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Rock-Gören aus Estland singen für die Schweiz

Ihr Manager manipulierte die Charts: Vanilla Ninja singt trotzdem für die Schweiz. (Bild: SF DRS) swissinfo

Am Final des "Eurovision Song Contest" (ESC) in Kiew vertritt die estnische Mädchen-Band Vanilla Ninja die Schweiz. Das soll eine weitere Blamage verhindern.

Im vergangenen Jahr holte die Schweiz keinen einzigen Punkt – bedauernswert für das Land, wo der Musik-Wettstreit erstmals stattgefunden hatte.

Vanilla Ninja aus dem Baltikum hat gute Chancen, den 50. ESC zu gewinnen, der kommendes Wochenende in der ukrainischen Hauptstadt Kiew stattfindet. Der Weg der vier “Rock-Gören” Lenna, Katrin, Piret und Triinu zum möglichen Sieg im Kiewer Sportspalast war aber nicht einfach: Ihr Manager David Brandes musste zugeben, dass er massenweise Singles der Gruppe hatte aufkaufen lassen, um diese auf die vorderen Plätze der deutschen Musik-Hitparade zu hieven.

Die Band selber versucht sich unterdessen von dieser Kontroverse zu distanzieren: “Wir versuchen, nicht zuviel darüber nachzudenken”, sagt Lead-Sängerin Lenna im Vorfeld des Anlasses. “Wir wollen uns auf Kiew konzentrieren.”

Keine Manipulation in der Schweiz

Toni Wachter, Unterhaltungschef bei SF DRS und verantwortlich für die Auswahl der Musiker, die für die Schweiz beim Eurovision-Contest auftreten, betont, dass es hierzulande keine Aufkäufe von Vanilla Ninja-Scheiben gegeben habe. Er gibt aber zu, dass solche Manipulationen im europäischen Musikbusiness gang und gäbe sind.

Brandes, in Basel geboren und zur Schule gegangen, wurde unterdessen als Band-Manager von Christoph Helbig abgelöst, der bereits Konzerte für grosse Namen wie David Bowie, U2, The Prodigy oder Rage Against the Machine organisiert hat.

Schweiz konnte sich qualifizieren

Insgesamt 39 Länder nehmen am Wettbewerb in Kiew teil, 24 davon kommen in den Final vom 21. Mai. 14 Länder standen schon seit längerem fest – Frankreich, Deutschland, Spanien und Grossbritannien als die 4 grössten Länder im Wettbewerb und die 10 Besten aus dem letzten Jahr.

Weil die Schweiz nach dem letztjährigen Debakel – der Basler Coiffeur und MusicStar-Finalist Piero Esteriore ging mit keinem einzigen Punkt von der Bühne – nicht darunter fiel, musste das Frauen-Quartett aus der estnischen Hauptstadt Tallinn am Donnerstag am Halb-Final teilnehmen.

Mit dem Song “Cool Vibes” schafften es die vier Girls schliesslich unter die besten zehn – und zogen damit in die Schlussrunde ein.

Den Final am Samstag dürften voraussichtlich 100 Mio. Menschen live am Fernsehen mitverfolgen.

Imageproblem im Inland, Talentsuche im Ausland

Dass die Schweiz durch eine ausländische Band vertreten wird, hatte anfangs im Land breites Unverständnis ausgelöst. Sollte in der Schweiz wirklich keine einzige erfolgversprechende Band zu finden gewesen sein?

Wachter verteidigt den Entscheid und erklärt, er habe nach den Misserfolgen in den vergangenen Jahren über die Grenzen hinaus schauen müssen. In den letzten Jahren hatten die Teilnehmer aus der Schweiz entweder die Qualifikation nicht geschafft oder waren auf einem der letzten sechs Ränge geendet.

“Wirklich gute Bands aus der Schweiz hatten Angst, nach all diesen Misserfolgen anzutreten. Sie fürchteten um ihr Image”, sagt Wachter gegenüber swissinfo. “Wir haben Vanilla Ninja gewählt, weil die Mädchen gut singen, gut aussehen und bei den Jugendlichen gut ankommen.”

Alle dürfen für die Schweiz antreten

Es ist nicht das erste Mal, dass sich die Schweiz beim Eurovision aus dem Ausland vertreten lässt: Die kanadische Sängerin Céline Dion machte 1988 ihren Durchbruch in Europa, nachdem sie den ESC für die Schweiz gewonnen hatte.

Es gibt denn auch keine Eurovision-Regel die besagt, dass Künstler aus dem eigenen Land ins Rennen geschickt werden müssen.

swissinfo, Julie Hunt
(Übertragung aus dem Englischen von Philippe Kropf)

Eurovision Song Contest (ESC), vom 16. Mai bis 21. Mai 2005 in Kiew, Ukraine.

Dieses Jahr nehmen 39 Länder am Eurovision-Wettbewerb teil.

24 davon gelangten in den Final, der am 21. Mai vom Fernsehen live übertragen wird. Mit dabei ist dieses Jahr auch die Schweiz.

Während des Finals werden über 100 Mio. Menschen vor dem TV-Gerät sitzen.

Der erste Eurovision Song Contest (ESC) hatte 1956 in Lugano stattgefunden. Die Sängerin Lys Assia gewann den Wettbewerb für die Schweiz mit “Refrain”.

Die Pop-Band Abba wurde eine der bekanntesten Bands überhaupt, nachdem sie 1974 mit “Waterloo” für Schweden gewann.

Die kanadische Sängerin Céline Dion entschied den ESC mit “Ne partez pas sans moi” 1988 für die Schweiz.

2004 musste der Ex-MusicStar Piero Esterio ohne einen einzigen Punkt für die Schweiz von der Bühne gehen.

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