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Abschied aus der Isolation

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Die Schweiz wird Mitglied der UNO. Dieser Entscheid des Schweizer Stimmvolks ist auch in ausländischen Medien auf grosse Beachtung gestossen.

“Stepping Away From Isolation”, titelt die “New York Times”. Die Schweizer hätten beschlossen, die Jahrzehnte der Isolation hinter sich zu lassen.

“Swiss abandon isolation”, heisst es auch auf der Titelseite der “Herald Tribune”, während das “Wall Street Journal” eine ‘historische Abstimmung’ sieht. Nach 54 Jahren hätten die Schweizer Stimmberechtigten nun beschlossen, der UNO beizutreten. Bei der Abstimmung sei es auch darum gegangen, wie sich die Schweiz selbst definiere und wo sie ihren Platz in der Welt habe.

Die “Financial Times” spricht von einem ‘Wendepunkt’ in den Beziehungen der Schweiz zum Rest der Welt. Der Entscheid markiere ‘das Ende der eher kurios anmutenden Idee des ‘Sonderfalls Schweiz’.

Willkommen in der Welt

Unter dem Titel “Willkommen in der Welt” schreibt die “Süddeutsche Zeitung” in ihrem Kommentar: “Diese Entscheidung bedeutet, schon allein weil sie so knapp ausfiel, keine aussenpolitische ‘Öffnung’. Dahin ist der Weg noch lang, und unklar ist, ob ihn die Schweizer je beschreiten und ihr ‘Sonderfall’-Denken ablegen werden. Mit Mühe ist lediglich eine Blamage abgewendet worden, die das Ausland mit einigem Kopfschütteln quittiert hätte.”

Die “Frankfurter Allgemeine Zeitung” setzte die Abstimmung auf ihre Fronstseite. “Der Kalte Krieg ist endgültig Vergangenheit: Auch die Schweiz tritt den Vereinten Nationen bei”, schreibt der FAZ-Korrespondent.

“Das Image der Schweiz ist gerettet”, schreibt die Wiener Zeitung “Standard”. Die Wiener “Presse” sah einen “aussenpolitischen Schicksalsentscheid”.

Positiv für das Image

Auch in Italien verfolgten die Medien die Abstimmung in der Schweiz. Der Entscheid habe politisch keine ‘grossen Konsequenzen’, schreibt der “Corriere della Sera”. Positiv sei das Ja vor allem für das Image der Schweiz, das etwa wegen der Holocaust-Debatte gelitten habe.

Die Turiner Zeitung “La Stampa” schreibt von einer “historischen Wende” und die Römer “La Repubblica” titelt “Addio neutralità”.

Praktisch überall wird auf den knappen Ausgang der Abstimmung verwiesen: So schreibt der Pariser “Figaro” von einem “kleinen, fröstelnden Nein, ohne Atem”. Thematisiert werden auch die Unterschiede im Stimmverhalten in der Westschweiz und Teilen der Deutschschweiz.

Aber nicht nur in Europa und den USA stiess der Urnengang auf Beachtung. So schreibt das brasilianische Blatt “O Globo”, die Schweiz habe “nach 50 Jahren am Rande der Organisation, in der die wichtigsten Probleme der Welt zur Sprache kommen, endlich den Beitritt beschlossen”. Und “A Folha de São Paulo” schreibt, die Schweiz habe Abschied genommen von ihrer “historisch isolationistischen Position und der Neutralität in der Aussenpolitik”.

Das selbe Thema greift auch die in London ansässige arabische Zeitung “Al Hayat” auf: “Nach Jahrhunderten politischer Isolation stimmten die Schweizer (…) dem UNO-Beitritt zu – ein Schritt, der die vor Jahrhunderten angenommene Politik der Neutralität praktisch beendet.”

Ein kleiner Schritt für die UNO

Von den grossen Schweizer Zeitungen hatten sich im Vorfeld alle für einen UNO-Beitritt stark gemacht. Entsprechend gross die Freude. Der “Blick”: “Die Schweiz sagt Ja zur UNO. Wir sind dabei!”

“Le Temps” titelt: ‘Ein ganz kleiner Schritt für die UNO, ein grosser für die Schweiz.’

Kurz und bündig die “Tribune de Genève”: “C’est OUI.” Unter den grossen Lettern prangt eine Weltkugel – in die ein letzter Puzzleteil eingefügt wird. Es sei “das Ende einer Ära”, schreibt der “Tages-Anzeiger”.

Das knappe Nein erstaunt den TA nicht: “Die klassische Neutralität ist ein Teil unseres Selbstverständnisses geworden. Davon trennt man sich schwer. Entscheidend ist jedoch, dass gestern eine Mehrheit Ja gesagt hat zu der neuen Realität einer globalisierten Welt. Damit ist der Neutralitätsmythos gebrochen. Der Kalte Krieg ist auch in der Schweiz zu Ende.”

“Frischluft für die Schweiz”, wittert auch die “Basler Zeitung”. Allerdings macht dem Blatt der hohe Nein-Anteil Sorgen: “Im Hinblick auf die eidgenössischen Wahlen von 2003 könnte die Niederlage (…) der SVP Blochers sogar Auftrieb geben.”

Pragmatisch in die aussenpolitische Zukunft

Die “Neue Zürcher Zeitung” gibt zu bedenken: “Es ist sicher kein Ja der Begeisterung – bei diesem knappen Ausgang könnte man das wahrlich nicht sagen -, sondern ein solches der Vernunft.” Der Beitritt sei deshalb “keine Zeitenwende, sondern Einspuren in die Normalität”.

Vom “relativierten Sonderfall” ist in der “Aargauer Zeitung” die Rede. Dennoch lässt es sich das Blatt nicht nehmen zu jubeln: “Wir gehören, endlich, auch zum Rest der Welt.” Damit hat die Aargauer Zeitung ihre UNO-befürwortende Haltung beibehalten – der Ablehnung im eigenen Kanton zum Trotz.

Die Mühlen in der Schweizer Politik mahlten langsam, erinnert der Berner “Bund”: “Aber der politische Prozess ist nicht blockiert, auch wenn es angesichts der Polarisierung in der Bevölkerung und des Grabens zwischen Stadt und Land manchmal so aussah.”

Allerdings, gibt das Blatt weiter zu bedenken: “Das Ja zur UNO heisst nicht, dass die Schweiz auch bald bereit sein wird, der EU beizutreten.”

Auch die “Neue Luzerner Zeitung” betont nicht bloss, dass sich die Schweiz nun doch bewege. Sondern mahnt, in der Aussenpolitik ertrage es in der direkten Demokratie nur pragmatische Ansätze: “Euroturbos sind das Allerletzte, was wir jetzt brauchen.”

Rita Emch und Eva Herrmann

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