000 weniger als im Vorjahr.

Stark beachtet wurden auch die wöchentlich erscheinenden Konsumenten-Zeitungen der zwei Schweizer Grossverteiler: Die drei sprachregionalen Ausgaben der “Coop-Zeitung” fanden 3,21 Mio. Lesende, das dreisprachige “Migros-Magazin” 2,78 Millionen.

swissinfo und Agenturen

In der Schweiz lesen 97% der Leute mindestens eine Zeitung.
94% der Schweizerinnen und Schweizer lesen mindestens eine Zeitschrift.

Die meistgelesene Tageszeitung in der Schweiz ist das Gratisblatt “20 Minuten” mit einer Reichweite von 782’000 Lesern.

An der Spitze der “bezahlten” Tageszeitungen steht der “Blick” mit 736’000 Leserinnen und Lesern.

Am meisten Leser hat das (bezahlte) Konsumenten-Magazin “Ktipp” (1,109 Mio.).

Die meistgelesene Sonntagszeitung ist der “SonntagsBlick” (977’000).

Die Wochen-Zeitungen der Grossverteiler Migros und Coop (gratis) zählen mehrere Millionen Leserinnen und Leser und sind damit die meistgelesenen Blätter der Schweiz.

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