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Jubel und Unbehagen beim “Kuss der Spinnenfrau”

In St. Gallen setzt das Stadttheater seine Musical-Tradition mit "Kuss der Spinnenfrau" von John Kander und Fred Ebb fort. Die Premiere am Samstagabend (28.10.) wurde vom Publikum mit Jubel aufgenommen. Doch es bleiben Fragen.

Das Stück nach einem Roman von Manuel Puig spielt im überfüllten Gefängnis einer südamerikanischen Diktatur, in dem psychische und physische Folter zum Alltag gehören. Hier verbüsst der homosexuelle Molina eine Zuchthausstrafe wegen Verführung eines Minderjährigen; in der gleichen Zelle wird auch der Widerstandskämpfer Valentin eingekerkert.

Drei zentrale Figuren

Der langsame Wandel im Verhältnis der beiden Männer bildet den einen Strang der Geschichte; ein zweiter ergibt sich aus der Sehnsucht des einen nach seiner Mutter, des andern nach seiner heimlichen Geliebten.

Dritte zentrale Figur ist der Hollywood-Star Aurora, Molinas weibliches Idol seit Kindertagen. Sie lebt in seinen Träumen, sie fürchtet er in der Rolle der Spinnenfrau, deren Kuss tödlich ist. Und sie bietet in Traumszenen auch reichlich Gelegenheit zu.

Unbehagen bleibt

Doch bei aller Professionalität bleibt bei “Kuss der Spinnenfrau” ein Unbehagen über die Mixtur aus Rührstück, Revue und den düsteren Fakten. Vielleicht liessen sich die Traumszenen noch stärker absetzen, vielleicht wäre es möglich, die verschiedenen Ebenen deutlicher auseinander zu halten.

Die Grundfrage aber wäre damit nicht beantwortet, ob da nicht “mit Entsetzen Scherz getrieben” werde, ob diese Vermengung von schierer Unterhaltung und grauenvoller Realität (das überfüllte Gefängnis einer südamerikanischen Diktatur) überhaupt statthaft sei.

Auch wenn solches vor allem im Fernsehen längst zum Alltag des “Infotainement” gehört: temperamentvolle Revue-Einlagen zwischen Gefängnisgittern.

swissinfo und Agenturen

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