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Haute cuisine

Das Ehepaar Baumann, Gastschreiber der deutschsprachigen Redaktion. zvg

Die französische Kochkunst beansprucht seit Jahrhunderten die Führungsrolle in der Welt der Gastronomie. Ihre Vielfalt und das Nebeneinander von Haute Cuisine und ländlicher Kochtradition sind legendär.

Damit die lebendige, kreative Küche als Bestandteil der kulturellen französischen Identität der Nachwelt erhalten bleibt, fordern 3-Sterne-Köche in seltener Einigkeit, dass der kulinarische Reichtum des Landes dereinst im Unesco-Kulturerbe-Verzeichnis Aufnahme findet.

Nach zahlreichen Besuchen in sehr vielen und sehr unterschiedlichen Restaurants auf dem Land und in der Stadt fragen wir uns, weshalb sich der Mythos der französischen Küche so lange unbestritten und weltweit hat halten können.

Die Haute Cuisine ist schwer zu finden. Frankreich ist zu gross, als dass man schnell in einen der weit verstreuten Gourmet-Tempel fahren könnte. So bleibt, was früher dem königlichen Hof reserviert war, auch heute einer kleinen Schicht vorbehalten.

Schwer zu verdauen

Und was im Sternenhimmel der Spitzengastronomie so kunstvoll und wortreich zelebriert wird, hat in den vergangenen Jahren nicht die nötige Strahlkraft entwickelt, um die Speisezettel aller Gaststätten im ganzen Land erhellen zu können.

Die regionale Küche ist etwas zu gewaltig für heutige Mägen in untätigen Körpern. La Nouvelle Cuisine, die in den 70er-Jahren weniger Fett und mehlige Saucen, dafür mehr Gewürze und marktfrisches Gemüse versprach, hat sich selbst in teureren Restaurants nicht durchsetzen können. Gutes Essen ist leider in Frankreich noch allzu häufig identisch mit schwerem Essen

Viel Fleisch

In den durchschnittlichen Restaurants ist die Menukarte nicht sehr vielfältig. Nach Suppe und Salat mit Foie Gras, Rohschinken oder chèvre chaud wird vor allem viel Fleisch serviert. Neben dem obligaten kurz gebratenen und “bissfesten” Pfeffersteak je nach Gegend Entenbrust oder Lamm. Etwas wenig Sorgfalt geniesst die Gemüsebeilage.

Viel Herzlichkeit

Auch wenn das Essen nicht immer zu überzeugen vermag, die Gastfreundschaft tut es immer. Die Gäste werden freundlich empfangen und umsorgt. Dies gilt ganz besonders auch für bescheidene Lokale. Deshalb meiden wir nach einigen enttäuschenden Erfahrungen all die Schlösser und berühmten Häuser, wenn wir auswärts essen wollen, und fahren direkt zu einer Ferme Auberge, wo eine Bäuerin genau das kocht, was auch im teuren Restaurant serviert wird: viel Fleisch und wenig Drumherum. Dies aber zu einem wesentlich günstigeren Preis und begleitet mit viel herzlicher Aufmerksamkeit.

Die Rolle der Frau

Während über 50 Jahren hatten die Männer die Haute Cuisine für sich gepachtet. Die Frauen waren und sind zwar, wie überall auf der Welt, auch in Frankreich für die Bereitstellung der alltäglichen Nahrungsmittelaufnahme zuständig. Wenn es aber um die Zelebrierung der grossen französischen Kochtradition ging, blieben die Männer bisher unter sich. In diesem Jahr hat der Guide Michelin endlich wieder eine Frau in den 3-Sterne-Himmel gehievt. Anne-Sophie Pic hat geschafft, was seit 1951 keiner Französin mehr gelungen ist: Sie hat die Testesser überzeugen können, dass auch eine Frau gut kochen kann.

Es ist schon erstaunlich, wie hartnäckig sich im modernen Frankreich diese traditionelle Rollenteilung hat halten können.

Am Dorffest planen und organisieren die Frauen im Hintergrund. Sie bereiten alle Vorspeisen, Salate, Beilagen und Desserts zu. Derweil die Männer wichtig um den Grill herum stehen und sich für die paar kurz gebratenen Fleischstücke als grosse Chefköche feiern lassen.

Dies steht in krassem Widerspruch zur Bloggerszene. Die kulinarischen Blogs haben in Frankreich die höchsten Besucherzahlen. Und die werden zu 95% von Frauen geschrieben!

Aber vielleicht passt die Rollenteilung in der Haute Cuisine zu derjenigen in der hohen Politik. Auch hier hat sich das Männerreservat trotz einigen engagierten und kompetenten Frauen bisher fast ungebrochen halten können. Der Frauenanteil im Parlament beträgt gerade mal 12,2%. Damit figuriert Frankreich in der Weltrangliste weit abgeschlagen auf dem 86. Platz.

Es fragt sich, ob dieses Frankreich bereit ist für eine Präsidentin.

Ruedi und Stephanie Baumann

Die Meinung des Autorenpaars muss nicht mit jener von swissinfo übereinstimmen.

Stephanie Baumann, Jahrgang 1951, war Berner Kantonsrätin und Nationalrätin für die Sozialdemokraten. Zudem amtete sie als Verwaltungsrats-Präsidentin des Berner Inselspitals.

Ruedi Baumann, Jahrgang 1947, ist gelernter Bauer und Agronom. Er war Gemeinderat, Kantonsrat, Nationalrat und Präsident der Grünen Partei Schweiz.

Stefanie und Ruedi Baumann haben zwei Söhne. Die Familie bewirtschaftete 28 Jahre lang einen Bauernbetrieb in Suberg, im Berner Seeland, bevor sie im Jahr 2003 nach Frankreich auswanderte.

Heute leben die Baumanns in der Gascogne, 100 km westlich von Toulouse, und sind als Biobauern auf ihrem eigenen Hof tätig.

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