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Die Schweiz will Wahrzeichen in Mailand verkaufen

Das Schweizer Zentrum im Herzen von Mailand an der Piazza Cavour. Keystone

Das Schweizer Zentrum von Mailand wird möglicherweise veräussert. Das Bundesamt für Bauten ist der Meinung, dass die grösste Immobilie des Bundes im Ausland nicht genug Rendite abwirft.

Die Idee stösst nicht nur bei der Schweizer Gemeinschaft in Mailand auf Unverständnis. Sie hat auch in der Schweiz eine heftige politische Debatte ausgelöst.

Seit über 50 Jahren steht das Centro Svizzero an der Piazza Cavour im Herzen von Mailand. Doch mit der Swissness des Gebäudekomplexes könnte es schon bald vorbei sein.

Die Eidgenossenschaft – genau genommen das Bundesamt für Bauten und Logistik (BBL) – möchte das Schweizer Zentrum verkaufen. Das BBL ist zuständig für den gesamten zivilen Immobilienbesitz des Bundes.

Die rund 15’000 Quadratmeter Nutzfläche des Centro Svizzero beherbergen im Vorderbau unter anderem das schweizerische Generalkonsulat, die schweizerische Handelskammer, die Niederlassung von Schweiz Tourismus, einen Ableger des Centro Culturale Svizzero (CCS), ein Studio des Schweizer Radio und Fernsehens italienischer Sprache (RTSI) sowie Räumlichkeiten des Schweizervereins Mailand.

Daneben gibt es Kongresssäle und ein Restaurant. Das Hochhaus ist knapp zur Hälfte an die Grossbank UBS vermietet, die daran interessiert ist, den gesamten Komplex zu kaufen.

Zu wenig rentabel?

Als Hauptgrund für die angestrebte Veräusserung wird eine zu geringe Rendite genannt. “Der Gebäudekomplex wirft schon etwas Profit ab, doch das BBL erachtet diesen als zu gering”, sagt Dieter Leutwyler, Sprecher des Eidgenössischen Finanzdepartements.

“Das Schweizer Zentrum in Mailand ist zudem ein Fremdkörper im Immobilienbesitz der Schweiz”, so Leutwyler. Zu diesem gehörten eigentlich nur Botschaften und diplomatische Vertretungen.

Ein Verkauf könnte einige Millionen Franken in die Kassen des Bundes spülen. Luca Minoli, Präsident der Verwaltungskommission des Zentrums, schätzt den Wert auf rund 200 Millionen Franken.

Ein Kristallisationspunkt

Nach einem Treffen vor einigen Tagen haben sich sämtliche in Mailand tätigen Schweizerischen Organisationen und der Dachverband der Schweizerischen Vereinigungen in Italien einstimmig gegen den Verkauf ausgesprochen. Eine Veräusserung stelle einen “grossen Fehler” dar. Ausserdem wird bestritten, dass die Gebäude nicht rentieren.

“Das Schweizer Zentrum in Mailand weist vor allem einen hohen symbolischen Wert auf”, betont Roberto Engeler, Präsident der Schweizerischen Vereinigungen in Italien. “Dieser Komplex ist der Kristallisationspunkt der Schweiz in Mailand. Jeder, der irgendwie mit der Schweiz in Kontakt treten will, weiss, dass er zur Piazza Cavour gehen muss.”

Laut Engeler stellt ein Verkauf zudem “eine Beleidigung” des Schweizervereins in Mailand dar. Dieser hatte seinerzeit das Terrain erworben und den Bau tatkräftig unterstützt. Engeler befürchtet, dass sich die Schweizer Organisationen schnell in alle Winde zerstreuen werden, wenn der Komplex erst einmal verkauft ist.

Ein politischer Fall

Auch in der Schweiz hat die Verkaufsabsicht einigen Wirbel ausgelöst. “Das Zentrum zu verkaufen, ist absurd, und stellt einmal mehr einen Sensibilitätsmangel Berns für bestimmte Anliegen dar”, sagte der Freisinnige Tessiner Ständerat Dick Marty der Tessiner Zeitung La Regione.

Diese Sichtweise teilen auch andere Politiker. Beispielsweise der Sozialdemokrat Alain Berset, Präsident der Kommission für öffentliche Bauten. Im Tages-Anzeiger meinte Berset, allein die Verkaufsabsicht sei schon ein negatives Signal.

Die Schweizerische Volkspartei findet es zwar richtig, dass der Bund nicht benötigte Bauten verkauft. Gleichwohl zeigt sich die Partei überrascht vom Agieren des Bundesamtes für Bauten und Logistik, das nicht einmal den Schweizerischen Generalkonsul in Mailand vorab informierte.

“Es gibt Orte, wo es nicht nur Sinn macht, sondern geradezu notwendig ist, präsent zu sein, Beziehungen zu pflegen und die Schweiz zu repräsentieren.”, schreibt Generalsekretär Gregor A. Rutz im Pressedienst der Partei.

Noch nichts entschieden

Unter rein juristischen Gesichtspunkten ist das BBL befugt, zivil genutzte Gebäude ohne den Segen des Finanzministers zu verkaufen. Nur wenn ein potentieller Konflikt mit anderen Departementen gegeben ist, muss der Finanzminister den Entscheid fällen.

Im vorliegenden Fall liegt ein solcher Konflikt vor, weil auch das Aussendepartement betroffen ist. Und dieses sträubt sich gegen einen Verkauf. “Es ist zu einer politischen Frage geworden”, räumt Dieter Leutwyler ein, “aber wir sind erst am Anfang der Diskussionen.”

Bei einem Treffen kamen Finanzminister Hans Rudolf Merz und BBL-Direktor Marchand überein, dass ein Verkauf des Zentrums nicht als einzige Alternative in Betracht komme.

swissinfo, Daniele Mariani
(Übertragung aus dem Italienischen: Gerhard Lob)

Die Einweihung des Centro Svizzero fand 1951 statt. Armin Meili, Direktor der Landesausstellung von 1939 in Zürich, hatte den Bau entworfen.

Der Bau des vorderen und niedrigeren Gebäudes begann 1949. Auf dem Terrain stand zuvor das Hotel Cavour.

1952 folgte die Einweihung des Hochhauses, das mit 20 Stockwerken und einer Höhe von 80 Metern bis 1960 das höchste Gebäude Mailands war. Dann wurde es vom Pirellone übertroffen.

Im Schweizer Zentrum waren immer schon die wichtigsten Schweizer Organisationen von Mailand vertreten. Darunter der Schweizerverein, der so einen neuen Sitz fand, nachdem 1943 der ehemalige Sitz in der via Disciplini bei einem Fliegerangriff zerstört worden war.

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