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Schweiz ausgeschieden – es bleibt die Affäre Frei

Fussball - Thema Nr 1 in den Schweizer Zeitungen swissinfo.ch

Euro 2004: Der Match gegen Frankreich und das Ausscheiden der Schweizer Mannschaft nach dem 1:3 dominieren die Presse in der ganzen Schweiz.

Vor allem der Deutschschweizer Presse stossen die Folgen der “Spuckaffäre” rund um die Schweizer Verbandsfunktionäre sauer auf.

“Abschied mit Theater” titelt der TAGES-ANZEIGER, und meint, dass sich Nationaltrainer Köbi Kuhn und sein Team auf dem Rasen mit einem eindrücklichen Auftritt verabschiedeten. Demgegenüber stehe “den Verbandsfunktionären eine sehr unangenehme Verlängerung bevor”.

Es geht um die “Spuckaffäre” rund um Stürmer Alex Frei, die damit zusammenhängenden Lügen und die Rolle des Schweizerischen Fussballverbands SFV. Sie überschattet in der Presse vom Dienstag die Berichte und Kommentare zum Spiel gegen Frankreich.

“Frühzeitige Verabschiedung”

“Die Schweizer Fussballer spielten lange begeisternd, verloren aber gegen Frankreich 1:3 und verabschiedeten sich von der EM in Portugal. Wie erwartet frühzeitig”, schreibt der TAGES-ANZEIGER.

“Leider auch ein Trauerspiel”, schreibt DER BUND und zieht Bilanz: Köbi Kuhn habe ein Team formiert, das in der Qualifikation begeisterte “und in der Bevölkerung eine selten erlebte Sympathiewelle auslöste”.

Was bleibt nun am Ende? Ein “guter, kämpferischer Auftritt” gegen Kroatien, “eine ansprechende erste Halbzeit” gegen England, und das “Abschiedsspiel” gegen Frankreich. Dieses sei “nicht nur dazu angetan gewesen, sich über die Schweizer Darbieter zu freuen, sondern liess während langer Zeit sogar ernsthafte Hoffnung auf die Viertelfinal-Qualifikation aufleben.”

Wahrheitsfindung innerhalb des Verbands angesagt

Doch auch DER BUND kommt auf die “Entgleisung des Spielers Alex Frei” zu sprechen, und den “schalen Nachgeschmack, den die ‘Verarbeitung’ der Wahrheit durch die Schweizer Delegationsführung hinterlässt”.

Schlussfolgerung deshalb: “Die als Gesamtveranstaltung bisher in vieler Hinsicht erfreuliche Europameisterschaft bleibt aus Schweizer Sicht auch als Trauerspiel zurück.”

“Köpfe müssen rollen”, bringt es die BERNER ZEITUNG auf den Punkt. “Wenn Alex Frei wirklich von SFV-Vertretern dazu angestiftet wurde, seinen Ausrutscher zu bestreiten, müssen Köpfe rollen. Und zwar auf höchster Ebene.” Ein Verband, der Spieler zur Lüge anstiftet, so die BZ, sei eine einzige Katastrophe. “Die Akte ‘EM in Portugal’ ist für den SFV gesten Abend noch lange nicht geschlossen worden.”

BLICK schreibt von “Krieg zwischen SF DRS und Fussballverband”

Die Boulevard-Zeitung BLICK schickt der Match-Berichterstattung Schweiz – Frankreich zwei volle Seiten Verbands-, Spuck- und WC-Papier-Attacken-Berichte voraus. Die Mannschaft habe beschlossen, “auch gestern beim letzten Gruppenspiel gegen Frankreich keine Interviews mit SF DRS zu machen.”

“Im Gegensatz zu den Verbandsbossen können die Spieler erhobenen Hauptes heimreisen”, so beginnt der BLICK den Match-Bericht. Auch ohne “Spucksünder” Alex Frei habe bei der Niederlage gegen Frankreich nur wenig für eine Viertelsfinal-Sensation gefehlt.

Um beim Schlüsselwort zu bleiben: “Yakin, Vogel & Co. spuckten kräftig in die Hände – und kitzelten den amtierenden Europameister bis zur 76. Minute.”

“Ein Schatten bleibt”

Umgekehrt gewichtet die NEUE ZÜRCHER ZEITUNG. Ihr ist die “Affäre Alex Frei” nur ein Kästchen am unteren Seitenrand wert. Laut Bericht “erzielte die Schweiz durch Vonlanthen ihren einzigen Treffer am Turnier und stand beim 1 : 3 phasenweise nahe an der Sensation.”

Von einem “guten Eindruck der Schweizer Fussballer” spricht die NZZ, doch habe sich “insgesamt einzig der sportliche Status quo und die realistischen Prognosen im Vorfeld bestätigt”. Die NZZ gesteht den Spielern einen “optisch ansprechenden Fussball” zu.

Doch mangle es “unübersehbar an Effizienz und Klasse im Abschluss” – das schön herausgespielte Tor des jungen Vonlanthen einmal ausgenommen. Kritisiert wird die Personalpolitik des Nationaltrainers Köbi Kuhn: Es habe in Portugal in den Schweizer Reihen an “international erprobten Angreifern” gefehlt.

Selbstdarstellung von Funktionären

Die NZZ bemängelt, man hätte nicht auf einen Stürmer vom Format von Blaise N’Kufo verzichten sollen. Dennoch sei “sportlich dem Team kein Vorwurf zu machen”. Betrüblicher sei es, dass “es der Mannschaft nicht gelungen ist, die Rolle des unbekümmerten, sympathischen Aussenseiters einzunehmen”.

Das Team des Schweizerischen Fussballverbands habe im Gegenteil “durch Unbeherrschtheit von Spielern und Selbstdarstellung von Funktionären auch international an Wohlwollen eingebüsst”, schreibt die NZZ.

“Die undurchsichtige Rolle des Verbands habe das Gesamtbild der Schweizer EM-Mission getrübt.”

Stoss für den “gallischen Hahn”

Die Westschweizer gehen mit ihrem Nachbarn Frankreich ganz anders um. 24 HEURES schreibt ganz klar: “Un match Suisse-France, ça a toujours une saveur particulière” (Ein Match Schweiz – Frankreich hat immer einen ganz besonderen Geschmack.) Die Waadtländer Zeitung bezeichnet Johan Vonlanthen, der das einzige Schweizer Tor schoss, als “würdigen Erben von Roger” (Federer).

“On y a cru jusqu’au bout” (Man glaubte bis zum Schluss daran), titelt LE MATIN auf der Front und geht im Bericht bereits aufs “Ziel Mondial 2006” ein. Die Schweiz habe dem gallischen Hahn einen Stoss versetzt.

“Chappi wird nicht mehr da sein, Streller wie immer krank, Frei freigestellt…”. Es sei an der Zeit, sich an Blaise N’Kufo zu erinnern, meint LE MATIN.

Den Sieg nach Punkten, was das Titeln betrifft, erhält wohl die TRIBUNE DE GENEVE. Sie schreibt: “La Suisse se qualifie…pour l’Euro 2008” (Die Schweiz qualifiziert sich …. für die kommende Europameisterschaft 2008). Diese sollte ja, falls genügend Stadien vorhanden sind, in der Schweiz selbst stattfinden.

swissinfo, Alexander Künzle

Die Deutschschweizer Presse berichtet am Dienstag mehr über die “Spuckaffäre” Frei, als über den Match-Verlauf des Spiels Schweiz – Frankreich.

Die Westschweizer Zeitungen geniessen hingegen den Umstand, dass die Schweiz dem nahen Nachbarn Frankreich während langer Zeit zumindest Paroli bieten konnte.

Resultate der Schweizer Mannschaft in Portugal:
Schweiz – Kroatien: 0 : 0
Schweiz – England: 0 : 3
Schweiz – Frankreich 1 : 3

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