Aus Kunstfehlern lernen

In der Fliegerei ist es die Norm, dass aus Fehlern gelernt wird. Der Bund will das nun auch in der Medizin verbindlich erklären.
Eine Meldeplattform für medizinische Kunstfehler soll helfen, Fehler zu vermeiden sowie die Rechte der Patienten zu schützen.
Laut einer Hochrechnung des Bundesamtes für Gesundheit (BAG) sterben in der Schweiz jährlich 2000 bis 3000 Menschen wegen ärztlichen Fehlern. Genaue Zahlen gibt es nicht, denn das Risiko einer strafrechtlichen Verfolgung ist für die Ärzte zu gross, wenn sie Fehler melden.
Für das Wohl aller Patienten wären aber gerade diese Meldungen von grosser Wichtigkeit, da aus ihnen gelernt werden könnte, zum Beispiel mit so genannten Critical Incient Reporting Systems.
Critical Incident Reporting heisst, dass alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter einen Fehler oder einen Zwischenfall, der ihnen unterläuft oder den sie beobachten, handschriftlich mit einem Formular melden können.
Aus der Analyse dieser Daten können Verbesserungen von Abläufen und vorbeugende Massnahmen abgeleitet werden. Ähnliche Meldesysteme sind in der zivilen Luftfahrt sehr erfolgreich.
Keine Strafverfolgung
Entscheidend ist jedoch der Umgang mit den Daten, die aus solchen Systemen gewonnen werden. Nun zeigen Erfahrungen aus den USA, dass diese Systeme nur genutzt werden, wenn die Betroffenen darauf zählen können, dass ihre Daten vertraulich behandelt werden und dass die Informanten eine gewisse Immunität geniessen.
Im Schweizer Strafrecht ist verankert, dass der Angeschuldigte sich selbst nicht belasten muss. Dieses Prinzip müsste daher auch für medizinische Meldesysteme gelten.
Wie die «NZZ am Sonntag» schreibt, hat die Schweizer Regierung seit 1996 die Kompetenz und auch das Mandat, die Patientensicherheit und Qualität im Gesundheitswesen sicherzustellen.
Allerdings, bis heute habe die Regierung keine solche nationale Plattform geschaffen. Zahlreiche Kliniken in der Schweiz, so die Zeitung, seien an kein Fehlermelde-System angeschlossen.
Meldepflicht noch in diesem Jahr
Nun wolle der Bund diesen Mangel beheben, sagte Manfred Langenegger, Leiter der Fachstelle Qualitätssicherung im BAG. Gemäss Langenegger sollen die Spitäler verpflichtet werden, Meldesysteme für kritische Zwischenfälle, sprich Kunstfehler, einzurichten.
Die Massnahmen sollen gewährleisten, dass Fehler nicht verschwiegen werden, sondern zu Lernzwecken analysiert und auf nationaler Ebene zusammengeführt und ausgewertet werden.
Eine zentrale Rolle, so die Zeitung, solle bei diesem Lernprozess die Stiftung für Patientensicherheit spielen, die im Dezember 2003 vom Bund und den Berufsverbänden gegründet worden war. Bislang konnte die Stiftung die ihr zugedachte Rolle nur beschränkt wahrnehmen.
Damit nicht wieder Jahre ins Land ziehen, bis in Sachen Patientensicherheit etwas geschehe, so Langenegger, wolle der Bund rasch handeln.
Die geplanten Massnahmen sollen – nach einer Vernehmlassung – noch in diesem Jahr in Kraft treten. Dabei gehe es nicht darum, Schuldige zu suchen oder gar eine Rangliste der Spitäler zu erstellen. Es solle vielmehr, gemäss dem Sprichwort «aus Fehlern lernen», auch aus Kunstfehlern gelernt werden.
Recht auf Information
Möglicherweise dachte der Schweizer Bundespräsident Samuel Schmid an diese Problematik, als er in seiner Rede zum Tag der Kranken am 6. März vom «Recht auf Information» des Patienten sprach.
Schmid gab in seiner Rede der Hoffnung Ausdruck, dass sich Patienten auch etwas anderem als ihrer Krankheit zuwenden. Ebenfalls sollten sie ihrer Krankheit gegenüber bewusst und aktiv verhalten sowie die gesunden Seiten erhalten und fördern. Dabei sollen ihnen die Ärzte und das Pflegepersonal helfen.
Der Bundespräsident kam dann auf das Motto des diesjährigen Tag der Kranken zu sprechen: «Fragen erleichtert das Ertragen». Kranke Menschen hätten das Recht, über ihre Krankheit informiert zu werden, sagte Schmid. Wohl auch über Kunstfehler, liesse sich anfügen.
swissinfo und Agenturen
Der Tag der Kranken steht in diesem Jahr unter dem Motto: «Fragen erleichtert das Ertragen».
Der Schweizer Bundespräsident Samuel Schmid hat in seiner Rede die Patienten ermuntert, nie die Hoffnung zu verlieren.
Das Zentralkomitee «Tag der Kranken» verlangt, dass Patienten über Krankheit und Behandlung informiert werden müssen.

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