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Haute Couture am Weihnachtsbaum

In Johann Wanners Geschäft in Basel ist 365 Tage im Jahr Weihnachten. swissinfo.ch

Wenn Weihnachten näher kommt, steht der Schweizer Gestalter Johann Wanner beim Jet Set jeweils höher im Kurs als Giorgio Armani oder Calvin Klein.

Seine extravagant geschmückten Weihnachtsbäume zieren Chalets und Jachten der Reichen und Berühmten, Königshäuser, aber auch schon das Weisse Haus oder den St. Petersplatz in Rom.

“Ich bin ein Modeschöpfer, doch statt Mode für Frauen entwerfe ich Kleider für Weihnachtsbäume” sagt Wanner.

Die Bäume tragen handgefertigten und von Wanner und seinem Stab selbst entworfenen Schmuck. Jeden Frühling ruft der 66-jährige Designer sein Team zusammen, um die neue Kollektion für die nächste Weihnacht zu entwerfen.

“Eine Kollektion kann zum Beispiel ein theatralisches Motiv haben” erklärt er, während wir uns in seinem Geschäft in der Basler Altstadt umsehen. “In dem Fall sind alle Dekorationen von Dingen hergeleitet, die man in einem Theater antreffen würde”.

Buckingham Palace, Neverland Ranch

Wanners Kundschaft reicht von der reichen deutsche Familie, die einen Baum will, den sie das ganze Jahr hindurch präsentieren kann, bis zur Produktionsfirma, die für ihren im Wien des 19. Jahrhunderts spielenden Film das passende Dekor für eine Weihnachtsszene sucht.

Er nennt selbstverständlich keine Kundennamen, doch seine Weihnachts-Dekorationen und Bäume sollen auch schon die Räume des Buckingham Palasts und der Neverland Ranch von Michael Jackson geschmückt haben.

Um Metzgermeisters innigsten Weihnachtswunsch zu erfüllen hat Wanner Würste in einen Baum gehängt und für Liebhaber italienischer Kultur hat er auch schon “Spaghettibäume” gestaltet.

Anspruchsvoll

Viele seiner Bäume veredeln die Eingangshallen von Luxushotels und eleganten Warenhäusern, aber sein bisher anspruchsvollster Auftrag kam vom Vatikan.

Dabei, so Wanner, bestand die Herausforderung nicht in erster Linie darin, den 25 Meter hohen Baum für den Petersplatz zu dekorieren, sondern ihn zum Transport nach Rom auf einen Lastwagen zu verladen.

Er erinnert sich, wie sie die Tanne auf dem Lastwagen festzurren mussten, um zu verhindern, dass sie in den langen Alpentunneln auf dem Weg nach Italien zum Pfeifenputzer würde.

Zu seiner Berufung fand der Schweizer “Weihnachtsmann” vor 40 Jahren ziemlich zufällig.

Ein Kunde hatte einige seltene Christbaumkugeln in Wanners Antiquitätengeschäft entdeckt und sandte ihm kurze Zeit später aus seinem Keller einige grosse Schachteln mit Baumschmuck, für den er selbst seit längerer Zeit keine Verwendung mehr hatte.

Wanners Kunden stürzten sich auf den Schmuck und schon bald fand sich Wanner auf der Suche nach Glasbläsern, die noch in der Lage waren, Christbaumschmuck wie in der guten alten Zeit herzustellen.

Glasbläserei

Die von ihm geschürte Nachfrage half mit, die Heimindustrie der Glasbläser in Teilen Osteuropas neu zu beleben.

Wanner, mittlerweile ein weit herum gefragter Mann, entdeckte dabei sein eigenes Talent für die Gestaltung von Baumdekorationen und das schmücken von Bäumen.

Der silberfarbene RollsRoyce mit den “X-MAS”-Nummernschild, mit dem er zur Arbeit fährt, ist ein untrügliches Zeichen dafür, dass ihm Weihnachten all diese Jahre hindurch wohl bekommen ist.

Produktion in Billiglohn-Ländern

Um sich an der Spitze zu halten, hat er mehrere Kundschafter zum Aufspüren aktueller Modetrends eingestellt und seine Produktion in Billiglohnländer wie China und Vietnam verlegt.

Weihnachten ist für Wanner längst ein Ganzjahresgeschäft, doch am 24. Dezember nimmt er frei, damit er zu Hause seinen eigenen Baum schmücken kann.

“Ich habe eine ganze Sammlung von Baumschmuck und das älteste Stück habe ich damals im Kindergarten selbst gemacht – eine Schnecke auf einem Zapfen, rot mit weissen Tupfen”, erklärt er.

“Das Schmücken des eigenen Baumes darf ruhig einige Zeit in Anspruch nehmen.” Wenn man das richtig mache, so zelebriert man das.

“Bevor ich anfange öffne ich jeweils eine Flasche Wein und steck mir manchmal eine Zigarre an. Die Schmuckstücke sprechen zu mir, wenn ich sie auspacke; sie erzählen mir Geschichten, die ich beinahe schon vergessen hätte.”

Bereits als Kind habe er immer ein wohliges, warmes Gefühl für Weihnachten gehabt. “Und es macht mich glücklich, dass das noch immer so ist, sogar in meinem Alter.”

swissinfo, Dale Bechtel
(Übertragen aus dem Englischen: Rita Emch)

Man nimmt an, dass der immergrüne Tannenbaum in alten heidnischen Ritualen die Erneuerung des Lebens symbolisierte.
Der moderne Weihnachts-Brauch lässt sich in bis ins Deutschland des 16. Jahrhunderts zurückverfolgen.
Das früheste Zeugnis stammt aus dem Jahr 1570 und beschreibt einen Tannenbaum in Bremen, der mit Äpfeln, Nüssen, Datteln, Bretzeln und Papierblumen geschmückt ist.
In Berichten aus dem Basel des 16. Jahrhunderts – Wanners Heimatstadt – ist von Lehrlingen die Rede, die einen mit Äpfeln und Käse dekorierten Baum zur Schau tragen.

Der 66-jährige Johann Wanner gilt als weltweit führender Weihnachtsbaum-Schmücker und Hersteller von handgefertigtem Baumschmuck.
Er hat Weihnachtsbäume für das Weisse Haus und den Vatikan geschmückt und zu seiner exklusiven Kundschaft sollen Königshäuser und Hollywood-Stars gehören.
Wanners Hauptgeschäft befindet sich in der Basler Altstadt, wo er auch wohnt.

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