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Ist Pop tot?

Die Chopfnickernacht 2002. m4music.ch

Hip-Hopper, Rockmusikerinnen, Elektroniker und DJs aus der Deutsch- und Westschweiz treffen sich zum M4Music-Festival.

Zürich wird damit dieses Wochenende zum Melting Pot des Schweizer Musikszene.

M4Music, das Popmusikfestival mit Tiefgang, findet bereits zum sechsten Mal statt. Auf dem Live-Programm stehen Konzerte der verschiedenen Kategorien Hip Hop, Rock, Songwriting und Urban (Electro).

Parallel dazu finden sogenannte Demotape Clinics statt, an denen junge Bands ihre Musik abspielen und von Experten aus Musikbranche und Radio beurteilen lassen können.

Gerade neben der Demotape Clinic wird eine Kontaktlounge eingerichtet, in der Exponenten von Plattenlabels und Musiker persönliche Kontakte in lockerer Atmosphäre knüpfen können. Gute Kontakte sind auch für Musiker die halbe Miete.

Plattform für junges Pop-Blut und Profis

Die Demotape Clinics richten sich vor allem an junge Bands und werden von den Organisatoren auch als Basisförderung bezeichnet. Mit dem Demotape-Date haben die Musiker ein fixes Ziel vor Augen und müssen in der Band zielgerichtet ihren Sound entwickeln. Zudem haben sie so die Gelegenheit, mit ihrem Sound einmal aus ihrem Übungskeller an die Öffentlichkeit zu treten.

Für die Live-Konzerte am Festival wurden Semi-Profis mit Potenzial eingeladen sowie Musiker, die reif für den grossen Durchbruch sind.

Sounds wider den Röstigraben

Das besondere am M4music Festival ist aber nicht nur das vielseitige Konzept, sondern auch die Mehrsprachigkeit. Ganz bewusst überschreiten die Organisatoren den Röstigraben, der gerade auch die Deutschschweizer und Westschweizer Musikszene bisher trennte.

Typischerweise war die “Schweizer Hitparade”, mit der die Jugend in der Deutschschweiz bis Ende des 20. Jahrundert aufwuchs, gar keine Schweizerische Verkaufsschlagerparade. Sie berücksichtigte allein die Verkäufe in der Deutschschweiz.

Kein Wunder, hatte man jenseits der Saane vom frankophonen Musikgeschmack bisher keine grosse Ahnung. Franzosenpopper Florent Pagny auf Platz 4? Den kenn ich nicht.

Mehr als ein Drittel der Bands und MCs, die am Zürcher Festival in den verschiedenen Kategorien auftreten, kommen aus der Westschweiz. Die Demotape-Clinics werden simultan übersetzt, in der Jury sitzen Vertreter aus beiden Landesteilen.

Den Hauptact am Samstag Abend bilden die Young Gods aus Genf. Mit ihrem sphärischen Sound waren sie für ihre Szene wegweisend, und seit Jahren in beiden Landesteilen bekannt. Das Tessin und das rätoromanische Graubünden sind nicht vertreten.

Chopfnickernacht

Das multifunktionale Festival wird am Freitag mit der “Chopfnickernacht” eröffnet; als Chopfnicker werden von den Organisatoren die Freunde der dumpfen Bässe und gefeilten Rhymes bezeichnet, die Hip-Hopper.

Hauptact sind hier die beiden Zürcher Lügner und Tisär von Paar@Ohre, die in ihrem Mundarsprechgesang auch politische Themen auf- und angreifen, zum Beispiel SVP-Parteiführer Christoph Blocher.

Pop und Politik

Dass Pop und Politik etwas mit einander zu tun haben, suggeriert auch das diesjährige kämpferische Festival-Motto “Pop not dead?”. Zwar geht es nicht um politische Strömungen, aber um kulturpolitische Entscheidungen: Nur einer der mehr als 30 Künstler, die am M4Music auftreten, wird in den Schweizer Radios gespielt, alle anderen werden ingoriert.

Die meisten Schweizer Radios – sowohl Privatsender wie das öffentlich-rechtliche DRS 3 – sind in den letzten Jahren vom grassierenden Hitradio-Virus angesteckt worden und spielen seither vornehmlich “die besten Hits der 80er, 90er und von heute”.

Hits sonst nix

Das junge Schweizer Musikschaffen, oder auch weniger eingängige Musik jenseits von DJ Bobo und der Boyband Plüsch, hat bei dieser Hit-Ausrichtung keinen Platz mehr im Äther. Gespielt werden Hits, sonst nix.

Gerade der öffentlich-rechtliche Sender DRS3, der einstmalige “staatlich bewilligte Störsender”, hat für seine fortschreitende Hitausrichtung im Musikprogramm viel Kritik geerntet.

Über das Radio wird auch am M4Music diskutiert, im vierten Programmteil des Festivals, den sogenannten “Conferences”. “My Radio Vision” heisst eine Diskussion, “No show on the radio” eine andere. Eingeladen zu diesen Konferenzen ist auch Andreas Schefer, der im April abtretende DRS3-Programmdirektor, der die “Hitradioisierung” bei DRS 3 im Jahr 1999 ein- und durchgeführt hat.

Wo liegt die Zukunft des Schweizer Radios, der musikalischen Radiokultur? Ist Pop tot? Diese Fragen werden am Festival in Zürich breit behandelt – und die Antwort auf die Frage des Festivalmottos vielseitig und lautstark gefeiert.

swissinfo, Anita Hugi

m4music – conference, demotape-clinic & live festival
Volkshaus Zürich, 11. und 12. April 2003

Die Schweizer Pop-Musikszene trifft sich im Volkshaus Zürich zum Erfahrungsaustausch und Ausloten von spannenden Bands.

300 Musikmanager, Musiker und Journalisten haben sich akkreditiert.

600 Newcomer haben ihre Unterlagen eingereicht.

Conference: Diskussionen mit Fachleuten und Szenekennern.

Demotape-Clinic: Spezialisten kommentieren öffentlich die Demos von Newcomern.

Live-Acts auf drei Bühnen u.a. mit The Young Gods aus Genf.

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