20 Jahre amtlich bewilligt
Am 1. November 1983 war es soweit. Erstmals durften private Radios offiziell auf Sendung gehen.
Was damals mit viel Begeisterung begann, ist heute an seine kommerziellen Grenzen gestossen. Hoffnungen auf eine grössere Medienvielfalt wurden nicht erfüllt.
Die 20 Schweizer Privatradios, welche die 20 Jahre bis heute überlebt haben, wurden kürzlich als «Radio of the Year» ausgezeichnet und durften von Alt-Bundesrat Leon Schlumpf eine Ehrenurkunde entgegen.
Schlumpf war damals Medienminister und hatte den Privaten Anfang der 80er Jahre die Konzessionen erteilt, die sie noch heute besitzen.
Radiopirat
Private Radiostationen waren in der Schweiz bis zu diesem Zeitpunkt untersagt. Einen Radio- oder Fernsehartikel gab es nicht. Die Einführung eines entsprechenden Artikels wurde vom Volk abgelehnt.
Erst «Radiopirat» Roger Schawinski brachte Bewegung in die Szene. Der Zürcher betrieb vom italienischen Pizzo Groppera, nahe der Schweizer Grenze, einen starken UKW-Sender, der in den Raum Zürich sendete.
Schawinski machte sich die italienischen Gesetze zu Nutze, die private Stationen erlaubten. Ein ständiges Hickhack zwischen den italienischen und schweizerischen Behörden führte dazu, dass «Radio 24» seinen Betrieb einstellen musste. Dann aber plötzlich wieder senden durfte, um erneut auf Druck der Schweiz seine Sendungen einzustellen.
Die harte Haltung der Schweiz führte zu einer wohl einzigartigen Mobilisierung: Tausende pilgerten nach Bern und übergaben dem Bundesrat die Petition «für ein freies Radio in der Schweiz». Die 212’000 Unterschriften waren in nur fünf Tagen zusammengekommen.
Die Regierung schickte daraufhin ein Gesetz in die Vernehmlassung. Die bürgerlichen Parteien forderten einen möglichst grossen Spielraum für die Privaten. Die Linke wollte erst eine Verfassungs- und Gesetzesgrundlage. Dieser Meinung war auch die Kirche.
Wenig Geld und viel Krampf
Am 1. November 1983 war es dann soweit. Die privaten Radiostationen, die vom Bundesrat eine Konzession erhalten hatten, gingen auf Sendung. Darunter war auch das nun legale Radio 24 in Zürich.
Schnell einmal aber wurde klar, dass in der neu kreierten Radiolandschaft die Spiesse ungleich verteilt waren.
Auf der einen Seite die privaten Lokalradios, die gemäss neuer Rundfunk-Verordnung durch Werbung finanziert werden durften, aber nur in einem genau definierten Senderadius zu empfangen waren.
Auf der anderen Seite die gebührenfinanzierten dritten Programme der Schweizerischen Radio- und Fernsehgesellschaft (SRG), die sprachnational sendeten: DRS 3, Couleur 3 und später Rete 3.
Verleger greifen zu
Radiowerbung war jedoch neu für die Schweiz und entsprechend skeptisch waren die Werber. Die meisten der Lokalradios gerieten deshalb schnell in finanzielle Schwierigkeiten und schauten sich nach potenten Geldgebern um.
Im Laufe der 80er Jahre wurden 17 der 20 grossen Privatradios von Verlagen übernommen. Dies war für die Privatradios aber nicht nur von Vorteil.
«Damit liess sich die Vision mit den Lokalradios als zweite Stimme der Schweiz nicht erfüllen», zieht Günter Heuberger, der Präsident des Verbandes Schweizer Privatradios, in der Zeitung «Bund» Bilanz.
Den Verlagen sei es primär um den Ausbau und Erhalt ihrer Werbemärkte gegangen. Um Werbung zu verkaufen, wurden die Hörerzahlen immer wichtiger. «Wenn man sich auf die Hörerzahlen konzentriert, geht das Publizistische drauf», so Heuberger.
«Mainstream»
Das Mediengesetz erwies sich schnell als zu restriktiv. 1991 wurde es revidiert und weiter liberalisiert. Die privaten Radiostationen blieben Lokalradios, ihre Senderadien wurden aber etwas erweitert.
Der Druck, mit einer Radiostation möglichst viele Hörerinnen und Hörer «zu holen», führte punkto Musik und Wortbeiträge zu einer Angleichung der Programme, zum so genannten «Mainstream». Praktisch sämtliche Radios senden heute den selben Musikteppich und kürzen, um Geld und Personal zu sparen, die Wortbeiträge.
Laut Heuberger sind 2002 die Privatradios mit 129 Mio. Franken über Werbung finanziert worden. 6,9 Mio. Franken hat der Bund aus dem Gebührensplitting (Gebührengelder der öffentlich rechtlichen SRG auch für private Stationen) beigetragen.
Heuberger schätzt die ungedeckten Kosten der Privaten auf 12,5 Mio. Franken. Nur die ganz grossen Stationen rentieren.
Uniforme Radiolandschaft
Im Kampf um die Hörer wurden die Privaten und die dritten Programme der SRG, trotz unterschiedlicher Rahmenbedingungen, einander immer ähnlicher.
«DRS 3 praktiziert im Zeitpunkt der Erhebung der Radiostationen (2003) eine weitgehend identische Programmstrategie», meint René Grossenbacher, Autor einer Studie zur Vielfalt in der Schweizer Radiolandschaft, in einem Artikel der NZZ.
Ende August 2003 sei zwar die Informationsleistung des gebührenfinanzierten SRG-Senders DRS 3 eine Spur reichhaltiger und seine Musik um eine Nuance weniger Hitparaden-lastig gewesen.
Sonst aber sei das Format des Senders, abgesehen von der Werbung und den Lokalnachrichten, von jenem der privaten kommerziellen Sender nicht zu unterscheiden, heisst es in der Studie.
swissinfo, Urs Maurer
Privatradios
Tagesreichweite: 51%
Marktanteil: 24%
Ergebnisse der Publicom-Studie 2003:
Die ersten Programme der SRG bringen im Informations-Bereich die «quantitativ und qualitativ» stärkste Leistung.
Die Privatradios tendieren bei intensivem Wettbewerb dazu, die Information auf ein Minimum zu reduzieren und mit Boulevard-Elementen anzureichern.
Bei einigen privaten Sendern komme die Information sogar auf weniger Sendezeit als die Werbespots.
Wettbewerb scheine im Bereich Information zu Quantitäts- und Qualitätseinbussen zu führen.
Das Musikangebot bezeichnet die Studie weitgehend als «uniform».
Die neun untersuchten Sender setzten auf bekannte englisch-sprachige Pop-Titel der letzten 20 Jahre.
Die Studie wurde vom Bundesamt für Kommunikation (BAKOM) mitfinanziert.
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