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Ein Tag gegen die Zensur im Netz

Tausende chinesische Funktionäre nehmen alles, was im Netz publiziert wird, unter die Lupe. Keystone

Der Mittwoch ist der weltweite Tag der Schriftsteller im Gefängnis, um an den Missbrauch der Meinungsfreiheit zu erinnern. Im Zentrum der Aktionen in der Schweiz stehen China und das Internet.

Der Tag wird von PEN International organisiert, einer Organisation von Autoren, die sich gegen jede Form der Unterdrückung der Freiheiten von Intellektuellen wehrt.

Zum Anlass des Tages der Schriftsteller im Gefängnis (Writers in Prison), die eingesperrt wurden, weil sie frei ihre Meinung geäussert haben – oder auch nur die Fakten rapportiert haben – spannen die drei PEN-Zentren der Schweiz zusammen, um den Tag sichtbarer zu machen.

“Wir organisieren drei Veranstaltungen im Land, die eine gemeinsame Botschaft haben: Am 14. November in Lugano, am Mittwoch in Zürich und am Donnerstag in Genf”, erklärt Chiara Macconi, Präsidentin des Schweizer PEN-Komitees Writers in Prison, gegenüber swissinfo.

Die freie Meinungsäusserung und die Menschenrechte in China sind der diesjährige Schwerpunkt. “Wir fokussieren uns auf die Zensur im Internet und auf die ‘Cyber-Dissidenz’, um zu zeigen, dass die Unterdrückung trotz der Einführung neuer Medien weiter besteht”, betont Macconi.

Zwei Stimmen gegen die Zensur

Bei den Veranstaltungen werden zwei chinesische Schriftsteller dabei sein. Gestützt auf ihre Erfahrungen berichten sie von Erlebnissen, wie die freie Meinungsäusserung auch heute noch in grossem Stil mit Füssen getreten und sanktioniert wird.

“Wir werden den Dichter und Dissidenten Yang Lian empfangen, eine der Figuren, welche nach den tragischen Ereignissen auf dem Tienanmen-Platz 1989 den Mund aufgemacht haben, und den Sekretär des chinesischen PEN, den Menschenrechtsaktivisten Yu Zhang”, so Macconi.

Trotz wirtschaftlicher und politischer Verbesserungen im Reich der Mitte werden chinesische Journalisten und Autoren konstant von den Behörden überwacht. Falls sie über sensible Themen schreiben, droht ihnen Gefängnis.

“Wir werden über den Fall des Journalisten Shi Tao sprechen, der zehn Jahre im Gefängnis sitzen muss, weil er im Internet Informationen über die Art und Weise verbreitet hat, wie die kommunistische Partei die Medien kontrolliert”, ergänzt die Präsidentin.

Wie jedes Jahr trägt die Organisation ihre Aktionen auch in die Schulen, um die Jüngsten für das Thema der Zensur und der Meinungsfreiheit zu sensibilisieren.

Staatsgeheimnis

“Das Phänomen der Zensur im Internet hat sich in China in den letzten Jahren stark ausgebreitet”, sagt Marion Schick, Sprecherin der Schweizer Sektion von Amnesty International (AI).

“Die Behörden verfolgen jene, die Informationen über ‘Staatsgeheimnisse’ verbreiten”, ergänzt sie.

“Doch als solche werden auch Nachrichten definiert, die nicht direkt im Zusammenhang mit vertraulichen Fragen stehen, wie beispielsweise die Todesstrafe oder die SARS-Epidemie.”

Laut Schätzungen der Menschenrechts-Organisation sind in China zehntausende Personen im Gefängnis, weil sie von ihrem Recht auf freie Meinungsäusserung oder Versammlung Gebrauch gemacht haben.

Vielzahl von Kontrolleuren

Online-Journalisten, die meinen, im Internet alles verbreiten zu können, was sie wollen, sind besonders betroffen. Die Regierung hat ein Kontrollsystem eingeführt, das sensible Informationen finden oder blockieren kann.

“Wir vermuten, dass ungefähr 35’000 Funktionäre das Netz überwachen”, stellt Schick fest. Unterstützung erhält die chinesische Regierung dabei von den grossen Internet-Konzernen. “Unternehmen wie Google, Yahoo oder Microsoft helfen bei der Zensur mit”, klagt sie an.

Dieses Jahr hat Google zum Beispiel eine chinesische Version ihrer bekannten Suchmaschine lanciert. Doch Suchbegriffe wie die Unabhängigkeit Taiwans oder die spirituelle Bewegung Falun Gong ergeben keine Treffer. Auch gibt es keine Zusatzdienste wie Mail, Chat oder Blogs.

swissinfo, Luigi Jorio
(Übertragen aus dem Italienischen: Christian Raaflaub)

Zwischen Januar und Juni 2006 hat das PEN-Komitee “Schriftsteller im Gefängnis” 719 Fälle von Autoren, Journalisten oder Verlegern gezählt, die verfolgt oder verurteilt wurden.

Im Vergleich mit dem ersten Semester 2005 (690 Fälle) verzeichnet PEN einen markanten Anstieg von Fällen.

Der Verein PEN International (Poets, Essayists, Novelists) wurde 1921 in London gegründet.

Seine rund 150 Zentren weltweit (davon 3 in der Schweiz) setzen sich für die Menschenrechte und die freie Meinungsäusserung ein. Auch der Kulturaustausch soll angekurbelt werden.

Der Verein ist in 101 Ländern präsent und zählt 12’000 Mitglieder.

Verschiedene Komitees zu spezifischen Themen sind Bestandteil von PEN: Schriftsteller im Gefängnis (das bekannteste Komitee), Schriftstellerinnen, Frieden, Übersetzung und linguistische Rechte.

PEN wird von den Vereinten Nationen (UNO) anerkannt. Der Verein hat den Passus “jeder Mensch hat das Recht auf freie Meinungsäusserung” in der Deklaration der Menschenrechte eingebracht.

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