Bund und Geschwister Sonabend einigen sich

Der Bund und die Geschwister Sonabend haben sich aussergerichtlich geeinigt: Die Geschwister, die 1942 als Flüchtlinge von der Schweiz abgewiesen worden waren, erhalten eine Entschädigung von 200'000 Franken. Dafür ziehen sie ihre Klagen zurück.
Das federführende Eidg. Finanzdepartement und der Rechtsantwalt der Geschwister, Marc R. Richter, teilten am Freitag (19.05.) gemeinsam mit, die Parteien hätten die aussergerichtliche Beilegung der Klagen von Charles und Sabine Sonabend vereinbart. Der Bund zahlt ihnen demnach «unpräjudiziell» eine Parteikostenentschädigung von 200’000 Franken.
Über die Aufteilung der Summe können sie frei entscheiden. Charles Sonabend zieht seine vor Bundesgericht hängige Klage zurück, Sabine Sonabend ihr bei der Schweizer Regierung, dem Bundesrat, hängiges Gesuch.
Villiger lädt Sonabends ein
Bundesrat Villiger hat Charles und Sabine Sonabend für kommenden Dienstagnachmittag (23.05.) zu einem persönlichen Gespräch nach Bern eingeladen. Auch Bundesrätin Ruth Dreifuss wird an diesem Gespräch teilnehmen.
Villiger will die Geschwister Sonabend persönlich kennenlernen und ihnen dabei die Haltung des Bundesrates darlegen. Ausserdem wolle er den Ausdruck des Mitgefühls und des Bedauerns bekräftigen, heisst es in der gemeinsamen Pressemitteilung.
Dieses Treffen sei für die Sonabends sehr wichtig, betonte ihr Anwalt gegenüber Schweizer Radio DRS. Sie sähen sich stellvertretend für all jene Menschen, die ihr Schicksal als Holocaust-Flüchtlinge in der Schweiz während des zweiten Weltkrieges teilten, und von denen heute nur noch wenige am Leben seien.
Die jüdische Familie Sonabend war 1942 aus Belgien vor der Deportation durch die Nazis in die Schweiz geflüchtet, aber von kantonalen Behörden – trotz Widerstands der lokalen Bevölkerung – nach Frankreich zurückgewiesen worden. Dort fielen sie einer deutschen Patrouille in die Hände.
Die Eltern wurden später in Auschwitz ermordet. Die Geschwister überlebten in Frankreich. Charles Sonabend lebt heute in England, seine Schwester Sabine in Brüssel.
Vorbild Fall Spring
1997 forderte Charles Sonabend, gestützt auf das Verantworlichkeits-Gesetz, vom Bund eine Genugtuungsumme von 100’000 Franken. Die Bundesbehörden seien aufgrund ihrer damaligen Asylpolitik für den Tod der Eltern in Auschwitz verantwortlich, argumentierte er.
Da die Schweizer Regierung 1998 das Gesuch von Charles Sonabend aus materiell-rechtlichen Gründen und wegen Verjährung abgelehnt hatte, reichte dieser Klage beim Bundesgericht ein. Im November 1999 reichte seine Schwester beim Bund ein vergleichbares Gesuch ein.
Die nun getroffene aussergerichtliche Vereinbarung stützt sich auf den Leitentscheid des Bundesgerichts im Fall Joseph Spring. Das Bundesgericht hatte im Januar 2000 die Genugtuungsklage des ehemaligen jüdischen Flüchtlings Joseph Spring abgewiesen, da seine Abweisung von 1943 durch die Schweizer Behörden verjährt sei.
Gleichwohl sprachen die Richter Spring 100’000 Franken Entschädigung zu. Dies entsprach der Höhe seiner Genugtuungsforderung.
Sonabends Anwalt Marc Richter hatte damals das Spring-Urteil dahingehend interpretiert, dass der Bundesrat Sabine und Charles Sonabend in einem allfälligen Vergleich auch je 100’000 Franken zusprechen sollte.
swissinfo und Agenturen

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