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“Seit dem 1. Juli kriege ich keinen roten Rappen mehr”

Der arbeitslose kaufmännische Angestellte und Familienvater Jean-Michel Berset verliert infolge des revidierten Schweizer Arbeitslosen-Gesetzes sechs Monate Unterstützung.

Im Gespräch mit swissinfo schildert er seine Situation.

Der kaufmännische Angestellte Jean Michel Berset ist seit eineinhalb Jahren arbeitslos. Er lebt mit seiner Familie in La Chaux-de-Fonds im Neuenburger Jura. Berset besorgt den Haushalt und schaut zu den beiden Kindern.

Bislang sorgte das Gehalt seiner Frau, die einer 50%-Arbeit nachgeht, und die Arbeitslosen-Unterstützung dafür, dass sich die Familie finanziell über Wasser halten konnte.

Nun aber wird der 38-jährige Jean-Michel Berset ausgesteuert. Das heisst, die Arbeitslosenunterstützung läuft aus.

swissinfo: Welches sind für Sie die Folgen des neuen Gesetzes, das die Bezugsdauer der Arbeitslosen-Unterstützung kürzt?

Jean-Michel Berset: Ich verliere ganz einfach sechs Monate Arbeitslosengelder. Ab dem 1. Juli erhalte ich keinen roten Rappen mehr.

Ich habe mir nie vorgestellt, dass ich in meinem Leben je an diesen Punkt kommen könnte. Ausgesteuert, und das mit 38 Jahren.

Als ich meine Arbeit verlor, dachte ich, dass ich eigentlich schnell wieder eine Stelle finden müsste: Ich bin doch eher noch jung, besitze ein kaufmännisches Diplom und bin mehrsprachig.

Waren Sie über die Änderung und die Folgen im neuen Arbeitslosengesetztes informiert?

J.M.B.: Ja, ich war gut informiert, da ich sechs Monaten lang bei der Vereinigung für die Rechte der Arbeitslosen (ADC) tätig war. Die Vereinigung kämpfte gegen das neue Gesetz, das ja in einer Volksabstimmung angenommen wurde.

Ich habe das Gefühl, dass eine Vielzahl von Arbeitslosen die Folgen der Abstimmung nicht genau bedachten.

Viele von ihnen fragten nach der Abstimmung, was sie eigentlich hätten stimmen sollen. Andere wiederum sagten, sie hätten wohl das Falsche in die Urne lgelegt.

Man kann auch sagen, dass diejenigen, die das Gesetz verschärfen wollten, den Text listig formulierten, um ihr Ziel zu erreichen.

Wie sehen Sie Ihre Zukunft?

J.M.B.: Manchmal können die Regionalen Arbeitszentern (RAV) eine Arbeit vermitteln. Sie knüpfen für uns Verbindungen zu Unternehmen. Aber schlussendlich muss der Arbeitsuchende seine Wahl treffen.

Über eines muss ich mir aber im Klaren sein: Der Kuchen wird immer kleiner, und es wollen immer mehr mitessen.

Kommt dazu, dass meine Chancen mehr und mehr sinken. Wer stellt schon einen ein, der seit eineinhalb Jahren arbeitslos ist?

Wenn man also ausgesteuert ist, bleibt man auf sich selber gestellt?

J.M.B.: Ja, ausser die Leute, welche in ein Arbeitsprogramm aufgenommen werden. Da kann man ein Jahr arbeiten. Allerdings ist das Gehalt sehr niedrig, und die Stellen sind rar.

Zudem denke ich, dass viele Leute keine Lust auf eine solche Krisenmassnahme haben. Sie empfinden das als erniedrigend.

Und Sie, würden Sie so etwas annehmen?

J.M.B.: Es ist eine Lösung, die ich in Betracht ziehen würde. In der Zwischenzeit könnte ich weiter eine Arbeitsstelle suchen.

Ich glaube, das ist keine Schande. Man hat ja Geld an die Arbeitslosen-Versicherung entrichtet. Und es wenn es hilft, sich wieder in die Arbeitswelt einzugliedern, warum nicht?

Interview swissinfo: Alexandra Richard
Übertragung aus dem Französischen: Urs Maurer

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