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Jugendliche sollen vermehrt musizieren

Kratzen erlaubt: Zwei Schüler bei ihren ersten Versuchen auf der Geige. Keystone

Jugendliche in der Schweiz sollen Musik nicht nur passiv konsumieren, sondern wieder vermehrt selber machen. Dies will die eidgenössische Volksinitiative "jugend + musik", die am Donnerstag lanciert wurde.

Bund und Kantone sollen laut Initianten musikalische Bildungsangebote verstärken, auch mit einem Verfassungsartikel. Sonst drohe eine kulturelle Verödung.

Der Taktstock zur Orchestrierung der Volksinitiative “jugend + musik” wird von höchster Hand geführt, denn Präsidentin des Initiativekomitees ist Nationalratspräsidentin Christine Egerszegi, in diesem Jahr höchste Schweizerin.

Mit musikalischer Bildung würden Fähigkeiten erworben, die über das Musizieren hinausgehen – wie Fleiss, Durchhaltewillen, Sozialkompetenz und Offenheit gegenüber Neuem, erklärte Egerszegi am Donnerstag bei der Lancierung des Begehrens.

Für alle Kinder

Die Musik-Ausbildung solle daher in der Verfassung verankert und gefördert werden, wie dies etwa beim Sport schon der Fall ist: Diesem ist ein eigener Verfassungsartikel (Art. 68 BV) gewidmet, und er wird durch “Jugend und Sport” unterstützt.

Alle Kinder müssten Zugang zu einem Grundangebot an Musik erhalten. Für besonders Musik-Interessierte müsse es entsprechende Weiterbildungsmöglichkeiten geben, forderte Egerszegi.

Wider den Irrtum

Für Hector Herzig, Präsident des Verbandes der Musikschulen Schweiz, will die Volksinitiative dazu beitragen, dass die Musik im gesamten Bildungsbereich Kultur den ihr gebührenden Platz erhält. Er warnte vor einer Erosion und Verödung der Kulturlandschaft Schweiz.

Dem müsse man mit einer gezielten Förderung von Musik und Kunst begegnen. Sie seien ideale Disziplinen, um Türen zu öffnen und die Verständigung zwischen Menschen zu fördern. “Ohne Musik wäre das Leben ein Irrtum”, zitierte Herzig den Philosophen Friedrich Nietzsche.

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Pädagogisches Stiefkind

Für den St. Galler Staatsrechtler Rainer Schweizer genügen die bestehenden Verfassungsgrundlagen nicht, um die Musikausbildung in der Schweiz angemessen zu fördern. Im 2006 geschaffenen Bildungsraum Schweiz könne Musik nicht mehr nur eine Aufgabe der Kantone ein.

Laut Schweizer muss der Bund Grundsätze aufstellen, ohne indes das Primat der Kantone im Bildungsbereich in Frage zu stellen.

Die Volksinitiative verlangt, dass Bund und Kantone die musikalische Bildung fördern. Ein neuer Verfassungsartikel (67a BV) fordert den Bund auf, Grundsätze für den Musikunterricht an Schulen, für den Zugang der Jugend zum Musizieren und für die Förderung musikalisch Begabter aufzustellen.

Qualität des Musikunterrichts heben

Der Artikel 67a schliesst nach Meinung der Initianten eine grosse Lücke in der schweizerischen Bildungs- und Kulturverfassung. Der Musikunterricht müsse die gleiche Qualität wie andere Unterrichtsfächer erhalten.

Zurzeit sei dies nicht der Fall. Beispielsweise sei an einigen Pädagogischen Hochschulen die musikalische Ausbildung nicht für alle angehenden Lehrer obligatorisch.

Musikschulen müssten als Bildungsinstitutionen anerkannt und in allen Kantonen in der Bildungsgesetzgebung verankert werden. Ferner bräuchten musikalisch Hochbegabte optimale Rahmenbedingungen. So könnten die Chancen der Schweizer Musiker im internationalen Bereich verbessert werden.

swissinfo und Agenturen

In der Schweiz sind hauptsächlich die Gemeinden und Kantone zuständig für die Bildung und damit auch für den Bereich Musik.

Laut der Bundesverfassung kann die Eidgenossenschaft jedoch “kulturelle Aktivitäten von nationalem Interesse unterstützen und den künstlerischen und musikalischen Ausdruck fördern, namentlich mittels Bildung”.

Im Kindergarten wird hauptsächlich auf musikalische und rhythmische Schulung, auf Kinderlieder und Reimspiele gesetzt. Die Wichtigkeit, die dem musikalischen Unterricht gegeben wird, hängt stark von den Lehrkräften ab.

In der Grund- und Mittelstufe sind eine bis zwei obligatorische Lektionen pro Woche für Musik eingeplant. In einigen Kantonen können zusätzlich freiwillige Lektionen besucht werden.

Nach der obligatorischen Schulzeit ist es in vielen Kantonen nur noch eine Lektion pro Woche.

Im Gegensatz zu den Gymnasien gibt es in den Berufsschulen keine obligatorische Musikschulung.

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