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Jean-Luc Godard ist 75 Jahre alt

Jean-Luc Godard. Keystone

Er gilt als der innovativste und auch provokativste Schweizer Filmer. Am Samstag ist Jean-Luc Godard 75 Jahre alt geworden.

Heute dreht er nur noch sproadisch Filme. Zur Zeit bereitet er aber eine Ausstellung vor, die im Frühjahr in Paris gezeigt werden soll.

Godard hat nie zu den Regisseuren gehört, die Trends oder Konventionen folgten. In seinem Werk verstiess der Mitbegründer der “Nouvelle vague” konsequent gegen übliche Regeln im Business.

Über neue eigene Filmprojekte ist zur Zeit nichts bekannt. Für 2006 ist nur der Episodenfilm “Paris je t’aime” mit Beiträgen von Woody Allen, Tom Tykwer, Sally Potter und Godard angekündigt.

Der bedeutendste Autorenfilmer, den die Schweiz je hervorgebracht hat, der jedoch meist für einen Franzosen gehalten wird, scheint sich langsam aus dem Kino zurückziehen.

Grossbürgerlich

Godard wurde am 3. Dezember 1930 in Paris geboren. Sein Schweizer Vater war Arzt in Nyon, seine französische Mutter stammte aus einer vermögenden Bankiersfamilie. Godard wuchs protestantisch erzogen in einer Villa in Nyon am Genfersee auf.

1959 drehte Godard seinen ersten Spielfilm “A bout de souffle”, der über Nacht zum Grosserfolg wurde. Der billig gemachte Film mit Jean-Paul Belmondo und Jean Seberg schockierte mit seinem radikalen Erzählstil und seiner völlig neuartigen Bildsprache. Noch heute wirkt die Mischung aus Liebesgeschichte und Thriller nach einem Drehbuch von François Truffaut vergleichsweise frisch und modern.

Bis 1968 entstanden nicht weniger als 17 Filme. Wichtige Arbeiten sind etwa “Une femme est une femme», “Vivre sa vie” oder “Pierrot le fou”, alle mit der Dänin Anna Karina in der Hauptrolle, die Godard 1961 geheiratet hatte.

Neue Filmsemantik

Immer wieder thematisiert Godard in seinen Filmen das Filmemachen selbst. Er wendet sich mit und in seinen Filmen radikal gegen das traditionelle Kino – auf der formalen Ebene, aber auch mit Zitaten aus der Literatur und der Kinogeschichte.

Ab 1973 beginnt sich Godard intensiv mit dem Medium Video zu beschäftigen und experimentiert mit neuen Filmtechniken. Sein Film “Numéro deux” ist das erste Video, das auf Filmmaterial umkopiert in die Kinos kam.

Es entstehen aber auch weitere Kinofilme, von denen etwa seine Carmen-Version “Prénom Carmen” wieder erfolgreich im Kino laufen. Das gilt auch für die theologische Studie “Je vous salue, Marie”. Der Film wurde vom Vatikan als blasphemisch bezeichnet und kam in einigen Ländern auf den Index.

Unverständnis

Godards unermüdliches Filmschaffen mit insgesamt über 35 Kinofilmen sowie weit über 50 Dokumentationen und Videoarbeiten gab Anlass zu zahlreichen Publikationen und Auseinandersetzungen mit seinem Werk.

Typisch für Godards Werk ist das Durchbrechen der Filmrealität durch dokumentarische Aspekte oder durch unvermittelte Musik- oder Text-Einlagen. Sein Publikum stellte er mit seiner Konsequenz, seiner Kompromisslosigkeit teilweise auf eine harte Probe.

So stiessen seine Filme denn auch oft auf Unverständnis. Godard selber hat durch seine Wortkargheit, seinen Zynismus und oft mehrdeutige Aussagen gegenüber der Öffentlichkeit nicht gerade zum besseren Verständnis seines Schaffens beigetragen.

Gleichzeitig fühlte er sich von den Medien oft unverstanden. Berühmt wurde sein Satz: “Man hat mir nie vorgeworfen: Sie machen linke Filme oder sie machen rechte Filme; der einzige Vorwurf, der mir je gemacht wurde, war: Was Sie machen, das ist kein Film.”

“Archéologie du cinéma”

Zur Zeit bereitet Godard eine Ausstellung vor: “Collage(s) de France: une archéologie du cinéma d’après JLG”.

Es handelt sich nicht um eine Retrospektive, sondern um ein “Oeuvre totale”, das in neun Sälen und auf 1150m2 stattfinden soll, wie es im Centre Pompidou in Paris heisst. Eröffnet werden soll die Ausstellung am 26. April 2006.

Ursprünglich hatte die Schau schon dieses Jahr stattfinden und neun Monate dauern sollen. Jetzt wird sie bis zum 14. August 2006 zu sehen sein. Sowohl Godard wie das Museum wollten auf Anfrage nichts Konkretes über die Ausstellung sagen.

swissinfo und Agenturen

Jean-Luc Godard wurde am 3. Dezember 1930 in Paris geboren.

Sein Vater war Schweizer, die Mutter Französin.

Mit “Le Mépris” und den folgenden Filmen legt er den Grundstein der “Nouvelle vague”.

Seit den 1980er-Jahren waren seine Werke keine Kassenerfolge mehr, was ihn nicht daran hinderte, weitere Filme zu drehen.

Die “Nouvelle vague”, zu deren Mitbegründern Godard gehört, bezeichnet eine filmästhetische Bewegung gegen Ende der 1950er-Jahre, die radikal mit dem konventionellen Erzählstil brach und nach neuen Formen der filmischen Gestaltung suchte.

Die wichtigsten Regisseure der “Nouvelle vague” sind neben Godard François Truffaut, Claude Chabrol, Jacques Rivette und Eric Rohmer.

Der Durchbruch der “Nouvelle vague” kam 1959 am Filmfestival von Cannes, als François Truffaut “Les quatre cents coups” und Godard “A bout de souffle” zeigten.

Gemeinsamer Nenner der neuen Regisseure waren der persönliche unkonventionelle Stil eines Jeden sowie ihre Vorliebe für oft improvisierte Dreharbeiten.

Als einziger hat sich aber Godard auch in späteren Jahren immer wieder selber in Frage gestellt und ist zum konsequent innovativen Filmemacher geworden.

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