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Hürde um Hürde Richtung Weltklasse

Auf ihrem Weg an die Spitze ist Lisa Urech bei 12,84 angekommen. ti-press

Weltklasse Zürich geht am Donnerstag ohne die absoluten Topstars über die Bühne. Lisa Urech, die grosse Hoffnung der Schweizer Leichtathletik, kann an der Gala Anlauf nehmen für die EM 2014, die im Letzigrund stattfinden wird.

Sprintrakete Usain Bolt, Laufwunder Kenenisa Bekele sowie die Sprung-Diven Jelena Isinbajewa (Stab) und Blanka Vlasic (Hoch): Die Topstars der Leichtathletik müssen in Zürich passen. Sei es verletzungshalber, oder weil die Disziplin dieses Jahr nicht im Programm figuriert (Vlasic).

Aber auch ohne diese vier Glanzlichter gilt: Wo Weltklasse Zürich auf der Affiche steht, da ist auch Weltklasse drin resp. auf der Bahn im Zürcher Letzigrund.

Allen voran Bolt-Bezwinger Tyson Gay (zwar “nur” in der 4x100m-Staffel), die grazile Allyson Felix und der enigmatische Jeremy Wariner (je über die Bahnrunde) sowie Muskelmann David Oliver, der weltrekordverdächtige Hürdensprinter: Sie und zahlreiche weitere Ausnahmekönnerinnen und -könner werden die 26’000 Zuschauer im ausverkauften Haus in die legendäre Letzigrund-Hochstimmung versetzen.

Motto der diesjährigen Austragung: Zwei Wochen nach den Europameisterschaften treffen die Besten von Barcelona auf die Besten der Welt.

Mass nehmen an der Weltelite

Von der tollen Ambiance hoffen auch zwei junge Schweizerinnen zu profitieren, welche die Zukunft der Schweizer Leichtathletik verkörpern: Die 21-jährige Hürdensprinterin Lisa Urech und die ein Jahr ältere Weitspringerin Irene Pusterla.

Beide stiessen Mitte Juli an den Schweizer Meisterschaften in die erweiterte europäische Spitze vor: Die Tessinerin Pusterla verbesserte mit 6,76 den Jahrzehnte alten Rekord Meta Antenens, während sich die Langnauerin Urech mit 12,84 der Rekordmarke Julie Baumanns bis auf acht Hundertstel näherte.

Beiden gelang anschliessend an der EM in Barcelona die Bestätigung ihrer Exploits: Pusterla mit der zweitbesten Weite ihrer Karriere, Urech mit der Qualifikation für den Final. Dort belegte sie trotz nicht ganz wunschgemässem Rennen Platz 7.

Rahmenbedingungen optimal

Nun wollen beide im “Hexenkessel” Letzigrund zeigen, was in ihnen steckt. Die nächste Leistungsstufe lässt sich aber nicht einfach per Knopfdruck zünden, es bedarf optimaler Rahmenbedingungen. Dazu gehören ein frenetisches Publikum und ein Weltklassefeld. Beides ist im Letzigrund gegeben.

Da die EM erst ein paar Tage zurück liegt, sollte auch die Form immer noch stimmen. Dies gilt insbesondere für Lisa Urech. Sie lief vor wenigen Tagen in Nottwil mit 12,88 nur hauchdünn an ihrem persönlichen Rekord vorbei, und das in einem kleinen, aber feinen Feld von Weltklasseathletinnen.

Weil laut Prognosen am Donnerstagabend auch das Wetter mitspielen wird, ist der Aufsteigerin der Saison durchaus ein weiterer Coup zuzutrauen.

Die gebürtige Emmentalerin, die nun bei Bern lebt und viermal pro Monat in Stuttgart trainiert, kann vor dem ganz grossen, heimischen Publikum erstmals zeigen, was sie über die zehn Hindernisse von je 84 Zentimetern Höhe gegen die Weltbesten drauf hat.

Traum geht in Erfüllung

Mit dem Auftritt im Hauptfeld und vor voll besetzten Tribünen geht für Urech ein Traum in Erfüllung, nachdem sie im letzten Jahr noch im Vorprogramm gelaufen war. “Es ist für mich ein schönes Erlebnis, und ich möchte mein Bestes zeigen”, freut sie sich gegenüber swissinfo.ch.

Was die Zeit betrifft, hält sie den Ball bewusst flach, der Schweizer Rekord ist kein Thema – zumindest nicht gegen aussen. “Ich will noch einmal versuchen, gut zu laufen und unter 13,0 zu kommen”, sagt sie.

Unterschiedliche Physis

Während sich die Emmentalerin der Weltklasse Schritt um Schritt annähert, unterscheidet sie sich dennoch in einem – augenfälligen –Punkt von vielen ihrer Konkurrentinnen: Verglichen etwa mit der muskelbepackten Gail Devers, der langjährigen Dominatorin im Hürdensprint, nimmt sich Urech eher wie eine Ballerina aus.

Doch die quantitativen Muskel-“Defizite” steckt die 21-Jährige locker weg. “Ich bin zierlicher als andere, aber nicht unbedingt langsamer”, sagt sie selbstbewusst.

Vorgeschmack auf 2014

Das Rencontre auf der Letzigrundpiste bietet der 21-Jährigen einen ersten Vorgeschmack auf die EM, die dort in vier Jahren stattfindet. Sie soll zu einem Höhepunkt in Urechs Karriere werden.

“Natürlich kommt erst Olympia 2012, aber die Heim-EM 2014 hat schon ihren festen Platz in meinem Kopf”, sagt sie. Dannzumal will sie im Final das Potenzial voll ausschöpfen, das sie in Barcelona angedeutet hat. “Es ist ein grosser Traum, eine Medaille zu gewinnen”, verrät sie. Doch sei dies für sie noch viel zu weit weg.

Ihre volle Konzentration gilt dem Donnerstagabend. Glückt ihr der Lauf optimal, kann sie in die erweiterte Weltspitze vorstossen. Wer im EM-Final auch mit einem mittelprächtigen Lauf noch Siebte wird, wer in einem hervorragend besetzen Feld von Nottwil auf Platz drei läuft, ist dazu bestens gerüstet.

Renat Künzi und Isobel Leybold, swissinfo.ch, Bern und Zürich

Im Hinblick auf die Leichtathletik-Europameisterschaften 2014 in Zürich initiierte der Verband Swiss Athletics vor zwei Jahren das Förderprogramm Swiss Starters 2014.

Ziel ist es, am Grossanlass in vier Jahren im eigenen Land mit 30 Athletinnen und Athleten präsent zu sein. An der EM in Barcelona von Anfang August umfasste das Schweizer Team 22 Mitglieder, in Göteborg 2006 waren 18 Schweizer Athleten am Start gewesen.

Neben dem Verband spielen Weltklasse Zürich und Athletissima Lausanne in der Förderung eine wichtige Rolle.

Die Organisatoren der beiden Schweizer Diamond-League-Meetings arbeiten nicht nur eng zusammen, sie fungieren auch gemeinsam als Teilzeitarbeitgeber für Lisa Urech.

Mit Blick auf 2014 stockte die Grossbank UBS ihre Unterstützung sowohl für die beiden Meetings wie für den Verband auf.

Allein die Nachwuchsförderung lässt sich die Bank rund 1 Mio. Franken kosten.

Weltklasse Zürich ist der erste der beiden Finals der Diamond League.

Diese ist die Serie der 14 besten Meetings der Welt.

Mit der Meeting-Serie, welche 2010 die Golden League ablöste, will der Internationale Leichtathletikverband (IAAF) Leichtathletik auf Top-Niveau attraktiver und professioneller präsentieren, entsprechend der Champions League im Fussball.

Bei jedem Diamond-League-Meeting kommen 16 von insgesamt 32 Disziplinen zur Austragung.

Die drei Erstplatzierten gewinnen jeweils Punkte (4, 2, 1). Wer Ende Saison am meisten Zähler aufweist, ist Sieger des Diamond Race und gewinnt 40’000 Dollar.

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