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Hinschied der schrulligen Frohnatur

Stephanie Glaser. Keystone

Für die Deutschschweizer Zeitungen ist der Tod von Stephanie Glaser ein grosser Verlust. Die Volksschauspielerin wird entsprechend gewürdigt.

“Eine widerborstige Frohnatur” titeln der Tages-Anzeiger und der Bund über die verstorbene Stephanie Glaser. Gradlinig und unkitschig sei sie einem vorgekommen, im Leben und in ihren Rollen. “Es war etwas frohgemut Stachliges und herzlich Unpathetisches um sie, einfach etwas Wahres, und das unterschied sie von anderen im komöidiantischen Volksschauspielerfach: Dass man bei ihr nie den Eindruck hatte, sie stehe neben sich; sondern immer das Gefühl (und geradezu die Gewissheit), da werde Charakterwahrheit künstlerisch genutzt.”

Der Tages-Anzeiger weist auch darauf hin, dass Stephanie Glaser nicht ganz das geworden war, was sie wollte. “Es war allerdings schon ihr frühes Schicksal, nicht ganz das zu werden, was sie werden wollte.” Eine zweite Greta Garbo, nämlich.

Freundschaft seit 1958

Im Blick verabschiedet sich der Volksschauspieler Jörg Schneider (75) von seiner Bühnen-Freundin Stephanie Glaser. Seit 1958 hätten sie einander gekannt. Die Schauspielerin habe sämtliche seiner Premieren besucht, am liebsten mit ihrem Mini, mit dem sie wie eine Wilde herumgeflitzt sei.

“Du warst so eine liebenswürdige Person mit einem ungeheuren Drive”, schreibt Schneider.

Die schrullige Tante Elise

“Manchmal denke ich mir, als junges Mädchen hätte es schon etwas zügiger gehen können”, habe sie in einem Rückblick auf ihr Leben anlässlich ihres 90. Geburtstags einmal ganz unsentimental erklärt, schreibt die Neue Zürcher Zeitung (NZZ), eine Karriere als Hollywood-Schauspielerin, das hätte ihr gefallen. Stattdessen sei Stephanie Glaser mit der schrulligen älteren Tante Elise und deren Goldfisch Traugottli der Publikumsliebling in der Spielshow Teleboy geworden. Die Rolle der pfiffigen, aber auch leicht verschrobenen Alten mit leichter Tendenz zur Verrücktheit sei ihr fortan in allen Schweizer TV-Serien sicher gewesen.

Mit dem Alter habe ihre Energie magisch zugenommen, meint die NZZ. Nach ihrer Rückkehr zum Film mit ihrer ersten Hauptrolle in den “Herbstzeitlosen” wurde sie vielfach geehrt. Angesprochen auf ihr Alter habe sie nur trocken erklärt, dass ihr der Beruf Spass mache: “Schauspielerei heisst weiterleben.”

“Schauspielerin, das langt”

Sterben sei nichts Schlimmes, habe Stephanie Glaser nach der Premiere der “Herbstzeitlosen” am Filmfestival Locarno gesagt, erinnert sich die Berner Zeitung (BZ), Traugottli, der Goldfisch, schwadere schliesslich auch schon lange im Himmel herum.

Während den Dreharbeiten zu ihrem letzten Film, “Mord hinterm Vorhang” von Sabine Boss, habe sie auf die Frage der BZ, ob sie sich als Star fühle, geantwortet: “Ach was, ich bin Schauspielerin, das langt.” Obwohl sie während der Aufnahmen Beschwerden gehabt habe, habe sie sich energisch gegen zuviel “bybääpele” gewehrt. Sie habe sogar noch Zukunftspläne gehabt, weiss die BZ, sie habe noch den neuen Bärengraben und das Klee-Museum besuchen wollen.

Altern positiv erlebt

Stephanie Glaser habe das Altern als positiv erlebt, resümiert die Basler Zeitung (BAZ) . Dazu habe sie auch allen Grund gehabt, schliesslich sei sie auf einer Erfolgswelle geritten, nach dem Film die “Herbstzeitlosen”.

Stephanie Glaser sei eine jener Allrounderinnen, von denen die Deutschschweiz im 20. Jahrhundert von Margrit Rainer bis Ines Torelli einige hervorgebracht habe. “Eingeschränkt durch die Kleinräumigkeit des Landesteils und den Dialekt blieb den Ausnahmetalenten die internationale Karriere versagt. “Glaser habe sich ohne Anflug von Bitterkeit damit abgefunden, schreibt die Baz. “Ich mache das, was ich kann, mit dem, was ich habe, dort, wo ich bin”, habe sie gesagt.

Späte Anerkennung

Auch die Sonntagspresse würdigt Stephanie Glaser. Sie sei wenige Tage vor ihrem Tod noch auf dem Zürcher Hauptbahnhof für einen kurzen Film eines wenig bekannten Regissuers vor der Kamera gestanden, schreibt die Sonntagszeitung. Sie habe oft gratis bei Filmen von Studenten mitgemacht, weiss das Blatt.

Die NZZ am Sonntag fasst es zusammen: “Sie hat die Schweizer Theater- und Filmszene über Jahrzehnte entscheidend geprägt.” Sie habe spät Anerkennung für eine grosse Karriere erhalten.

Zur Welt kam Stephanie Glaser im Jahr 1920 in Neuenburg. Ihre Eltern waren Hoteliers. In Bern wuchs sie auf, dort ging sie zur Schule.

1932 sprang der Funken vom Theater auf sie über. Sie schrieb sich mit dem Segen ihrer Eltern am Reinhardt- Seminar in Wien ein.

Dort lernte sie nicht nur die Schauspielerei, sie erlebte auch den Einmarsch Hitlers.

Nach dem Krieg landetet die Schauspielerin beim Cabaret Fédéral in Zürich und spielte in Gotthelf-Verfilmungen von Franz Schnyder mit. Zum Publikumsliebling avancierte sie erstmals 1974 bis 1981, als sie  in der Fernsehshow “Teleboy” von Kurt Felix auftrat.

Ende der 80er Jahre kehrte sie zum Film zurück. Sie spielte mit bei “Klassäzämekunft”, “Leo Sonnyboy”, “Sternenberg” oder “Mein Name ist Eugen” und – als Krönung – in Bettina Oberlis Kassenschlager “Die Herbstzeitlosen”.

2006 wurde sie mit dem Prix Walo ausgezeichnet. Im gleichen Jahr erhielt sie den Swiss Award in der Sparte Kultur und den Spezial- Leoparden beim Filmfestival Locarno.

“Alt werden heisst für mich nicht unbedingt, sich zur Ruhe zu setzen, rumsitzen”, hatte Stephanie Glauser erklärt. “Solange sie mich wollen und solange es geht, werde ich arbeiten. Weil es mir Freude macht.”

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