Schweizer Perspektiven in 10 Sprachen

Kein Rekordpreis für Hodler

Ausschnitt aus "Thunersee mit Niesen" von Ferdinand Hodler. Christie's

Ferdiand Hodlers Gemälde "Thunersee mit Niesen" ist an der Grossauktion von Christie's in New York für 4,2 Mio. Franken verkauft worden. Damit wurde der bisherige Hodler-Rekord nicht geschlagen.

Es ist das erste Mal, dass ein Werk Hodlers in der amerikanischen Metropole versteigert wurde – eine Ehre, die nur wenigen Schweizer Künstlern zuteil wurde.

Die Experten waren sich einig gewesen, dass sich Ferdinand Hodler in New York selbst übertreffen dürfte, wenn sein “Thunersee mit Niesen” an der bisher bedeutendsten Auktion in der Geschichte Christie’s zusammen mit zahlreichen Meisterwerken von Impressionisten und der Moderne unter den Hammer kommt.

Doch dazu kam es nicht. Hodlers “Niesen” blieb mit 4 Mio. Dollar (knapp 5 Mio. Franken) leicht unter den Erwartungen.

Das Bild des Berner Malers aus dem Jahr 1910 war vom Auktionshaus auf einen Wert von 5 bis 7 Mio. Franken geschätzt worden.

Es war dies das erste Mal, dass ein Werk des Schweizer Künstlers in New York versteigert wurde.

Würdigung für Hodler

Die Auktion in New York kam ein wenig einer posthumen Würdigung für Ferdinand Hodler gleich, fast 90 Jahre nach seinem Tod. Bisher landeten nur wenige schweizerische Kunstwerke bei Grossauktionen in den USA.

Aufmerksam auf Hodler wurden die US-Händler von Christie’s nicht zuletzt durch den Aufstieg des Berner Kunstmalers in den Reigen der “Millionärs-Artisten”, zu denen nur wenige Vertreter der Schweizer Kunst gehören, so etwa Paul Klee, Alberto Giacometti, Giovanni Giacometti und Félix Vallotton.

In den letzten Jahren sind tatsächlich verschiedene Werke von Ferdinand Hodler von grossen Auktionshäusern in der Schweiz zu Preisen von mehreren Mio. Franken verkauft worden, darunter die Gemälde “Am Genfersee” sowie “Eiger, Mönch und Jungfrau”, welche die 5-Millionen-Grenze fast streiften.

Das internationale Prestige des Berner Künstlers wurde ausserdem weiter erhöht durch den kürzlich erfolgten Kauf eines seiner Gemälde durch das Musée d’Orsay. Das renommierte Pariser Museum erwarb 2005 eines der bekannten “Holzfäller”-Gemälde Hodlers für “nur” 2,5 Mio. Franken.

Boomender Kunstmarkt

“Wir wollten in den USA ein Hodler-Gemälde versteigern, um dort das Interesse an der Schweizer Kunst wachzurufen, das in den letzten Jahren nicht sehr gross war”, erklärt Hans-Peter Keller, der das Bild selber nach New York begleitete.

Die Auktionen von Schweizer Kunstwerken der letzten Jahre in Zürich oder Genf haben zahlreiche Sammler aus Europa und Übersee angezogen. Dennoch bleibt der Marktwert von Schweizer Künstlern weit unter jenem der grossen Meister der modernen Kunst: In diesem Jahr sind einige Gemälde von Klimt, Picasso und Pollock für über 100 Mio. Franken verkauft worden. Klimts “Adele Blocher-Bauer II” erzielte nun in New York mit 88 Mio. Dollar den Rekord der Auktion.

“Der Kunstmarkt, der von der positiven internationalen wirtschaftlichen Entwicklung profitiert, erlebt seit zwei Jahren ein eindrückliches Wachstum. Viele Sammler profitieren von den äusserst hohen Preisen und verkaufen seltene Kunstwerke, die sie seit mehreren Jahren gehortet haben”, erklärt Keller.

“In der ganzen Geschichte von Christie’s haben wir noch nie derart hohe Preise gesehen wie an der Auktion in New York.” Mit fast einer halben Mrd. Dollar Umsatz ist die Versteigerung die teuerste Auktion aller Zeiten gewesen.

Wie Christie’s am Donnerstag mitteilte, wurde der bisherige Rekord fast verdoppelt: Seit 1990 hatte der Konkurrent Sotheby’s mit einem Abendumsatz von 286 Mio. Dollar die Hitliste angeführt.

Der Lieblingsberg

Der Niesen war eines der Lieblingssujets von Ferdinand Hodler. Nicht weniger als elf Versionen der fotogenen Bergpyramide am Thunersee erstellte der Berner Künstler, die für Generationen von Kunstmalern unsterblichen Ruhm erlangten.

Das 1910 gemalte Bild “Thunersee mit Niesen” war seit 1911 der Öffentlichkeit nie mehr zugänglich gewesen. Sein erster Käufer, der jüdische Geschäftsmann Ernst Flersheim, der 1944 in einem deutschen Konzentrationslager umgebracht wurde, hatte sich kurz vor Beginn des Zweiten Weltkrieges von seiner ganzen Kunstsammlung trennen müssen.

Hodlers Gemälde “Thunersee mit Niesen”, das auf der Liste der während dem Zweiten Weltkrieg geraubten oder verschwundenen Kunstwerke figurierte, tauchte erst in den 1980er-Jahren wieder auf und wurde vor wenigen Jahren der Familie Flersheim zurückgegeben.

Die Flersheim-Erben und der letzte Besitzer des Hodler-Gemäldes haben angekündigt, dass der Verkaufserlös des Gemäldes einer gemeinnützigen Stiftung zugute kommen soll.

Hodler bald in Zürich

Ein weiterer Hodler mit dem Titel “Der Niesen” wird am 19. März 2007 in Zürich einer der Höhepunkte der kommenden Auktion für Schweizer Kunst sein und mit einem Schätzwert von 800 000 bis 1,2 Mio. Franken ausgerufen.

swissinfo, Armando Mombelli
(Übertragung aus dem Italienischen: Jean-Michel Berthoud)

Vor wenigen Tagen wurde das Gemälde “No. 5, 1948” von Jackson Pollock für 175 Mio. Fr. verkauft und damit zum weltweit teuersten Werk.
Bislang hielt diesen Rekord Gustav Klimts Goldporträt “Adele Bloch-Bauer I”, das im Juni für gegen 170 Mio. Franken versteigert wurde.
Das bisher höchstdotierte Schweizer Kunstwerk ist die Figur “Grosse Frau” von Alberto Giacometti. Es wurde im Jahr 2000 für 25 Mio. Franken in New York gekauft.

Ferdinand Hodler wurde 1853 in Bern geboren. Zu malen begann er in einem Atelier in Thun, wo Serienbilder für britische Touristen verkauft wurden.

Hodler besuchte später die Kunstakademie in Genf, jener Stadt, in welcher er den grössten Teil seines Lebens verbrachte.

Der Berner Künstler wurde vor allem durch seine Gemälde über historische und mythische Sujets bekannt, aber auch für seine Landschaftsbilder.

Von seinen 700 Landschaftsbildern gehören jene der Berge im Berner Oberland, des Thuner- und des Genfersees zu den bekanntesten.

Ferdinand Hodler starb 1918 in Genf.

In Übereinstimmung mit den JTI-Standards

Mehr: JTI-Zertifizierung von SWI swissinfo.ch

Einen Überblick über die laufenden Debatten mit unseren Journalisten finden Sie hier. Machen Sie mit!

Wenn Sie eine Debatte über ein in diesem Artikel angesprochenes Thema beginnen oder sachliche Fehler melden möchten, senden Sie uns bitte eine E-Mail an german@swissinfo.ch

SWI swissinfo.ch - Zweigniederlassung der Schweizerischen Radio- und Fernsehgesellschaft

SWI swissinfo.ch - Zweigniederlassung der Schweizerischen Radio- und Fernsehgesellschaft