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«Von der Szene für die Szene»

Im letzten Jahr tanzte rund eine Million Menschen an der Street Parade, soviele wie nie zuvor. Keystone

Das Interesse an der Loveparade in Berlin schwindet, Sorgen bereitet dies den Organisatoren der Zürcher Street Parade keine. Sie erwarten im August erneut eine Million Menschen.

Die Berliner Loveparade vom vergangenen Wochenende hat wesentlich weniger Raver angelockt als in den Jahren zuvor. 500’000 Menschen sind nach Schätzungen der Polizei gekommen, 750’000 waren es nach Meinung der Parade-Macher. Im Vorjahr waren noch 800’000 Techno-Fans gezählt worden. Die Zeiten, als gar eine 1,5 Millionen Menschen zusammen feierten, scheinen vorbei zu sein.

Zürich nicht gewinn-orientiert

Trotz des rückläufigen Interesses in Berlin erwarten die Organisatoren der Streetparade in Zürich am 10. August rund eine Million Menschen, «vielleicht ein paar mehr», wie der Medienverantwortliche Stefan Epli sagt. Vorausgesetzt, es sei schönes Wetter.

Von der Parade in Berlin könne man nicht auf jene in Zürich schliessen: «Diese ist von der Szene für die Szene organisiert.» Der Anlass in Zürich sei ein nicht gewinn-orientiertes Spektakel im Gegensatz zur Loveparade, die von einer Firma organisiert werde.

Da die Berliner Organisatoren kommerziell denken, würden sie ein zu breites Publikum ansprechen, meint Epli. Natascha Kompatzki, eine Sprecherin des Berliner Tourismus Marketing, sagte denn auch am vergangenen Wochenende, dass Techno-Musik alleine nicht mehr ausreiche, um die Massen nach Berlin zu ziehen.

Nur für die Techno-Generation

Neue Ideen und Konzepte seinen nun nötig, erklärte Natascha Kompatzki weiter. Stefan Epli kann bereits verwirklichten «neuen Ideen» Berlins – Lasershow, Ballonfahrten und Marroni-Ständen – wenig abgewinnen. Zürich bleibe sich treu und setze nur auf die Techno-Generation.

Am Techno selbst könne das sinkende Interesse nicht liegen, dessen Faszination sei weiterhin lebendig. Gerade in den letzten fünf Jahren seien viele neue Stile des elektronischen Sounds entwickelt worden. «Das zieht wieder neue Leute an».

Geboten wird an der diesjährigen 11. Parade mit 33 Love-Mobiles und 80 Formationen in Zürich jedenfalls die bisher grösste Show. 13 der Love-Mobiles sind aus Zürich, 11 aus der übrigen Schweiz und 9 aus dem Ausland, mehrheitlich aus Deutschland, eines aus Brasilien.

Expo als Konkurrenz

Finanzielle Sorgen müssen sich die Organisatoren für die diesjährige Parade keine machen – auch dies ein Gegensatz zu Berlin. Dort ist die Zukunft der Loveparade nicht gesichert. Geschäftsführer Fabian Lanz sagte laut Berliner Morgenpost, es sei unklar, wo das Geld für die nächste Veranstaltung herkommen solle.

Das Budget der Schweizer Street Parade beträgt, unverändert seit 1999, rund 1,2 Mio. Franken. Und es ist gedeckt. Allerdings: Dieses Mal sei es schwierig gewesen, Sponsoren zu finden, weil viele Firmen bereits die Expo.02 unterstützten.

«Kleine Idee kann gross werden»

Die Wertschöpfung des Anlasses für die Region Zürich wird auf 150 Mio. Franken geschätzt. Einer, der von der wachsenden wirtschaftlichen Bedeutung des Anlasses fasziniert ist, ist Christoph Soltmannowski, langjähriges OK-Mitglied.

«Mir persönlich zeigt diese Entwicklung, dass man sich am Anfang nicht entmutigen lassen soll; eine kleine Idee kann gross werden», erzählt er. «Das war eine interessante Erfahrung.»

Über die ersten zehn Jahre hat Soltmannowski nun ein Buch geschrieben, das kürzlich erschienen ist. Er geht auf die Vorgeschichte der Street Parade ein, bietet Hintergründe und erzählt Anekdoten. Ehemals Aktive kommen ebenso zu Wort wie die heutigen Macher und auch Kritiker.

Stimmung das Wichtigste

Sowohl für Stefan Epli und Christoph Soltmannowski ist generell nicht relevant, wie viele Menschen mitfeiern. Laut Epli spiele auch bei den Verhandlungen mit den Sponsoren die Anzahl Leute keine Rolle. Trumpf sei einfach, dass Zürich die «schönste Parade» sei – mit dem See und den Bergen»…

Christoph Soltmannowski: «Es geht um die Stimmung.» Zürich sei eine Kleinstadt und wenn plötzlich 1,5 Millionen Leute kämen, so würde die Parade eher schlechter als besser werden. «Rein für die Stimmung wäre es sogar gut, wenn sich die Zahlen auf 700’000 bis 800’000 Leuten einpendeln würden, es ist manchmal fast zuviel.»

Kathrin Boss Brawand

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