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Die andern Krisen nicht vergessen

Die Opfer vergessener Konflikte sollen nicht für die Tsunami-Opfer bezahlen müssen. Keystone

DEZA-Direktor Walter Fust hofft, dass die Grosszügigkeit der Weltgemeinschaft sich nicht auf die Flutopfer in Asien beschränken wird.

Zusammen mit dem UNO-Nothilfekoordinator Jan Egeland forderte er die Geberländer in Genf auf, die andern Krisen nicht zu vergessen.

“In der Vergangenheit habe ich viele Versprechen aller Art gehört. In konkrete Aktionen umgesetzt werden sie aber selten”, sagte Walter Fust, der Leiter der Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit (DEZA) gegenüber swissinfo.

Die UNO hatte im vergangenen November die internationale Gemeinschaft aufgefordert, 1,7 Mrd. Dollar zur Verfügung zu stellen, um insgesamt 26 Millionen Menschen auf der ganzen Welt zu helfen. Die meisten davon leben in Afrika und leiden in den so genannten vergessenen Konflikten.

Tsunami-Hilfe als Hoffnung

Jan Egeland begrüsste die Solidarität mit den Überlebenden des Seebebens in Asien. “Für die 5 Millionen Tsunami-Opfer wurde erstmals ein Spendenaufruf vollständig gedeckt”, sagte Egeland vor Beginn einer UNO-Konferenz der Geberländer in der Rhone-Stadt Genf.

“Ich hoffe, dass das der neue Standard für das Mitgefühl, die Solidarität und die Grosszügigkeit gegenüber den anderen Millionen Menschen ist, die auf Hilfe angewiesen sind.”

In der Schweiz hat die Glückskette seit der Flutkatastrophe rund 130 Mio. Franken gesammelt – ein Rekordergebnis. Die Betroffenheit ist in vielen westlichen Ländern sehr viel grösser als bei anderen humanitären Katastrophen, wie beispielsweise im sudanesischen Darfur, wo die Glückskette lediglich rund 2 Mio. Franken sammelte.

Niemand spendet für Afrika

In den vergangenen sechs Jahren seien in der Demokratischen Republik Kongo 3 Millionen Menschen gestorben, erklärte der Norweger Egeland. “Das entspricht alle fünf Monate einem Tsunami, der verhindert werden könnte.”

Der Spendenaufruf der UNO für die weltweite humanitäre Hilfe von 3,4 Mrd. Dollar für das vergangene Jahr war nur zu 60 Prozent gedeckt worden.

Die Welt sei noch nie reicher als heute gewesen, sagte Egeland. Es müsse deshalb möglich sein, jedes Kind auf der Welt zu ernähren. Dass Gelder vor allem in Afrika fehlten, liege oft an der mangelnden Aufmerksamkeit der Politik und der Medien.

Zusätzliche Gelder

Walter Fust unterstrich, dass das Geld für die Opfer der verheerenden Flutkatastrophe in Asien nicht von anderen humanitären Krisen abgezweigt werden sollte. “Wir wollen nicht, dass die Opfer von Krisen und Konflikten in Afrika für den Tsunami bezahlen”, sagte er.

Deshalb seien die 25 Mio. Franken für die Flutopfer, welche Aussenministerin Micheline Calmy-Rey am 28. Dezember gesprochen hatte, zusätzliche Mittel.

Transparenz gewährleisten

Die grosse Bereitschaft, für die Tsunami-Opfer zu spenden, bringt aber auch eine grosser Verantwortung für die Hilfswerke mit sich.

“Es ist zwingend, dass die humanitäre Hilfe transparent geleistet wird”, betonte Fust. “Ein Verlust der Glaubwürdigkeit auf diesem Gebiet würde den Opfern schaden. Das verdienen sie nicht.”

Er forderte ein Kontroll-System, das es dem UNO-Koordinationsbüro für humanitäre Hilfe (OCHA) erlauben würde, den Einsatz der Spenden zu verfolgen und zu überwachen. “Die modernen Informatik-Mittel erlauben es, ein solches System einzuführen”, sagte er im Gespräch mit swissinfo.

Und: “Für die eingesetzten Gelder der DEZA können wir diese Transparenz garantieren.”

swissinfo und Frédéric Burnand in Genf

Zusagen für Hilfsgelder werden schneller gemacht denn gehalten, betonen Verantwortliche der Hilfswerke.

Die UNO hat nur 74% des nötigen Geldes für Hilfe im Sudan, 53% für jene in den palästinensischen Gebieten, 37% für Haiti und nur 9% für Simbabwe oder 5% für die Philippinen.

Neben der Flutkatastrophe in Südasien leiden weltweit 26 Millionen Menschen unter anderen humanitären Krisen, vor allem in Afrika.

Im November 2004 hatten die Vereinten Nationen einen Spendenaufruf für insgesamt 1,7 Mrd. Dollar lanciert.

Allein in Zentralafrika starben in den vergangenen sechs Jahren 3 Millionen Menschen an heilbaren Krankheiten.

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