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Hans Stöckli, Biels heiterer Stadtpräsident

Hans Stöckli in seinem Büro. swissinfo.ch

Hans Stöckli ist seit 16 Jahren Chef der Exekutive von Biel im Kanton Bern. In dieser Zeit hat er der zweisprachigen Stadt, die von den 1970er-Jahren stark mitgenommen war, neuen Schwung gegeben.

Der Sozialdemokrat Stöckli ist auch Nationalrat. Und der lebhafte Mann stand bei der Organisation der Landesausstellung “Expo 02” mit an vorderster Front.

swissinfo: Hans Stöckli, was ist es, das Sie jeden Morgen von Neuem reizt, in dieser Stadt zu leben und zu arbeiten?

Hans Stöckli: Ich bin glücklich und stolz, Stadtpräsident von Biel zu sein. Davon träumte ich seit meiner Jugend.

Und Präsident der Exekutive zu sein, das ist, wie wenn man gleichzeitig dem Verwaltungsrat (strategische Politik) und der Direktion (Gesamtverwaltung) vorsteht. Ausserdem vertritt man die Stadt gegen aussen.

Biel ist die grösste zweisprachige Stadt des Landes. Sie liegt in einer wunderbaren Region, in der Ebene der drei Seen und nicht unweit der Berge. Die Stadt ist eine Brücke zwischen der Romandie und der Deutschschweiz, auf kantonaler wie auf nationaler Ebene.

Biel steht auch für Uhrenindustrie, Kommunikation und Sport. Heute befindet sich die Stadt mitten im Aufschwung, und sie hat noch viele Trümpfe auszuspielen. Ich möchte einfach ihre Entwicklung mit gestalten.

swissinfo: Welches Dossier macht Ihnen als Stadtpräsident am meisten zu schaffen?

H.S.: Mit den Finanzen läuft es gut, die Bevölkerung wächst, Lasten und Steuern nehmen ab und die Arbeitslosigkeit ist auf dem tiefsten Stand seit langem (3%). Es geht uns also ziemlich gut.

Nur eines macht mir grosse Sorgen. In dieser Periode des Wachstums haben wir nicht genug Arbeitskräfte, um die Nachfrage von Industrie und Handel zu befriedigen.

Und dies, obwohl die Anzahl jener nicht abnimmt, die Sozialhilfe beziehen, und viele Junge keine Stelle haben, weil sie den Kriterien der Arbeitsplätze nicht entsprechen.

swissinfo: Wie soll sich Ihre Stadt weiter entwickeln?

H.S.: Wir müssen die Entwicklung weiterführen und dabei das Erreichte festigen. Für das nächste Jahr sind die Prognosen recht gut, viele hier ansässige Unternehmen möchten sich vergrössern, andere möchten nach Biel kommen. Wir haben zum Glück noch recht viel Landreserven.

Konkret haben wir drei Entwicklungsbereiche. Wir haben mehrere Projekte für die Stadt, zwischen Bahnhof und See sowie beim Kongresshaus.

Etwas ausserhalb, im Gebiet von Boujean, werden wir die Arbeiten an einer Umfahrungsstrasse in Angriff nehmen, ausserdem haben wir ein grosses Projekt für den Bau eines Fussballstadions und einer Kunsteisbahn in öffentlich-privater Partnerschaft eingeleitet.

swissinfo: Finden Sie, dass die Frage der Städte und Agglomerationen bei den Eidgenössischen Parlamentswahlen 2007 thematisiert werden muss?

H.S.: Der Bund ist sich in den letzten Jahren endlich bewusst geworden, dass das Land nicht nur aus Kantonen, sondern auch aus Städten und Agglomerationen besteht.

Diese wurden von der Bundespolitik bisher nicht gerade verwöhnt. Sicher, der vom Parlament in der auswärtigen Session in Flims beschlossene Investitionsfonds wird mithelfen, die Probleme der Städte und Agglomerationen zu lindern.

Doch die Schweiz braucht starke Städte und Agglomerationen. Denn da findet die Entwicklung statt, da realisiert die Wirtschaft ihre Wertschöpfung und da ist die Kreativität konzentriert. Wenn wir deren Bedeutung und Einfluss unterschätzen, kommt das schliesslich das ganze Land teuer zu stehen.

swissinfo: Demografisch ist die Schweiz ein urbanes Land. Aber die politischen Entscheidungen werden unverhältnismässig stark von den Landgebieten beeinflusst. Sie stehen einer städtischen Behörde vor: Was muss ihrer Meinung nach ändern?

H.S.: Vor allem sollten alle, die einer Stadt vorstehen, auch im Bundesparlament sitzen. Nur so können wir den Einfluss der Städte verbessern. Leider stelle ich fest, dass ich im Parlament der einzige Stadtpräsident aus einer der zehn grossen Städte des Landes bin.

Auch sollte der Ständerat (kleine Parlamentskammer) anders zusammengesetzt sein, denn dort sind die Städte die grossen Verliererinnen.

Ein Genfer Ständerat hat gleich viel Gewicht wie ein Vertreter des Kantons Schwyz, unabhängig von der Anzahl Personen, die er vertritt. Dieses durch den Föderalismus entstandene Ungleichgewicht schadet eindeutig den Interessen der urbanen Schweiz.

Und schliesslich gibt es meiner Ansicht nach in der Schweiz zu viele Kantone. Auf Bundesebene hört man vor allem auf die Vertreterinnen und Vertreter der Kantone. Die Kantonsgrenzen sollten neu gezogen werden.

Ich weiss, dieser Vorschlag gefällt den Abgeordneten der kleinen Kantone nicht, aber die Schweiz ist reich genug, sie braucht nicht Teile ihres Territoriums zu vernachlässigen.

swissinfo-Interview, Mathias Froidevaux, Biel-Bienne
(Übertragen aus dem Französischen: Charlotte Egger)

In der Stadt Biel leben zur Zeit 50’300 Personen.
26% davon stammen aus dem Ausland (126 Nationalitäten, 63 Sprachen).
Biel hat eine Arbeitslosenquote von 3%, die tiefste der zehn grössten Schweizer Städte.
Die Bielerinnen und Bieler haben für 2007 ein ausgeglichenes Budget gutgeheissen: Ein- und Ausgaben belaufen sich auf 921,1 Mio. Fr.

Hans Stöckli kam am 12. April 1952 zur Welt. Er ist verheiratet und Vater dreier Kinder.

Stöckli stammt aus bescheidenen Verhältnissen, wurde zunächst Rechtsanwalt, dann Richter und 1990 zum Stadtpräsidenten von Biel gewählt (und ist auch Finanzdirektor).

Einmal (2000) war seine Wahl umstritten, er wurde aber im ersten Wahlgang wiedergewählt.

Seit 2004 sitzt der Sozialdemokrat auch im Nationalrat (grosse Parlamentskammer). Er ist Mitglied der Staatspolitischen Kommission (SPK) und der Kommission für öffentliche Bauten (KöB).

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