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“Am Anfang war das Wort”

Neugebautes Forum für Reflexion und Austausch: "In Progress". swissinfo.ch

Die Welt des bewegten Bildes hat viele Berührungspunkte mit anderen Ausdrucksformen und ist in ständigem Wandel. Damit beschäftigt sich am Filmfestival in Locarno "In Progress".

Eine geschwungene Holzbrücke verbindet neu das Fevi mit “la Sala” und “l’altra Sala”, den am weitesten vom Zentrum entfernten Vorführsälen des Filmfestivals von Locarno. In den zwei luftigen Räumen entlang der Brücke ist das Forum “In Progress” angesiedelt. Dies ist eine Neuheit: Hier wird diskutiert, getrunken und gefachsimpelt.

Zuerst ist da die Geschichte

Im Forum “In Progress” sollen Grenzen überschritten werden. Es gibt Diskussionen und Darbietungen, in denen die Beziehung des neuen Filmes zu verwandten Bereichen ausgelotet werden soll: zur Literatur, zur Musik, zur Malerei, zur bildenden Kunst, zur Architektur und zum Theater. Dieses Jahr kommt das Wort zu Wort.

Am Anfang eines jeden Films steht eine Geschichte. Das Festival will “die komplexe Beziehung zwischen Film und Literatur ausleuchten”. Dazu wurden Schriftstellerinnen und Schriftsteller eingeladen: die Inderinnen Anita Desai und Arundhati Roy, der Grieche Petro Markaris, der Brite Arnold Wesker, der Israeli Abraham Yeoshua sowie der Schweizer Martin Suter, der gegen Ende des Festivals auftritt.

Tabucchi: “Literatur hat von Film gelernt”

Den Auftakt machte an einem sonnigen Morgen der italienische Autor Antonio Tabucchi. Der Raum war voll, das Publikum aufmerksam, die Atmosphäre entspannt, als der Autor sagte: “Am Anfang war das Wort”. Das gesprochene Wort, das, einmal geschrieben, auf dem Papier einiges seiner Mehrschichtigkeit verliere.

Erst der Leser und die Leserin rufe erzählte und erlebte Geschichte wieder zu neuem Leben. Dieser Prozess passiere auch beim Film, so Tabucchi. Der Regisseur müsse Bilder erfinden zur Gestaltung der Erzählung.

Das filmische Erzählen wiederum habe die Literatur des 20. Jahrhunderts geprägt, meinte Tabucchi weiter. Beschreibendes komme viel weniger zum Zug als etwa in der romantischen Literatur. Es sei nicht nötig, den Leser ständig zu führen. In dessen innerer Welt gebe es genug Reize, die eine Verknüpfung der Argumente ermöglichten.

Ein Forum für die Videokunst

An den Enden der neuen Holzbrücke wurden zudem zwei geschlossene Boxen gebaut, in denen permanente Video-Installationen zu sehen sind. Vier Künstlerinnen und Künstler zeigen hier Werke zu den Themen Fussball und Geschlechterdifferenz.

Mentor dieser Kategorie ist Harald Szeemann, Ausstellungsmacher und Ex-Direktor der Biennale von Venedig. Er versteht seine Rolle als freundschaftlicher Berater, er sei “eine kleine Girlande” von “In Progress”. Er begrüsse es, dass sich das Festival der Videokunst öffne. “Man spricht immer davon, über Grenzen zu gehen, hier passiert es.”

Kathrin Boss Brawand, Locarno

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