Schweizer Perspektiven in 10 Sprachen

Preisgekrönte Pipilotti Rist

Pipilotti Rist im Jahre 2000 vor einer ihrer Installationen am New Yorker Times Square. Keystone Archive

Pipilotti Rist gehört zu den schillerndsten Erscheinungen der Schweizer Kunstszene. Ihre Bekanntheit reicht weit über die Grenzen der Schweiz hinaus.

Am Montag erhielt die 39jährige Video-Künstlerin den Kunstpreis der Stadt Zürich 2001. Bice Curiger, Kuratorin im Kunsthaus Zürich, bezeichnete Pipilotti Rist in ihrer Laudatio als eine mit “aussergewöhnlichen Kräften ausgestattete Künstlerin. … Pipilotti Rist hebt die Schwerkraft auf, macht aus Festem Flüssiges, verkehrt Negatives in Positives, Kaltes in Warmes.”

Bice Curiger kam weiter auf die Zeit von Pipilotti Rist als künstlerische Leiterin der Expo 2001 zu sprechen. Die Art und Weise wie sie diese Rolle gemeistert habe, habe bewiesen, dass es ihr nicht um “… die Ästhetisierung der Politik … ging.

“Pipilotti Rist agiert niemals aus dem Besserwissen heraus, sie ist nicht Predigerin, nicht Politikerin. Sie ist und bleibt immer eine Künstlerin. Aber eine, die aussergewöhnlich viel Mut und Kraft einsetzt, den Anspruch der Kunst, gesellschaftlich relevant zu sein, auch wirksam umzusetzen und dabei alle leeren Formrituale, alle Klischees und Konventionen weit hinter sich gelassen hat.”

Stadtpräsident Josef Estermann sagte in seiner Laudatio, Pippilotti Rist habe mitgeholfen, das Private gesellschaftlich zu rehabilitieren. Die Künstlerin habe der Wirklichkeit, welche von Zwängen beherrscht werde, Bilder der Freiheit entgegengesetzt, die das Recht auf Leben und Lebenslust reklamierten.

Konstanter Aufstieg

Pipilotti Rist hat in den vergangenen Jahren internationale Bekanntheit erreicht. In der Schweiz wurde sie 1997 mit ihrer Ernennung zur künstlerischen Leiterin der Expo 2001 einem breiten Publikum zum Begriff. Während ihr Ruhm im Ausland stetig wächst, wird sie in der Schweiz auch heute noch oft als gescheiterte “directrice artistique” einer gescheiterten Ausstellung wahrgenommen.

Einem grösseren Publikum bekannt wurde Pipilotti Rist seit Beginn der 90er Jahre. Es folgten immer mehr Gruppen- und Einzelausstellungen im In- und Ausland, darunter die Biennalen von 1997 in Venedig und Istanbul. Heute gehört Pipilotti Rist zur Elite der neuen Kunstszene der Schweiz.

Markenzeichen: Lust und Sinnlichkeit

Ihre Unbekümmertheit und ihr spielerischer Umgang mit der Kunst und dem Kunstbetrieb wurden zu Markenzeichen von Pipilotti Rist, derenWerk zugleich intelligent und kitschig, anspruchsvoll und lustbetont ist. Prägende Elemente der Arbeit der erklärten Feministin sind menschliche Empfindungen, sinnliche Fantasien und ein oft anarchisch anmutender Witz.

Der Zürcher “Tages-Anzeiger” fragte Pipilotti Rist in einem am Montag veröffentlichten Interview, ob das Sinnliche, das Verspielte, Elemente aus der Kindheit in ihrem Werk dazu beitragen, dass ihre Kunst auf Interesse stosse. “Das kann ein wichtiger Grund sein. Meine Arbeiten haben eskapistische Tendenzen, utopische, bewusst naive. Obwohl sie bewusst nicht die Schmerzen und die Tragik in den Mittelpunkt stellen, klingen diese immer mit.”

Wenn sich die Menschen auf ihr Werk einliessen, könnten sie eine gewisse Distanz zu ihren persönlichen Problemen finden, zeigt sich die Künstlerin überzeugt. Auf die Frage, ob da nicht die Gefahr der Verkitschung bestehe sagt Pipilotti Rist: “Geistige Flucht und Träumen finde ich nicht negativ.”

Vom Schmerz, der in der Ecke hängt

Auch die “Neue Zürcher Zeitung” befasste sich jüngst in einem Interview mit Pipilotti Rist. Darin erklärt die Künstlerin zu ihrem Werk: “Die Ausgangspunkte waren immer superprivat, superpersönlich: Liebeskummer, … psychosomatische Störungen, Todesängste – alles sehr aus meinem persönlichen Empfindungen geschöpft. Aber ich habe versucht, durch meine protestantische Arbeitsmoral – Fleiss und Präzision -, dem Ergebnis auf einer allgemeineren Ebene gesellschaftliche Relevanz zu verschaffen.”

Der Auslöser für ihre Werke seien also oft eine emotionale Betroffenheit, schliesst die NZZ. Worauf die Künstlerin entgegnet, ihre Arbeit sei oft eine Konzentration auf die positiven Seiten, doch sie hoffe, dass der Schmerz dabei nicht ausgeblendet werde. “Dies macht es vielleicht sogar aus, ob man jemandem die Leichtigkeit abnimmt oder nicht: Man muss spüren, dass der Schmerz in den Ecken hängt.”

Pipilotti Rist am Times Square

Werke der Video-Künstlerin wurden schon in so illustren Museen wie dem Guggenheim in New York und im Museum of Modern Art in Chicago ausgestellt. Im vergangenen Jahr war eine ihrer Video-Installationen am New Yorker Times Square zu bewundern. Zu sehen war ihr Werk daneben unter anderem in zahlreichen europäischen Städten sowie in Japan und in Kanada.

Mit dem wachsenden Ruf wuchs auch die Zahl der Preise: Nach Auszeichnungen an den Film- und Videotagen Basel (1987), der Feminale Köln (1988) und der VIPER Luzern (1989) erhielt Pipilotti Rist 1991 und 1993 ein eidgenössisches Filmstipendium, 1992 den Zürcher Filmpreis. Es folgten weitere Auszeichnungen in der Schweiz und im Ausland. Und nun der Kunstpreis der Stadt Zürich, einer der höchstdotierten Kunstpreise der Schweiz.

Ende Jahr schliesst die Künstlerin nun ihr Atelier in Zürich und reist über den Atlantik, um als Gastdozentin an der University of California in Los Angeles (UCLA) zu arbeiten. Und bald kommt auch ihr Kind zur Welt. Ist es ein Mädchen soll es Pepperminta heissen, wenns ein Junge wird Himalya.

swissinfo

In Übereinstimmung mit den JTI-Standards

Mehr: JTI-Zertifizierung von SWI swissinfo.ch

Einen Überblick über die laufenden Debatten mit unseren Journalisten finden Sie hier. Machen Sie mit!

Wenn Sie eine Debatte über ein in diesem Artikel angesprochenes Thema beginnen oder sachliche Fehler melden möchten, senden Sie uns bitte eine E-Mail an german@swissinfo.ch

SWI swissinfo.ch - Zweigniederlassung der Schweizerischen Radio- und Fernsehgesellschaft

SWI swissinfo.ch - Zweigniederlassung der Schweizerischen Radio- und Fernsehgesellschaft