Aids-Medikament von Roche nimmt letzte Hürde

Ein revolutionäres Medikament des Schweizer Pharmakonzerns hat die Langzeit-Tests bestanden. Damit ist der Weg geebnet, um Fuzeon bald weltweit auf den Markt zu bringen.
Roche präsentierte in Paris die jüngsten Ergebnisse zur Wirksamkeit von Fuzeon.
Fuzeon ist eine Hoffnung für diejenigen Aids-Patienten, bei denen herkömmliche Therapien keine Wirkung zeigen.
Es ist das erste einer Reihe von neuartigen Medikamenten, den so genannten Fusionsinhibitoren. Diese stoppen das Aids verursachende HI-Virus bereits, bevor es in die menschlichen Zellen eindringen kann.
Roche präsentierte die jüngsten Langzeit-Studien am Dienstag im Rahmen der internationalen Aids-Konferenz in Paris. Die Ergebnisse bestätigen die Resultate früherer Kurzzeit-Untersuchungen.
«Vor einem Jahr sprachen wir von Hoffnung», sagte David Reddy, Leiter des HIV-Forschungsabteilung von Roche. «Jetzt hat das Medikament diese Hoffnung erfüllt.»
Produktion gesichert
Roche bestätigte in Paris, dass es möglich sei, Fuzeon in genügender Menge zu produzieren. Damit trat das Unternehmen im letzten Jahr geäusserten Befürchtungen entgegen, wonach das Medikament wegen des komplexen Produktionsprozesses nur in kleinen Mengen hergestellt werden könne.
Roche habe im Herstellungs-Prozess enorme Fortschritte erzielt, so dass das Unternehmen punkto lieferbare Mengen weiter sei als erwartet, erklärte Reddy.
2003 können laut dem Pharma-Unternehmen weltweit bis 18’000 Aids-Patienten mit dem neuen Medikament therapiert werden.
Ursprünglich waren Roche und die US-Partnerfirma Trimeris davon ausgegangen, Fuzeon im laufenden Jahr lediglich an 12’000 bis 15’000 Aids-Kranke abgeben zu können.
Virus zunehmend resistent
Bereits seit längerem setzten verschiedene Pharmafirmen alles daran, HIV-Medikamente mit neuartigen Wirkmechanismen zu entwickeln. Denn viele der herkömmlichen Mittel haben ihre Wirkung verloren: Wie alle anderen Viren entwickelt auch das HI-Virus Stämme, die gegen Medikamente resistent sind. Dies schränkte für viele infizierte Menschen die Behandlungsmöglichkeiten ein.
«Es ist die attraktivste Art, das HI-Virus in den Griff zu bekommen, wenn es bereits am Eindringen in die Zelle gehindert wird», sagte der amerikanische Virologe Roberto Gallo von der Maryland-Universität in Baltimore. Es sei eine kraftvolle neuartige Wirkstoffgruppe für künftige Therapien enstanden.
Gallo, der vor 20 Jahren zu den Entdeckern des Aids verursachenden HI-Virus gehörte, betonte gegenüber swissinfo, es sei wichtig, dem sich weiterentwickelnden Virus stets einen Schritt voraus zu sein.
«Im Rennen gegen die HIV-Infektion ist es notwendig, stets weitere Pfeile im Köcher zu haben, die zu einem bestimmten Zeitpunkt eingesetzt werden können.»
Das Virus bekämpfen
Das HI-Virus dringt in bestimmte Immunzellen der Blutbahn ein und zerstört sie. Diese so genannten CD4-Zellen sind deshalb wichtig, weil sie andere Abwehr-Zellen «benachrichtigen», wann diese in Aktion treten sollen.
Fällt die Zahl dieser CD4-Zellen unter 200, gilt eine mit HIV infizierte Person als aidskrank.
In den jüngsten klinischen Tests wurde Fuzeon an rund 1000 aidskranke Menschen aus den USA, Kanada, Europa und Australien abgegeben. Diese Regionen hatten einerseits bereits vorher die höchste Dichte an medikamentösen Aids-Therapien. Andererseits ist dort auch die Resistenz des HI-Virus am ausgeprägtesten feststellbar.
«Bei zwei oder drei Patienten war die Aidskrankheit kaum mehr behandelbar», sagte Manuel Battegay, Ko-Leiter der Studie und Leiter der Abteilung für Infektionskrankheiten am Universitätsspital Basel. «Nach der Einnahme von Fuzeon stieg die Zahl ihrer CD4-Abwehrzellen, und sie konnten wieder behandelt werden.»
Bei der Hälfte der Probanden sei die Behandlung «extrem effektiv» gewesen, rund ein Drittel habe eine markante Besserung gezeigt.
Laut Battegay zeigt Fuzeon die beste Wirkung, wenn es so früh als möglich und zusammen mit zwei oder mehr anderen Medikamenten kombiniert eingesetzt wird.
Äusserst komplexe Struktur
Wegen seiner komplexen chemischen Struktur ist Fuzeon nur sehr schwer herzustellen. Die Produktion verlangt 106 Schritte (herkömmliche HIV-Medikamente benötigen 8 bis 12 Produktionsschritte).
Um ein Kilogramm Fuzeon produzieren zu können, braucht es 45 Kilogramm Ausgangsstoffe.
Die Therapie mit Fuzeon kostet in Europa knapp 28’000 Franken pro Jahr. Die hohen Kosten begründet Roche unter anderem mit dem komplizierten Herstellungs-Prozess.
Das neue Medikament muss zweimal täglich injiziert werden. Als hauptsächliche mögliche Nebenwirkung werden Hautirritationen bei der Einstichstelle angegeben.
swissinfo, Vincent Landon, Paris
(Übertragung aus dem Englischen: Renat Künzi)
Fuzeon ist das erste einer Reihe neuer Medikamente, der so genannten Fusions-Inhibitoren
Fuzeon hindert das HI-Virus, überhaupt in die Immunzellen einzudringen
Die Therapie-Kosten pro Jahr betragen in Europa knapp 28’000 Franken
Die hohen Kosten begründet Roche mit der komplizierten Produktion von Fuzeon

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