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Handy-Zigarre in der Stratosphäre

Nicht nur über der Schweiz sollen dereinst X-Stations geostationär in 21 km Höhe stehen. (stratxx.com) stratxx.com

Auf einen Streich will Kamal Alavi sämtliche terrestrischen Mobiltelefon-Antennen in der Schweiz durch ein stationäres Luftschiff in 21 Kilometer Höhe ersetzen.

Bereits arbeiten 50 Wissenschafter an der Realisierung dieses Projekts, das 2007 erstmals in der Praxis erprobt werden soll.

Mit seiner Idee und seiner Firma Stratxx könnte Kamal Alavi, der Schweizer Erfinder mit iranischen Wurzeln und ehemalige Raumfahrt-Ingenieur, die Mobiltelefonie, ja die gesamte Übertragung digitaler Daten auf den Kopf stellen, berichtete kürzlich “10 vor 10”, das Nachrichtenmagazin des Schweizer Fernsehens.

Lässt sich das Projekt tatsächlich realisieren, wird dereinst ein rund 60 Meter langes mit Helium gefülltes Luftschiff in 21 Kilometer Höhe über der Schweiz schweben. Daran befestigt ist ein unbemanntes Kleinflugzeug, das mit einer Mobiltelefonie-Antenne und anderen Geräten zur digitalen Datenübertragung ausgerüstet ist.

Ausgeklügelte Systeme

Dank einem von der Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich (ETH) entwickelten GPS-Steuerungssystem soll sich das Luftschiff immer über dem selben Flecken Erde halten. Um gegen die praktisch ständig wehenden Winde anzukämpfen, ist das von seinem Erfinder X-Station getaufte Luftvehikel mit grossen Propellern ausgerüstet. Solarzellen an der Oberfläche des Luftschiffs liefern die nötige Energie für Antenne und Kleinflugzeug-Antrieb.

Die Plattform mit den technischen Einrichtungen, Antennen usw. unter dem Luftschiff wurde von der RUAG konzipiert, dem grössten Luft- und Raumfahrtskonzern der Schweiz. Am Projekt sind neben der ETH, die neben dem GPS-System auch an der Hülle des Luftschiffes arbeitet, die EPF Lausanne und die Universität Neuenburg beteiligt. Involviert ist auch die EMPA, die Eidgenössische Materialprüfungsanstalt.

Ersatz für terrestrischen Antennenwald?

Mit der Handy-Antenne in der Stratosphäre könnte der ganze Mobilfunk-Antennenpark (rund 1000 Antennen) in der Schweiz auf einen Schlag ersetzt werden, sagen die Projekt-Verantwortlichen. Weiterer Vorteil: Mit dieser Technologie würde auch die Strahlung um den Faktor 1000 verringert.

“Auf der Erdoberfläche zu senden verursacht hohe Strahlung, weil man oft unzählige Gebäude durchdringen muss”, sagte Alavi gegenüber der ETH-Webzeitung. Aus der Höhe aber habe man zu praktisch jedem Ort Sichtverbindung.

Weiter liessen sich die Strahlen dank so genannter Spotbeam-Antennen, entwickelt von der EPF Lausanne, dem Bedarf anpassen. So sei die Strahlung in Gebieten, wo wenig telefoniert werde oder nur kleine Datenmengen verschickt werden, entsprechend gering.

Nicht ganz so euphorisch sieht das Sepp Huber vom Mediendienst der Swisscom, dem grössten Mobiltelefonie-Betreiber der Schweiz. Seiner Meinung nach sind da noch einige technische Probleme zu lösen: “Den heutigen Mobilfuink ersetzen kann das Projekt nicht”, so Huber gegenüber swissinfo.

Finanzielle Vorteile

Das Einsatzgebiet der X-Station beschränkt sich jedoch nicht nur auf die Weiterleitung von Handy-Signalen. Das Luftschiff in der Stratosphäre könnte gleichzeitig die ganze Schweiz mit digitalem Radio, TV, und Internet versorgen.

Sein Projekt sei eben nicht nur gut, sondern auch günstig, meint Alavi. Er veranschlagt für einen Stratosphären-Ballon rund 30 bis 40 Mio. Franken. Da aus Datensicherheits-Gründen zwei Luftschiffe in 21 Kilometern Höhe parkiert werden müssen, verdoppeln sich diese Kosten.

Zum Vergleich: Eine einzige Mobiltelefon-Antenne kommt die Betreiber auf rund 300’000 Franken zu stehen und ein Kommunikationssatellit ist nicht unter 600 Mio. Franken zu haben.

Einfache Wartung

Einen weiteren finanziellen und technologischen Vorteil sieht Alavi in der Wartung und Erneuerung des Systems. Im Fall eines Defektes lässt sich das Kleinflugzeug von der Ballonhülle abkoppeln und kehrt wie ein Miniatur-Space Shuttle zur Erde zurück.

Die Nutzungsdauer eines Ballons ist auf fünf Jahre ausgelegt. Alavi ist der Ansicht, dass dies genüge, denn dann sei die Technik sowieso bereits veraltet.

Endspurt

Das Projekt befindet sich nun in einer wichtigen Phase. Im Mai sind die Solarzellen in 30 Kilometer Höhe getestet worden. In wenigen Wochen soll auch zum ersten Mal ein Ballon in die Stratosphäre aufsteigen.

Und dann, im Juli 2007 soll der erste Test mit einem vollständigen System stattfinden. Die offensichtlich sehr gute Zusammenarbeit von Forschung und Industrie ist wahrscheinlich auch darin begründet, dass aus den USA und Japan Konkurrenz droht.

Sollte Stratxx sich durchsetzen, lockt ein gigantischer Markt. Zur Abdeckung Europas wären etwa 20 Systeme nötig, Afrika bräuchte deren 40. Bei 30-40 Mio. Franken pro Stück ein Milliardengeschäft.

swissinfo, Etienne Strebel

Kamal Alavis Stratxx ist nach eigenen Angaben die erste europäische Firma, welche mit einem Stratosphären-Projekt arbeitet.

Während sich die Zivilluftfahrt bis maximal 12 km Höhe bewegt, “steht” die X-Station auf 21 km. Sie befindet sich damit über dem Jet Stream (10 km), in einem Bereich mit relativ sanften Winden.

Satelliten werden in 500 bis 36’000 km Höhe stationiert.

Eine X-Station könnte ein Gebiet mit einem Durchmesser von 1000 km bedienen. X-Stations könnten auch untereinander Daten austauschen.

Weiter wären mit X-Stations auch Luftraum- und maritime Kontrollen durchführbar.

Die X-Station eignet sich für verschiedenste Einsatzgebiete:

LAN & WLAN
High Speed Data
WIFI (Wireless)
TV & TV on demand
Digital Radio
Video on demand
Interaktives Fernsehen
Mobil-Telefonie
Navigation
Überwachung

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