Schweizer Perspektiven in 10 Sprachen

Städte fordern Mitsprache bei internationalen Verhandlungen

Grossstadt, Blick auf Strasse
Mehr Miteinbeziehung bei urbanen Themen bei der UNO, dafür setzen sich die Städte ein. Alamy Stock Photo

Bei der UNO haben Städte weniger Rechte als Nichtregierungsorganisationen. Doch auch die Städte wollen bei Themen, die sie betreffen, international mitreden und bringen sich verstärkt ein.

Städte sind wichtige Akteure. “Zahlreiche globale Fragen, von der Gesundheit über Menschenrechte, Migration bis zur Umwelt, verhandeln zwar die Staaten auf internationaler Ebene, viele Resultate werden jedoch lokal umgesetzt”, sagt Anh Thu Duong, Co-Direktorin des Global Cities HubExterner Link (GCH) in Genf.

Die Organisation wurde 2020 von der Stadt und dem Kanton Genf sowie vom Bund gegründet. “Wir wollten eine Struktur schaffen, welche Städte und Regionen mit dem internationalen Genf verknüpft.”

Auch das Schweizer Aussendepartement (EDA) sieht dies positiv. Lokale und regionale Regierungen könnten ihren Stimmen dank dem GCH mehr Gehör verschaffen, teilt das EDA auf Anfrage mit.

Die Städte sind dort von Bedeutung, wo sie in direktem Kontakt mit der Bevölkerung stehen. Mit Blick auf die Migration entscheiden die Regierungen, wer sich in einem Land aufhalten darf, aber die lokalen Behörden kümmern sich darum, die Menschen zu integrieren, sie sorgen für Unterkünfte und dafür, dass die Kinder zur Schule gehen können.

Zu globalen Themen wie Klimawandel oder Migration äussern sich Städte längst auch auf dem internationalen Parkett. Bei der UNO haben sie als subnationale Behörden aber – anders als Nichtregierungsorganisationen (NGOs) – keinen Konsultativstatus.

Mehr

Mehr

Newsletter

Melden Sie sich für unsere Newsletter an und Sie erhalten die Top-Geschichten von swissinfo.ch direkt in Ihre Mailbox.

Mehr Newsletter

Für mehr Geld, Autonomie und Kompetenzen

Städte vernetzen sich international in verschiedenen Organisationen. Doch an UNO-Verhandlungen kann selbst die Organisation United Cities and Local Governments (UCLG) mit weltweit 250’000 Mitglied-Städten nur als NGO teilnehmen.

“Wir sehen uns als Taskforce, die alle grossen Städtenetzwerke repräsentiert”, sagt Albert Llado, der bei UCLG für Politik und Partnerschaften zuständig ist.

Die UCLG beteiligt sich etwa am Nachhaltigkeitsforum (High Level Political Forum), das den Stand der Uno-Entwicklungsagenda 2030 überprüft. Aus Sicht der UCLG können die Entwicklungsziele nur erreicht werden, wenn sie lokal umgesetzt werden.

“Lokale Behörden müssen daher mehr Geld, mehr Autonomie und mehr Kompetenzen erhalten”, fordert Llado. Die Organisation pflegt vermehrt den Kontakt zu Regierungen.

Treffen von Stadtpräsident:innen mit den Umweltminister:innen verschiedener Staaten wie an der UNO-Klimakonferenz COP28 in Dubai sollen laut Llado institutionalisiert werden. Dadurch werde das multilaterale System inklusiver.

Sowohl die Genfer Organisation GCH als auch die UCLG plädieren für einen Konsultativstatus der Städte bei der UNO. Der Weg dahin ist allerdings nicht einfach, denn die UNO-Mitgliedstaaten müssten dazu eine Resolution aushandeln und verabschieden. Auf diese Weise war der Konsultativstatus der NGOs in den 1990er-Jahren eingeführt worden.

Leuchttafel mit Hinweis auf Mund Nasen Schutz in eienr Stadt
Städte waren bei der Umsetzung der Covid-Massnahmen stark gefordert. Keystone

Vorschläge für UNO-Abkommen liegen auf dem Tisch

Zurzeit verhandeln die Mitgliedstaaten der Weltgesundheitsorganisation WHO in Genf über einen Pandemievertrag. Der GCH nahm an jenen Sitzungen teil, die nicht nur für Regierungen offen waren.

“Wir erklärten zusammen mit einem Städtenetzwerk, dass die Städte während der Covid-Pandemie an vorderster Front waren”, führt Duong vom GCH aus. Die Städte hätten die Massnahmen umgesetzt, die Lockdowns, Schulschliessungen und die Impfkampagnen.

“Wir forderten daher, dass die Städte nun auch in den Verhandlungsprozess einbezogen werden, und reichten Vorschläge für das Abkommen ein.”

Für die Verhandlungen über ein UNO-Abkommen zur Plastikverschmutzung reichte der GCH ebenfalls Textvorschläge ein.

Weiter setzt sich der GCH dafür ein, dass Städte sich im UNO-Menschenrechtsrat an der regelmässigen Überprüfung der Menschenrechtslage von Staaten (Universal Periodic Review UPR) beteiligen können.

Die NGOs dürfen bei diesen Verfahren bereits ihre eigenen Berichte einreichen. Beim jüngsten UPR der Schweiz 2022 hat der Bund die Städte für seinen Staatenbericht zwar konsultiert, sie waren jedoch nicht in der Schweizer Delegation vertreten.

An UNO-Konferenzen allgemein zählten Schweizer Städte bisher nur selten zur Regierungsdelegation. Zu den Ausnahmen gehörte 2022 die Teilnahme des Gemeindeverbandes am Nachhaltigkeitsforum zur Uno-Agenda 2030.

Das EDA würde es begrüssen, dass die Städte oder Kantone eine freiwillige lokale Überprüfung der Umsetzung dieser Agenda durchführen. Sie können bei diesem Verfahren ihren Fortschritt bei den Entwicklungszielen feststellen.

Ein erster Erfolg für die Städte

International gibt es einen ersten Erfolg: Im Januar 2023 beschloss die UNO-Wirtschaftskommission für Europa (UNECE) in Genf, dass das Forum of Mayors eines seiner offiziellen Gremien werde.

Dort können Stadtpräsident:innen globale Fragen, die lokal umgesetzt werden, beraten und Empfehlungen an Regierungen richten. Es geht dabei etwa um nachhaltige Stadtentwicklung, Transport, schutzbedürftige Menschen oder Anpassung an den Klimawandel.

Ob die Städte einen eigenen konsultativen Status bei der UNO erhalten werden, ist offen. Offiziell beantragt haben sie dies bisher nicht. Rechtlich gesehen zählen Städte zu den Staaten.

Wenn sie jedoch mit ihrer Regierung weniger gut klarkommen, ist es für sie heute nicht leicht, sich in Verhandlungen über globale Themen einzubringen.

Zurzeit versuchen die Städte, ihren bestehenden Spielraum auszunutzen, und ihre verschiedenen Aktivitäten könnten den Boden für einen Antrag bereiten.

Ein Hindernis für einen eigenen Städte-Status bei der UNO ist, dass mehr Akteure Verhandlungen komplizierter machen. Das dürfte manche Staaten abschrecken.

Und obwohl die Städte nur einen konsultativen Status im Auge haben, können sich autokratische Regierungen dadurch in ihrer Macht bedroht fühlen.

Als Vorteil eines eigenen Status heben die Städte den gesamtgesellschaftlichen Ansatz bei Verhandlungen hervor. Städte hätten eine andere Sichtweise als nationale Regierungen, seien näher bei den Menschen und wüssten eher, was vor Ort geschehe, machen sie geltend. Ihre Mitsprache erlaube eine bessere Planung und erleichtere umsetzbare Massnahmen.

Städte gehen eigene Wege zur Integration von Migrant:innen und Geflüchteten. Ein paar Beispiele:

Mehr

Editiert von Benjamin von Wyl

In Übereinstimmung mit den JTI-Standards

Mehr: JTI-Zertifizierung von SWI swissinfo.ch

Einen Überblick über die laufenden Debatten mit unseren Journalisten finden Sie hier. Machen Sie mit!

Wenn Sie eine Debatte über ein in diesem Artikel angesprochenes Thema beginnen oder sachliche Fehler melden möchten, senden Sie uns bitte eine E-Mail an german@swissinfo.ch

SWI swissinfo.ch - Zweigniederlassung der Schweizerischen Radio- und Fernsehgesellschaft

SWI swissinfo.ch - Zweigniederlassung der Schweizerischen Radio- und Fernsehgesellschaft