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Kein Heidi an der Weltausstellung in Japan

VIP-Besucher stehen bereits jetzt vor dem Swiss Pavillon in Aichi Schlange. swissinfo.ch

Heidi, von dem jeder Japaner weiss, dass es aus der Schweiz kommt, wurde im wahrsten Sinne aus dem Swiss Pavillon der Expo verbannt.

Stattdessen soll auf der Ausstellungs-Fläche gezeigt werden, dass das Alpenland mehr als Uhren, Schokolade und schneebedeckte Berggipfel zu bieten hat.

Die Gestalter des Schweizer Pavillons in Japan verzichten nicht vollständig auf die bekannten Klischees. Das Ausstellungs-Gelände ist als imaginärer Gebirgszug angelegt. Der Vollständigkeit halber sogar mit einer Gipfelplattform, von der aus die Gäste Souvenir-Schnappschüsse tätigen können.

Von der Plattform aus sieht man einen weit entfernten Gipfel, dessen Form doch sehr an das Matterhorn erinnert. Untermalt wird dieser Ausblick von Kuhglocken-Geläute, das Lautsprecher im Bauch des Bergs erschallen lassen.

Rösti und Einstein

Ein neben dem Pavillon liegendes Restaurant bietet Rösti, Raclette und Birchermüesli an.

Während die Aussenansicht des Pavillions für die Tausenden von Besucherinnen und Besucher, die erwartet werden, bekannt riechen und aussehen dürfte, könnte er im Innern unterschiedlicher nicht sein.

Am Eingang des Pavillons erhält jeder Besucher eine originale “Swiss Army”- Taschenlampe. Dann wird er in einen schwach beleuchteten Vorraum gelassen, wo sich ein Doppeltor öffnet und dem Besucher den Weg ins fast vollständige Dunkel freigibt.

Die Taschenlampe erhellt den Weg zur Ausstellung. Zudem dient sie als Ton-Führer und beschreibt die Ausstellungs-Objekte.

Schweiz als Land der Vielfalt

“Die Idee besteht darin, dass man sich hinein begibt und eine andere Seite der Schweiz erblickt”, sagt der Architekt Andreas Reuter. “Wir möchten den Leuten zeigen, dass das Land viel mehr hergibt als das, was man von blossem Auge erblickt.”

Man wolle die Vielfalt der Schweiz aufzeigen, sagt Juri Steiner, der Kurator des Pavillons, gegenüber swissinfo. “Wir sammelten das Ausstellungs-Material während einer Reise durch die Schweiz und kontaktierten weit über hundert Institutionen, Museen und Personen.”

Das Resultat ist ein Pavillon, der lose unterteilt ist in eine Reihe von Besichtigungs-Zonen, die in der Vergangenheit beginnen, zu Schweizer Mythologie und Naturthemen führen und bei bekannten Schweizer Wissenschaftlern, Erfindern und Abenteurern enden.

Holzhunde und Einsteins Original-Pass

Tierpräparatoren werden enttäuscht sein, wenn sie feststellen, dass der lebensgrosse Barry aus Holz besteht und nicht ausgestopft ist. Barry ist der legendäre Bernhardiner-Hund, der mehr als 40 Menschen aus Lawinen gerettet haben soll.

Zu sehen sind aber auch Original-Gegenstände. So zum Beispiel der Skihelm, den Bernhard Russi trug, als er 1972 an den Olympischen Winterspielen in Sapporo Gold holte.

Als weitere prominente Schweizer sind der Astronaut Claude Nicollier, der Abenteurer Bernard Piccard und Ernesto Bertarelli zu sehen – der begüterte Industrielle und Multimillionär, der das Schweizer Alinghi Segelteam finanzierte, das den Americas Cup gewann.

Schweizer Pass und Gletschermumien

Einer der kostbarsten Ausstellungs-Artikel ist Albert Einsteins Schweizer Pass, der den Ehrenplatz im Bereich der Wissenschaften einnimmt.

“Wir möchten den Leuten beibringen, dass Einstein zumindest für einen bestimmten Abschnitt seines Lebens Schweizer Bürger war”, sagt Steiner. “Die einzige Möglichkeit, seinen Pass zu sehen, ist hier im Pavillon.”

Die Organisatoren gehen mit dem Dokument sehr vorsichtig um. Jeden Abend wird es in einen Safe im Hinterbüro in Sicherheit gebracht.

Ein weiterer Teil des Pavillons heisst “Risiko und Vorsicht” und stellt Objekte aus, die mit dem Schlüsselthema der Expo 2005 in Beziehung stehen: Die “Weisheit der Natur”.

Die Heckflosse eines Flugzeugs, das während des berüchtigten Lothar-Sturms vor fünf Jahren zerstört wurde, ist neben einem makabren Exponat ausgestellt: Die 300-jährigen sterblichen Überreste einer englischen Touristin, die in den Schweizer Bergen in einer Gletscherspalte zu Tode fiel.

“Wir stellen ihr Haar und ihre Knochen als Teil dieser Expo aus”, sagt Steiner.

Nach diesen Szenen der Zerstörung gelangt der Besucher in jenen Ausstellungsteil, der die modernen Schweizer Forschungs- und Innovations-Bemühungen zur Schau stellt.

Roboter und dreidimensinonale Buddhas

So ist ein mit Preisen ausgezeichneter Roboter zu sehen, der teilgelähmten oder von Schlaganfällen gekennzeichneten Patienten hilft, wieder gehen zu lernen.

Auf einem Display daneben ist die dreidimensionale Rekonstruktion der afghanischen Buddhas zu sehen, die von den Talibans zerstört wurden. Die Rekonstruktion stammt von Schweizer Wissenschaftlern.

Am Ende dieser Pavillon-Besichtigung gelangen die Besucher durch Drehtüren aus dem Dunkel der Ausstellung zurück zum Gipfel der Expo-Bergkette.

Was dann einer ziemlich abrupten Rückkehr zu den helvetischen Stereotypen gleichkommt. Dort drängeln sich kleine Besuchergruppen, um vor dem künstlichen Alpenpanorama abgelichtet zu werden.

“Wir hoffen, dass die Besucher am Ende ihrer Besichtigung überrascht werden und sich mit dem auseinandersetzen, was sie gesehen haben”, sagt Manuel Salchli, Direktor des Schweizer Pavillons.

Visionen auch ohne Heidi

Einwände, wonach Leute den Pavillon enttäuscht verlassen könnten, weil die Vision der Schweiz des 21. Jahrhunderts ohne Heidi auskommt, lässt Salchli nicht gelten.

“Erstens ist Heidi hier, in unserem Restaurant, wo die Besucher Heidis Lieblings-Menu bestellen können.”

“Und zweitens werde ich allen, die mich fragen sollten, wo Heidi und die Schweizer Kühe geblieben sind, antworten: Kommen Sie doch zu uns in die Schweiz, dort werden Sie sie finden!”

swissinfo, Ramsey Zarifeh in Aichi, Japan
(Übertragen aus dem Englischen: Alexander Künzle)

Der Schweizer Pavillon, der 15 Mio. Franken gekostet hat, ist in verschiedene separate Zonen aufgeteilt: “Schweizer Mythen”, “Visionen”, “Risiko und Vorsicht” und “Höhen der Wissenschaft”.
Zu sehen sind eine Frühversion der Jacht des Alinghi Segelteams und eine Modellversion des Heissluft-Ballons, den der Schweizer Abenteurer Bertrands Piccard benutzte, um die Welt zu umfliegen.
Die Organisatoren gehen davon aus, dass bis 10% der rund 15 Millionen erwarteten Expo-Besucher auch den Schweizer Pavillon besichtigen werden.
Die Expo 2005 dauert sechs Monate.

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